Читать книгу Asian Princess - Thomas Einsingbach - Страница 10
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ОглавлениеWilliam hatte sich für ein Restaurant am Jachthafen entschieden und gegrillte Riesengambas und Tom-Kha-Gai, eine mild-scharfe Kokossuppe mit Hühnerfleischeinlage, bestellt, als sein Mobiltelefon vibrierte. Er erkannte die Nummer von Penelopes Büro in Bangkok. Es war acht Uhr abends und eine Dreimannkapelle spielte den Uraltschlager „Dancing in the Dark“, wobei der schwergewichtige thailändische Sänger die Stimme Frank Sinatras verblüffend originalgetreu imitierte. William stöpselte die Ohrhörer ein und zog sich an die Bar zurück, wo der Geräuschpegel ein wenig geringer zu sein schien.
„Hallo, Penelope. Kannst du mich hören …?“
„Ja. Ich höre dich. Und ich höre Frank Sinatra. Amüsierst du dich gut?“
„Kann nicht klagen! Prima Wetter. Gutes Essen. Eiskalte Cola und ein dicker, brauner Frankie Boy singt Songs aus der Heimat.“ William versuchte seine Freude über Penelopes Anruf einigermaßen zu verbergen. „Wir sehen uns doch nächste Woche?“
„Klar! Der Termin steht. Aber ich muss vorher mit dir reden. Es ist dringend.“
Penelope wirkte konzentriert und geschäftsmäßig. William erinnerte sich, dass die Juristin gerne Beruf und Freizeit auseinanderhielt.
„In Ordnung. Ich hoffe, es stört unser Gespräch nicht zu sehr, wenn der Koh-Samui-Frankie inzwischen weitersingt. Also: Ich höre!“
„William, ich freue mich echt auf unser Wiedersehen in ein paar Tagen. Entschuldige bitte, dass ich dich in deinem Urlaub belästige, aber einer unserer Klienten hat ein Problem. Ich möchte dich um etwas bitten.“
„Mach’s nicht so spannend. Wie kann ich helfen?“
William war in entspannter Urlaubsstimmung, auf ihn wartete ein leckeres Abendessen, der Rückflug nach New York war gebucht und sein Hilfsangebot leichtfertig dahingesagt. Egal, dachte er bei sich, wenn Penelopes Anliegen eine telefonische Beratung überschritt, konnte er sich immer noch mit seinen Verpflichtungen in Amerika entschuldigen.
„William, du hast mir erzählt, dass du einigermaßen deutsch sprichst. Deine Mutter stammt doch aus Deutschland. War es nicht so?“ William entsann sich, dass er etwas in dieser Art erwähnt hatte, als sie sich in langen nächtlichen Gesprächen ihre Vergangenheit erzählt hatten.
„Ich spreche eigentlich nur mit meiner Mutter deutsch“, schränkte William ein, „aber ich denke, ich komme dabei ganz gut zurecht.“
„Das hört sich prima an“, lobte Penelope.
„Gibt es etwas zu übersetzen oder sucht einer deiner reichen Klienten einen Reiseführer für einen Trip nach good old Germany?“
„Mein Klient sucht seine Tochter. Sie studiert in Deutschland. In Heidelberg. Deine Mutter kommt doch aus Heidelberg, wenn ich nicht alles durcheinandergebracht habe?“
William musste schmunzeln. Nur Penelopes äußere Erscheinung war asiatisch. Ihre amerikanischen Adoptiveltern hatten sie als Säugling aus einem thailändischen Waisenheim adoptiert. Sie war in Washington aufgewachsen und vom Scheitel bis zur Sohle Amerikanerin. Er hatte ihr tatsächlich erzählt, dass seine Mutter aus Heidelberg stammte. Welcher Amerikaner kannte schon das verschlafene Rebheim am Rande des südlichen Odenwaldes, in dem sie wirklich aufgewachsen war.
„Es war doch Heidelberg? Nicht wahr? William, bist du noch am Apparat?“
Penelope hatte aus dem deutschen Heidelberg ein amerikanisches Haidelbörg gemacht, was William an seinen Vater erinnerte, der diesen Namen ebenso ausgesprochen hatte. „Heidelberg. Es heißt Heidelberg“, William betonte dabei das „e“ in der letzten Silbe.
„Okay. Haidelbörg“, wiederholte Penelope und begann das Problem ihres Klienten zu erläutern. William hörte zu, sein Interesse an Penelopes Ausführungen hielt sich jedoch in Grenzen. Er war vielmehr überrascht, was die mehrmalige Erwähnung von Heidelberg, einem Ort, den er noch nie besucht und von dem er keine rechte Vorstellung hatte, in ihm auslöste. Vor seinem inneren Auge tauchte unvermittelt seine Mutter auf. Doris LaRouche, geborene Klingenberger aus Rebheim bei Heidelberg, schien sich in den Momenten, in denen Penelopes Worte an ihm vorbeirauschten, in seinem Coca-Cola-Glas zu spiegeln. Er riss sich von diesem Bild los und hörte, dass Penelopes Klient seine Tochter zu einem Studienaufenthalt nach Heidelberg geschickt hatte. Bereits seit Tagen versuchte der Vater nun vergeblich seine Tochter zu erreichen. Da der Mann ausländischen Behörden grundsätzlich misstraute und zudem Zweifel an der Effizienz der deutschen Polizei in sich trug, hatte er sich an Penelope, die Niederlassungsleiterin der Goldstein-&-Schulman-Kanzlei in Bangkok, gewendet.
„Ich glaube, das ist keine große Sache. Das Mädchen ist Mitte zwanzig. Vermutlich genießt sie noch einmal in vollen Zügen ihre Freiheit, weit weg vom strengen Vater und mit großem Abstand zu den Aufgaben, die sie bei ihrer Rückkehr nach Bangkok erwarten. Mein Klient ist sehr einflussreich. Vermutlich würde in einer ähnlichen Situation in Thailand ein Anruf von ihm genügen, und die Royal Thai Police würde alles stehen und liegen lassen und sich mit Mann und Maus auf die Suche nach seiner Tochter konzentrieren“, mutmaßte Penelope. „Also, wenn du Lust auf einen gut bezahlten Abstecher in die alte Heimat deiner Mom hast …“
„Was sind das für Aufgaben, die auf das Mädchen in Bangkok warten? Wo ist der Haken an der Sache?“ In Williams Gehirnwindungen trieben erneut die drei Silben Hei-del-berg ihr Unwesen.
„Du fragst nach dem Haken? In der Tat gibt es da so etwas wie einen Haken: Mein Klient ist bereits Mitte achtzig und wenn er einmal nicht mehr lebt, wird seine Tochter das reichste Mädchen Thailands sein. Der Vater hat Sorge, dass seinem Kind etwas zugestoßen sein könnte. Der Mann ist mächtig. Natürlich hat er nicht nur Freunde. Es gibt Konkurrenten, die ihm das Leben schwer machen wollen.“
William blieb schweigsam. Vielleicht ein wenig zu lange.
„Hallo? William, bist du noch da?“
„Ja, ich bin noch da.“
Er nickte der netten Kellnerin zu, die ihm mit Gesten verständlich machte, dass sie sein Essen in der Küche warmgestellt hatte. „Ehrlich gesagt passt ein solcher Auftrag überhaupt nicht in mein Programm. Ich bin Anfang kommender Woche wieder in New York und habe dort einiges zu tun. Andererseits …“, William zögerte, „Deutschland, Heidelberg … das hört sich interessant an. Gib mir eine Nacht zum Überlegen. Ich melde mich morgen Vormittag bei dir.“