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Steinzeit-Schamanismus

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Der Schamanismus führt in die Ur-Geschichte der Menschheit, die Zeit der Jäger und Sammler, die Altsteinzeit. Das Jungpaläolithikum (40.000-10.000 v. u. Z.) gilt nicht nur als die Geburtsstunde des modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) und als Blütezeit der bildenden Kunst, sondern auch als Hochphase des Schamanismus. Aus Mammut-Elfenbein gefertigte Figuren gelten als die ältesten Kunst- und Kulturwerke der Menschheit; ihr Bezug zum Schamanismus wird nicht bestritten. Hervorzuheben ist eine knapp 30 Zentimeter große Figur aus Mammut-Elfenbein, die bei archäologischen Ausgrabungen in einer Höhle der Schwäbischen Alb (Deutschland) gefunden wurde. Sie ist rund 35.000 Jahre alt und stellt einen menschlichen Körper mit dem Kopf und den Extremitäten eines Höhlenlöwen dar. Offensichtlich handelt es sich um einen in ein Tier verwandelten Schamanen. In die Geschichte eingegangen ist die Skulptur als der „Löwenmensch vom Hohlenstein“.3

Weltberühmt sind außerdem die Höhlenmalereien in Frankreich, die zoomorphe Mischgestalten abbilden, man denke an den Mann mit Hirschgeweih und Mann mit Stierhörnern und Mundbogen in der Grotte des Trois-Frères in Montesquie-Avantès:

Im Magdalénien von Mas d‘Azil aber tritt uns ein Mann mit Bärenkopf, in der Grotte von Espélugues bei Lourdes, ebenfalls in Südfrankreich, ein solcher mit Pferdekopf entgegen. Dies waren sicher Maskentänzer, die sich mit einem entsprechenden Fell und Kopf als Bär oder Pferd verkleidet vor einem geplanten Jagdzug auf diese Tiere Zauberkraft zu deren Erbeutung zu verschaffen versuchten.4

Tierverwandelte Ekstatiker begingen hier, im Bauch der Mutter Erde, schamanische Kulte: In der Brillenhöhle bei Blaubeuren (Schwäbische Alb) fand man bei Ausgrabungen einen fast 20.000 Jahre alten Trommelschlägel aus Rengeweih, der stark an diejenigen erinnert, die von den Samí-Schamanen verwendet werden.

Der vielleicht beeindruckendste Beleg für den mitteleuropäischen Schamanismus im Mesolithikum (ca. 10.000-5.000 v. u. Z.) ist die sogenannte „Bestattung von Bad Dürrenberg“, die älteste Bestattung in Sachsen-Anhalt (Deutschland). In dem rund 8.000 Jahre alten Grab fand man das Skelett einer (aufrecht sitzenden) Frau, die zwischen ihren Schenkeln einen Säugling hielt. Das Grab war rund 30 Zentimeter (!) hoch mit rotem Ocker befüllt. Roter Ocker oder „Rötel“ ist ein Zaubermittel, das weltweit in schamanischen Kulturen verwendet wurde und wird. Außerdem fand man über 100 Skelettreste von verschiedenen Säugetieren, über 120 Muschelstücke, unzählige Feuersteinfragmente und die Panzer von mindestens drei Sumpfschildkröten, ein Beil aus Hornblendschiefer mitsamt Fassung aus Hirschgeweih sowie rund 100 Schmuckstücke aus Tierzähnen und -hauern. Kurz, das Grab war voll mit schamanischen Ritualobjekten. Man fand auch die Fragmente einer kultischen Kopfbedeckung aus Schädelknochen mit dem Geweih von Rehen, welche überdeutlich an die Tracht sibirischer Schamanen erinnern. Gewiss waren dies die heiligen Requisiten, die der Schamanin von Bad Dürrenberg dabei halfen, sich in Trance zu versetzen und in ein Tier zu verwandeln.

Den Funden von der Schwäbischen Alb und aus Sachsen-Anhalt nach zu urteilen, mussten vielleicht gar nicht erst die Samí den Germanen den Schamanismus bringen. Warum sollte sich der Steinzeit-Schamanismus nicht bis in die Germanenzeit erhalten haben? Bekanntermaßen gab es auch bei den Germanen Menschen, die zu gewissen Zeiten Fell anlegten, Tiermasken trugen und sich mit Leder, Federn und Gehörn verkleideten – und rituell zum Tier wurden. Handelt es sich bei den germanischen Berserkern, Werwölfen und Geißmännlein nicht um die Urenkel dieser steinzeitlichen Tiermenschen?

Schamanismus bei den Germanen

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