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Langstreckenradrennen? Extremradevents? 4 what? Für was, bitteschön?

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Als ich im Jahr 2015 ins Ziel des 1.400 km langen Race Across the West vom Palmenstrand Kaliforniens durch die Wüste von Arizona und Utah bis zu den Nadelbäumen Colorados radelte und den dritten Platz insgesamt belegte, war die Zielankunft wie gewohnt. Einsam. Also kein Mensch da. Fast keiner. Aufgrund der langen Wettkampfdauer und der oft langen Zeitspannen zwischen den Zielankünften ist das Warten im Ziel für das Publikum vor Ort oft weniger interessant als für die Fans, die mittels GPS exakt über die Positionen Bescheid wissen. Bei der Zielankunft in der ehe­maligen Goldgräberstadt Durango stimmte oben Geschriebenes zwar nicht ganz, aber fast. Immerhin wurde meine Zielankunft von der regionalen Presse bemerkt und ich lächelte in prominenter Position in Farbe am nächsten Tag in einem Riesenartikel aus dem Durango Herold. Dort wurde mir auch die übliche Frage gestellt: Wieso man so etwas macht? Wieso setzt sich jemand freiwillig diesen Strapazen und Gefahren aus? Meine mittlerweile schon seit Jahren gleiche Antwort: Weil es möglich ist und weil es eine wunderbare Metapher für das Leben ist! So frei nach dem Motto und angelehnt an Reinhold Messners Aussage: Es ist nicht die Strecke, der Berg, der Event, die bzw. den es zu erforschen gilt, es ist der Mensch, den es zu erforschen gilt.


T. Jaklitsch RAW 2015: Finish? Finish going strong? Foto: www.lucaspflanzl.at

„Ultra-Radsport ist nicht mehr und nicht weniger als eine brillante Analogie des Lebens. Er ist lang und herausfordernd und beinhaltet sowohl Glück als auch Niederlage. Es geht um unser Verhalten im Moment des Triumphs und darum, wer wir sind, wenn nichts übrig scheint, das uns definieren könnte.“ (Präsident der Ultra Marathon Cycling Association, it’s all about, 2013, S. 9)


RAW 2015, T. Jaklitsch und A. Striccher als menschliche Klimaanlage Foto: www.lucaspflanzl.at

Langstreckenradrennen sind für mich persönlich seit meinem ersten Antreten bei solch einem Event im Jahr 2001 eine wunderbare metaphorische Beschreibung für das Leben. Sie dauern lange, teilweise fast unvorstellbar lange, ein oder mehrere Tausend Kilometer lang. Wie das Leben, das zu Beginn noch unendlich, unüberschaubar lange dauert, ist es fast unmöglich, vom Start weg einen Blick auf das Ziel, auf das Finale zu erhaschen. Durch Lebensereignisse wie möglicherweise Schulbeginn und Schul­ende, wer religiös ist durch jeweilige Initiationsriten wie Firmung, Konfirmation etc., Wehr- oder Wehrersatzdienst, Geburtstage, Jahreswechsel etc. lernen wir bereits in jungen Jahren diese Lebenszeit zu strukturieren. Letztlich, um bei diesen besonderen Momenten – wenn auch nur kurz – innezuhalten und uns wieder neu ins Leben auszurichten und zu planen. Bei Langstrecken­events sind dies die sogenannten Timestations (Zeitstationen), die je nach Event zwischen 60 und 100 km auseinanderliegen. Jedes erreichte Zwischenziel, die Zeitstation, hilft, den Fokus aufgrund der Länge der gesamten Strecke nicht zu verlieren, sondern von Timestation zu Timestation (kurz- bis mittelfristige Zielplanung) zu denken, um die Zuversicht der Zielerreichung zu bewahren. Kein Stillstand der Stoppuhr vom Start bis zum erhofften Ziel. Nonstop, komme, was wolle, Tag und Nacht, Sturm und Sonnenschein, Freude und Pein.

Bei Langstreckenradrennen quer durch einen Staat (z. B. Race Across America 5.000 km, Race Across The West 1.400 km, Race Across Germany 1.150 km) oder rund um ein Land (z. B. Race Around Austria 2.350 km, Race Around Ireland 2.150 km, Race Around Slovenia 1.100 km) gilt es ja, der natürlichen Topografie der Strecke zu folgen. Manchmal führt die Strecke schnurgerade, doch manchmal sind die Straßen kurvig, schmal oder breit und manchmal ist der Straßenbelag sehr grob oder genau das Gegenteil. Es geht bergauf und dann wieder bergab. Der ewige Wechsel. Up and downs. Wie im Leben, wo wir dem Verlauf unseres Weges folgen, den Weg so annehmen, wie er kommt, und immer wieder entscheiden müssen, ob wir gewillt sind, die Strapazen auf uns zu nehmen, um unser Ziel zu erreichen, und dann auch wieder den Schwung, die gespeicherte Energie der vorhergehenden Anstrengung zu nutzen. Aktion und Reaktion. Energie geht nicht verloren, sie wird nur transformiert. 23.000 Höhenmeter gilt es allein beim Race Around Austria zu erklimmen, rasante Abfahrten, die Spaß machen können, sind garantiert! Außer man schläft bergab aufgrund der Übermüdung und des Schlafentzuges ein, kommt von der Strecke ab und landet hoffentlich sanft im Gras. Der Vorteil: die Müdigkeit ist dann verflogen; ist mir 2013 ebenda passiert. Die Momente des Glücks, der Mühelosigkeit genießen und feiern zu können, ungeachtet dessen, dass auch wieder die Sekunden, Minuten, Stunden der Herausforderungen, des Selbstzweifels und der Mühe kommen werden. Dieses ständige Wechselbad der Gefühle, bergauf – bergab, werde ich bewältigen können, wenn ich ausreichend Ausdauer und Motivation mein Eigen nennen kann. Nichts anderes also als mein Ziel, mit jeder Faser und Zelle meines Körpers erreichen zu wollen – letztlich das Resultat strukturierter und lohnender Zielarbeit.

Davon abgesehen werden wir im Leben wie auch bei Extremrad­events alleine unser Ziel nicht erreichen. Ich kann mich möglicherweise alleine auf so einen Event vorbereiten, und ja, ich muss dafür trainieren, also die körperlichen und mentalen Voraussetzungen schaffen, werde aber kläglich scheitern ohne ein Betreuerteam. Du benötigst Menschen, die spätestens mit dem Startschuss des Rennens Verantwortung für dich übernehmen, dich versorgen: Nahrungsmittel, Getränke, Bekleidung, aber auch mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit dein mentales Wohlbefinden stärken und dich durch den Dschungel der Straßen den vorgezeichneten Weg entlangnavigieren. Wie im Leben, wo es die einen oder anderen Menschen gibt. Welche Menschen stärken dich, welche schwächen?

Trotz aller Begeisterung und der notwendigen klassischen Erfolgskriterien, um zu finishen, nämlich physisch wie psychisch seine „Hausaufgaben“ gemacht zu haben, sich also so gut wie möglich auf die Tage X des Extremradevents vorbereitet zu haben, ist es, was es ist: ein Abenteuer! Nicht mehr und nicht weniger! Ein Abenteuer, welches allen Beteiligten hohe Erlebnisqualität verspricht und sie an Grenzen bringt, weil aufgrund der Rahmenbedingungen, egal ob es regnet oder die Sonne scheint, geradelt wird – der Spielplatz ist die Welt. Eine Uhr, die Tag und Nacht bis zum erhofften Ziel nie abgeschaltet wird – wie die Lebensuhr, die einmal gestartet wird und irgendwann wird sie am Ende unserer Reise gestoppt. Es ist zu hoffen, dass es uns vergönnt sei, zurückzublicken, um uns an die Highlights zu erinnern und nachzudenken, was von uns bleiben darf. Schlafentzug und klarerweise körperliche und geistige Höhen und Tiefen müssen für ein erfolgreiches Finish durchstanden werden, um im Ziel zurückblicken zu können, voller Dankbarkeit und emotionaler Irritationen, und zu wissen: Es ist, es war ein wunderbares Abenteuer, welches man nicht kaufen, nicht besitzen, sondern nur erleben kann! Wie das LEBEN.


T. Jaklitsch beim Race Around Austria 2013 www.sportcoaching.net

Schlussfolgerung

In diesem Buch geht es nicht um Langstreckenradsport, sondern um Menschen. Menschen, die sich nicht um die Basis ihres Status quo kümmern, sondern sich lieber mit der Frage beschäftigen: Was kann ich und was möchte ich gerne in meinem Leben erreichen? Das Beispiel Langstreckenradsport dient als Analogie für das Leben, als Metapher, um selbst gesteckte Grenzen zu überwinden und die Momente des Glücks und der Verbundenheit mit einem höheren Selbst sowie auch die Situationen von Zweifel und Schmerz zu bestehen. Langstreckenradrennen dauern lang, gefühlt ewig. Um zu bestehen, braucht man Ausdauer, Disziplin, Motivation bis in die kleinste Zelle, liebevollen Umgang mit sich selbst und vieles mehr, aber sicherlich Menschen, die einen positiv fördern und fordern. Der Umgang mit dem Scheitern, mit Niederlagen, gehört genauso zum Portfolio wie das Feiern des glücklichen Augenblicks – so kurz, so lang es vergönnt und möglich ist.

Hast du deine eigene Metapher für dein Leben? Ja? Welche Aktivität ist für dich sinnbildlich, wie z. B. ein Ausschnitt aus deinem Leben? Ist es eher wie im von Udo Jürgens intonierten „Tom and Jerry-Titelsong „Vielen Dank für die Blumen: Manchmal spielt das Leben mit dir Katz und Maus … Oder ist es eher nach dem Motto: Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. Welche metaphorische Beschreibung passt am besten in deine Welt, um das Leben, wie du es lebst, zu beschreiben? Wie ist es? Wie könntest du es beschreiben?! Und wie hättest du es gerne? Was kannst du hier aufschreiben?

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Thomas Jaklitsch, RAW 2015: Innehalten, während die Welt sich dreht. Foto: www.lucaspflanzl.at

Coach dich selbst zu deinem besseren Ich!

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