Читать книгу Asian Princess - Thomas Einsingbach - Страница 17
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ОглавлениеNach seiner ersten Nacht auf deutschem Boden erwachte William erstaunlich erfrischt und ausgeruht. Es war noch keine sechs Uhr. Er zog die Vorhänge zurück und sah in einen unfreundlich düsteren Morgen hinaus, was ihn aber nicht weiter störte. Von seinem Zimmer in der obersten Etage des Hotels hatte er einen Blick auf die weltberühmte Schlossruine, die in der verschwommenen morgendlichen Dämmerung geheimnisvoll am Hang des Königstuhls thronte. William verspürte noch immer keinen Appetit, dafür aber Lust auf Bewegung und erinnerte sich an einen Hinweis an der Rezeption, der für die kostenlose Nutzung der hoteleigenen Fahrräder warb.
„Sie finden alle interessanten Sehenswürdigkeiten in direkter Umgebung unseres Hotels“, erläuterte der Portier, als er William einen Stadtplan und den Schlüssel für das Fahrradschloss überreichte. „Und wegen dem Wetter machen Sie sich mal keine Sorgen. Das wird noch!“
William schob das Rad auf den Vorplatz des Hotels, wo ihn Nieselregen empfing und ihm, obwohl es erst Mitte September war, ein empfindlich frischer Wind entgegenblies. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal ein Fahrrad bestiegen hatte. Hauptsache, die Bremsen waren in Ordnung, dachte er und radelte los. Auf dem Weg in die Altstadt passierte William eine Bäckerei, die den drolligen Namen Bio-Bäcker Mahlzahn trug. Ein heißer Kaffee wäre jetzt das Richtige. Er schwang sich vom Sattel und betrat den Laden, in dem ihn der Duft der frischen Backwaren und deren Vielfalt schier überwältigte. Er bestellte auf Deutsch einen doppelten Espresso, wobei ihn die Bedienung musterte.
„Sie sin net von do?“
William konnte nur ahnen, was die Frage zu bedeuten hatte, und nickte.
„Mir hen do d’ Gruschlbeer-Kuche im Ogebot …“ Die Frau deutete auf ein Blech mit Stachelbeerkuchen.
„Danke. Ich nehme lieber ein Sandwich.“
William schaute unschlüssig auf das Angebot belegter Vollwertbrötchen.
„Alla hopp! Bei uns heese die Sändwitsch efoch Weck. Wolle Se een Keesweck? Mir hen aach Griweworscht …“
William ließ sich ein Käsebrötchen einpacken, nahm den letzten Schluck Espresso und setzte seine Entdeckungstour fort. Er rollte durch die noch weitgehend verwaiste Fußgängerzone der Heiliggeist-Kirche entgegen. Zögerlich riss die graue Wolkendecke über dem Neckartal auf und ein paar schüchterne Sonnenstrahlen wagten sich hervor. Der Wind pfiff William allerdings unverändert um die Ohren und trieb den Regen wie feine Nadeln auf sein Gesicht. Vor Kurzem hatte er sich noch in tropischer Hitze am Stand von Koh Samui geräkelt. Jetzt zog er den Kragen seines Blousons heran und bereute, dass er keine Mütze mitgenommen hatte. Er fand einen Unterstand und entfaltete den Stadtplan. Der Portier hatte nicht gelogen, alle im Plan markierten touristischen Hotspots befanden sich im Umkreis von höchstens zwei Kilometern zum Hotel. William versuchte die Pfaffengasse zu finden. Endlich entdeckte er das schmale Sträßlein auf der Karte. Dort also wohnte die Tochter seines Auftraggebers. Die Entfernung dorthin schätzte er auf wenige Hundert Meter.
William trat in die Pedale, aber der stramme Westwind bremste ihn, sodass er es gemächlicher angehen ließ. Wie mochte sich die verwöhnte thailändische Milliardärstochter bei diesen, im Vergleich zu ihrer Heimat, ungemütlichen klimatischen Bedingungen fühlen? Schätzte sie den gemächlichen Rhythmus dieser übersichtlichen Provinzstadt oder plagte sie die Sehnsucht nach der rastlosen Geschäftigkeit der Shopping- und Nightlife-Metropole Bangkok? Hatte sie womöglich einen Verehrer gefunden, den sie vor ihrem strengen Vater geheim halten wollte? William kannte die standesbewusste Denkweise asiatischer Eliten, wenn es um die Beziehungen ihres heiratsfähigen Nachwuchses ging. Suwannee war hübsch. Wäre sie an Kontakten interessiert, würde sie in Heidelberg zweifellos nicht lange alleine bleiben.
Pfaffengasse siebzehn. Es war mittlerweile kurz vor sieben. Suwannees Apartment befand sich in einem modernen sechsstöckigen Gebäude, dessen Glasfassade sich durchaus mit den benachbarten Barockgebäuden längst vergangener Epochen vertrug. William parkte das Fahrrad neben dem Hauseingang und sah, wie ein älterer Mann in einem Arbeitskittel aus dem Zugang zum Hinterhof heraustrat. William hob die Hand zum Gruß. „Guten Morgen! Mein Name ist LaRouche. Wohnt hier eine Suwannee Pisuphan?“
„Was geht Sie das an?“
Der Mann warf William einen abweisenden Blick zu, sprach dafür aber ein akzentfreies Deutsch.
„Ich bin ein Freund der Familie Pisuphan“, behauptete William. „Ich bin gestern aus Bangkok angekommen. Sind Sie der Hausverwalter? Miss Pisuphan wohnt doch hier oder habe ich mich in der Adresse geirrt?“
„Hab sie seit Tagen nicht gesehen.“
„Ich habe eine Nachricht für Miss Pisuphan. Können Sie sich erinnern, wann Ihnen das Mädchen das letzte Mal begegnet ist?“
„Sie kommen aus Bangkok?“
„Ja. Der Vater macht sich ein wenig Sorgen, wie es seiner Tochter so weit weg von zu Hause geht.“
„Er macht sich Sorgen? Das glaube ich gerne! Grund genug hätte er!“
„Wie meinen Sie das?“
„Wie ich das meine?“ Der Mann im grauen Kittel zögerte. „Ich meine das so, wie ich es gesagt habe. Wenn das meine Tochter wäre …“
William schenkte dem Hausmeister einen interessierten Blick. Der Mann wollte offenbar etwas loswerden.
„Also, ich weiß ja nicht, wie die Jugend da drüben in Asien so ist. Aber wenn Sie mich fragen, das junge Ding treibt es zu toll! Das hier ist ein ordentliches Haus!“
„Hm.“ William nickte verständnisvoll. „Ich verstehe. Sie können mir gerne sagen, was Sie stört. Ich kenne Suwannee Pisuphan und könnte mit ihr reden.“
„Sie verstehen gar nichts!“
„Versuchen könnte man es doch“, widersprach William.
„Zwecklos! Die grüßt nicht einmal!“, beschwerte sich der Mann beleidigt und schob einen Altpapier-Container vor den Hauseingang.
„Seien Sie doch bitte so nett und versuchen Sie sich zu erinnern, wann Sie Suwannee zum letzten Mal gesehen haben. Es wäre sehr wichtig für mich.“
„Ha! Wer sind Sie überhaupt? Woher soll ich wissen, ob es stimmt, dass Sie aus Bangkok kommen? Ist mir auch egal. Ich muss jetzt meine Arbeit machen … Und eins will ich Ihnen noch sagen: Ich mach’ drei Kreuze, wenn die endlich auszieht. Dann kehrt hier wieder Ruhe und Ordnung ein.“
Der Hausmeister wandte sich von William ab, griff nach einem Besen und widmete sich dem Kampf mit dem durcheinanderwirbelnden Laub.
„Vielen Dank für die Auskünfte!“, rief William ihm zu, als er wieder sein Fahrrad bestieg. Im Fahren schob er eine Hand in die Hosentasche und tastete nach dem Schlüssel zu Suwannees Penthouse, den Arusa Pisuphan ihm anvertraut hatte.