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Vorwort des Autors – Die Legion einst und heute

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Von ihrer Geburtsstunde unmittelbar vor Beginn des Zweiten Kaiserreichs, dem Seconde Empire, hin zur Eroberung Algeriens, bis zum Tode des Sergent-chef Vormezeele, „Killed in action“, in einem mit hochmodernen Mitteln und großartig angewandter Taktik in Mali geführten Guerillakrieg, hat die Legion nie aufgehört, Männer aller Rassen, aller Religionen und aller Nationalitäten aufzunehmen. Dazwischen liegen nahezu zwei Jahrhunderte. Zu jeder Zeit befanden sich Künstler, Ärzte, Architekten unter den Freiwilligen, aber auch Prinzen, Proletarier, Schriftsteller und Bettler. Oder Intellektuelle. So zum Beispiel riefen ausländische Gelehrte am 29. Juli 1914, einen Tag nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien und kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, zu einer Mobilisierung auf. Sie forderten alle schaffenden Künstler – woanders geboren, aber in Frankreich beheimatet – auf, die Waffen zu ergreifen. Zahlreiche Studenten, Arbeiter und Intellektuelle fühlten sich angesprochen. Eine Woche darauf meldeten sich an den Rekrutierungsstellen der Légion étrangère knapp 8000 Männer. Sie waren entschlossen, für ihre Wahlheimat Frankreich zu kämpfen. Der französischsprachige Schweizer Schriftsteller und Abenteurer Blaise Cendrars (Die fabelhafte Geschichte des Generals Johann August Suter) war einer von ihnen. Auch der US-amerikanische Poet und Dichter Alan Seeger (Poems – I Have a Rendezvous with Death) folgte dem Aufruf. Seeger fand den Heldentod, Cendrars ließ seinen Arm, schaffte es mit Mühe und Not, dem Stahlgewitter zu entkommen. Noch heute spricht die Legion faszinierende und interessante Männer an. Auch solche, die nicht wissen, dass sie es sind. Die Tatsache, sich freiwillig in der Legion zu melden, drängt einen Mann gegen seinen Willen in diese Gattung. Drängt ihn in die Ecke derer, die das Außergewöhnliche suchen und das Herkömmliche schlichtweg ablehnen. Über die letzten 185 Jahre hinweg, zurückblickend auf zwei Weltkriege, den Indochinakrieg und über alle dazwischenliegenden kolonialen Kriege (wollen wir Afghanistan nicht vergessen), war die Légion étrangère eine Referenz für die zweite und oftmals letzte Chance im Leben eines Mannes. Dieser Logik der zweiten Chance konnte und wollte auch ich mich nicht entziehen.




Scharfer Einsatz! Legionäre der ersten Kompanie des 2. REP während der Operation Licorne, Dezember 2002 in der Elfenbeinküste. Im Bild der leichte Mörser LLR.

Was ich erlebte, war erstaunlich. Seit meinem Austritt aus der Legion beobachte ich hautnah die Entwicklung dieses Eliteverbandes, und was ich sehe, erfüllt mich mit Zuversicht. Europa durchlebt besondere „geschichtliche Momente“, und wie ein Pierre Mille bin ich bereit, zu glauben, dass bald die Zeit kommen wird, in der Europas Soldaten europäische Werte innerhalb Europas und an unseren Außengrenzen verteidigen müssen, denn: Obwohl sich noch kein Lüftchen regt, stehen die Zeiten auf Sturm! Besäße jede Nation ihre Légion étrangère, so wäre das, wenn schon kein Garant für immerwährenden Frieden, so aber eine immense, sprich unüberwindbare Herausforderung für alle fremden Regierungen, die einen Frieden nicht wollen. Es ist Fakt, dass die 7800 Mann starke Fremdenlegion zum heutigen Standpunkt (anno 2016) den besten Kampfverband auf die Beine stellt, den es weltweit gibt. In der Tat ist die Legion eine lebende Legende mit Drang nicht nur zur Front, sondern auch hin zur Moderne, zur Innovation und zu originellen Kampftechniken. Wenn man Papier Glauben schenken darf, dürfte sich die Legion in nichts vom Régime général des französischen Heeres unterscheiden. Doch schaut man auf ihre Erfolge, wird im Handumdrehen klar: Die Légion étrangère ist kein gewöhnliches Korps! Der Status der Legion ist unantastbar, ihre Existenz drückt mehr denn je den französischen Willen aus, über eine Truppe zu verfügen, die Vertrauen einflößt und die für Frankreich (wie auch für Europa) sogar die glühendsten Kohlen aus dem Feuer holt, ohne dass eine französische Mutter um ihren Sohn weinen müsste. Jährlich melden sich etwa 8000 Kandidaten, nur jeder Achte wird genommen. Die Legion wählt illustre, für den Einsatz hochbegabte Soldaten aus. Was diese Rekruten und späteren Legionäre, unter Vertrag und unter fremder Flagge kämpfend, auszeichnet? Es ist an erster Stelle die körperliche Robustheit. Des Weiteren sind sie über die Maßen hinaus mental belastbar, weil sie den Schritt in die Legion von sich aus gewählt haben. Freiwillig sein, diese zwei Wörter sind von Relevanz: Vom Willen beseelt! In der Tat schöpfen die Legionäre aus dieser mentalen Stärke ihre Motivation. Korpsgeist und Disziplin werden ihnen im Alltag und im Einsatz eingehaucht, dafür sorgt der Rahmen schon, dafür sorgt die Legion. Dieser Prozess, die Disziplin vorneweg, kommt niemals schleichend. Er ist brutal, weil oft im Feuer der Realität erworben. Und die Légionnaires sind gerüstet mit grenzenloser Dankbarkeit. Dankgefühl ist eine Waffe, die man nicht unterschätzen darf, denn in ihrem Schatten lauert die schrankenlose Loyalität. Im Rahmen der Recherchen für mein Buch „Die Legion 2. B.E.P: Die Fallschirmjäger im Indochina-Krieg“ unternahm ich im November 2010 eine Gewalttour. Ich verbrachte zahlreiche Stunden damit, mich durch Militärarchive zu wühlen. Ich verabredete mich mit Veteranen, mit Zeitzeugen der Indochina-Epoche. Ihre Geschichten glichen einer atemlosen Berg-und-Tal-Fahrt. Heute, mit etwas Abstand, mich an meine eigene Zeit in der Legion (1985 – 2002) erinnernd, fällt es mir leichter, Vergleiche zwischen einst und jetzt zu ziehen. Ich verstand mit einem Mal, was in den Köpfen der Anciens (Ehemaligen) heute vorgeht. Und mir gelang es, nachzuvollziehen, was sie angetrieben hatte, weitab der Heimat einen menschenverachtenden, blutigen und an Dramatik nicht zu überbietenden Krieg zu führen. Der Legionär 2016 ist dem Krieger der Reisfelder Indochinas von 1954 ähnlich. Mehr noch: Beide sind vom Ansatz her identisch. Identisch, weil dieselben Werte, Traditionen, Abläufe und der Esprit Légion von einer Generation an die nächste übermittelt wurden. Ein Unterschied besteht. Einmal die Erfahrungen der Anciens analysiert, erfolgt eine Auswahl à la „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“. Für „nicht gut“ Befundenes wird herausgefiltert und fällt durch das Raster. Das Positive wird übernommen und weitergegeben. Nicht zuletzt führt dieser stetige Prozess dazu, dass der Legionär von heute nicht nur von der Erfahrung einer ganzen Kriegergeneration profitieren kann, sondern die in der Vergangenheit begangenen Fehler vermeidet. Auch zieht er kritischer in seine Einsätze, würde, wenn überhaupt, dann nur im absoluten Ausnahmefall Befehle ausführen, die Straftaten beinhalten, gegen Menschenrechte verstoßen oder in der Tat abscheulich sind. Von ihrer Anzahl her fallen die heutigen Einsätze nicht knapper aus, nur hat sich ihr Charakter verändert. Sie gleichen Nadelstichen reaktionsschneller Einheiten, werden mobil, kompakt, blitzschnell geführt. Des Weiteren geht man in diesen Einsätzen ans absolute Limit, überschreitet es, wann immer es von Vorteil ist, wann immer es der Sache dient. Als Beispiel nenne ich gerne den Einsatzsprung über Timbuktu im Jahr 2013. Die am Sprung beteiligten Fallschirmjäger der Legion führten Lastensäcke mit sich, die, den Vorschriften nach, viel zu schwer waren. Sich aber über die Vorschriften hinwegzusetzen, hieß: mehr Munition, mehr Effizienz, mehr Aussicht auf Erfolg! Kaum zur Sprungtür hinaus, zogen die Legionäre nebst Haupt- auch sofort den Reserveschirm. Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme, weil eben das Gepäck zu schwer wog. Diese Prozedur war nicht nur verboten, sondern auch im höchsten Maße riskant. Die Risiken? Das Duo Mann/Schirm gerät ins Trudeln und der Reserveschirm wickelt sich, Pech hinzukommend, um den Hauptschirm. Der Krieger schmiert ab und findet seinen Platz in Walhalla. Aber mit Blick auf das Resultat war es das einzig richtige Verhalten. Das situationsgerechte Anwenden solcher Feinheiten, wenn auch unkonventionell, setzte sich über den gesamten Einsatz bis zum Endkampf gegen al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM), im Adrargebirge hin fort. Beispiele, in denen Kompaniechefs (oder Zugführer) der Legion ihren Blick ausschließlich auf den Erfolg richteten und aus jahrelanger Erfahrung heraus „nicht regelkonforme“ Befehle erteilten, gab es immer. Auch zu meiner Zeit. Insofern heiligte der Zweck hie und da die Mittel, wobei Recht und Moral nie wirklich infrage gestellt wurden. Im Gegensatz zu anderen Armeen vergisst die Legion vor, während und nach den Einsätzen nie, dass der Mann im Soldaten, der Mensch hinter der Kampfuniform zählt. Sie stählt daher dessen Körper, schärft seinen Geist, seinen Willen und seinen Sinn für Solidarität.



Solidarität unter Waffenbrüdern. Fallschirmjäger der Legion bei der Ausbildung in Französisch Guyana / Südamerika

Die Offiziere setzen heute Akzente. Der Legionär soll gerne Soldat, muss von seinem Handeln überzeugt sein. Diese willige, moderne Legion ist dieser Tage ständig in Opérations extérieures (OPEX – Auslandseinsätze) verstrickt. Der Rhythmus der Kampfregimenter ist infernalisch. In diesem Zusammenhang ist es von hoher Bedeutung, dass etwa 85 Prozent aller Legionäre sowie auch viele Kader nicht verheiratet sind. Die Einsatzbereitschaft ist daher außergewöhnlich. Zwei, drei oder vier Mal hintereinander, und ohne eine nennenswerte Pause einzulegen, von einem Einsatz zum nächsten überzugehen, wie mir oft widerfahren, ist Normalität. So zum Beispiel verbrachte ich im Jahr 1995 neun Monate mit nur einer unwesentlichen Unterbrechung von knapp zwei Wochen in der Ausbildung und im Einsatz zunächst in der Zentralafrikanischen Republik und im Anschluss in Gabun. Das stellte keinen Einzelfall dar, sondern eher schon die Regel. Unternehmen wir einen Spaziergang durch die verschiedenen Waffengattungen der Fremdenlegion, so stellen wir fest, dass dieses Korps in jeder Hinsicht komplett ist. Die Rekruten haben die Wahl zwischen Fallschirmjäger, Panzersoldat, Sturm-, Gebirgs- und Brückenpionier oder Infanterist. Sonderausbildungen folgen in der Regel in den Stammeinheiten, in denen sich jeder Einzelne, seinen persönlichen Neigungen oder den Anforderungen des Korps nach, spezialisieren kann. Koch, Scharfschütze, Sekretär, Schreiner, Kampfschwimmer, Krankenpfleger, Saboteur, Musiker, Kommando-Soldat, Fahrer, Gebirgsjäger etc. Die Liste lässt sich unendlich fortführen. Eines sind sie alle, egal ob Pionier oder Fallschirmjäger, ob Koch oder Kampfschimmer: Hervorragende Kämpfer! Blutrünstige, hirnlose Killer? Mit absoluter Sicherheit nicht! Der positive Zukunftstrend der Legion lässt sich nicht aufhalten. Um sich ein Bild über dieses Korps zu machen und um die folgenden Erzählungen über mein Leben und meine Einsätze mit der Legion zu verstehen, sollte man, wenn auch nur in groben Zügen, die Tradition und die Vergangenheit der Légion étrangère kennen. Ein kurzer Überblick findet sich diesbezüglich im Anhang.


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