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Feuer und Asche

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Coach dich selbst zu deinem besseren Ich. Doch – wer bin ICH? Spätestens seit Gregory Bateson gilt der Begriff „Ich“ als die ultimative Nominalisation, die Abstraktion per excellence. Und was heißt besser? Und überhaupt, wenn ja, wie viele? Diese Frage ist nicht neu und auch nicht von mir. Fans des Philosophie-Dandys der Jetztzeit – Richard David Precht – ist diese Frage möglicherweise von seinem Buchtitel aus dem Jahr 2007 geläufig. Und verzeih mir, wenn ich anmerken darf: Diese Frage stellte bereits der deutsche Psychotherapeut Gunther Schmidt im Jahr 2003 mit seinem gleichnamigen Buchtitel. Alles nur geklaut, sang die deutsche Popband „Die Prinzen“ – oder ein menschlicher Dauerbrenner. Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Was war, was ist die Antwort nur? Als Vater dreier Kinder begegnet mir dieses Thema im Alltag immer wieder. Sind Kinder doch grundsätzlich gut und engelsgleich, brechen doch auch in Sekundenschnelle imaginäre kleine Teufelshörner auf der Stirn hervor. Gut und böse zugleich? Können Kinder überhaupt böse sein? Fast wie im legendären Italo-Western der Siebzigerjahre „The Good, the Bad and the Ugly“. Also gleich drei Identitäten: Clint, die Schießwut, alias Eastwood, Eli Wallach und Lee Van Cleef im dritten Teil der berühmten Dollar-Trilogie von Sergio Leone. Drei Identitäten: der Gute, der Böse und der Brutale – zufälligerweise ging dann in

der deutschen Übersetzung eine Identität verloren, denn der deutsche Filmtitel wurde zu: „Zwei glorreiche Halunken“. Anscheinend blieben nur zwei Identitäten übrig, so schnell kann also nur mit einer Übersetzung eine Identität verloren gehen – dafür die bestehenden glorreich werden. In meiner Welt treffe ich oft auf Menschen, die diesbezüglich in der klassischen Dilemmasituation sind: Entweder sie haben etwas, was sie nicht mehr haben wollen, oder sie wollen etwas, was sie eben noch nicht haben. Viele meiner Kunden, und viele mir bekannte Menschen, halten im Alltag oft an Identitäten fest, deren Zeit längst abgelaufen ist. Wie oft ertappe auch ich mich dabei, wie ein trotziges Kind zu reagieren, anstatt als selbstbestimmter Erwachsener. Anführen möchte ich eine traditionelle Indianergeschichte, die sich in diversen sozialen Netzwerken verbreitete und dies wunderbar ergänzt:

Am Abend erzählt ein Indianerhäuptling seinem Sohn im Lichte des Lagerfeuers folgende Geschichte: „In jedem von uns tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist böse, der andere ist gut. Der böse Wolf kämpft mit Ärger, Neid, Eifersucht, Sorgen, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Lügen, Überheblichkeit, Egoismus und Missgunst. Der gute Wolf kämpft mit Liebe, Freude, Frieden, Hoffnung, Gelassenheit, Güte, Mitgefühl, Großzügigkeit, Dankbarkeit, Vertrauen und Wahrheit.“ „Welcher der beiden Wölfe wird gewinnen?“, fragt der Sohn. „Der, den du fütterst, den du nährst, wird siegen“, antwortet der Häuptling.


RAAM 2013: C. Strasser im Dauerregen Foto: www.lupispuma.com

Jeder von uns hat manchmal gute und manchmal schlechte Tage, verspürt negative und positive Emotionen. Und manches Mal scheinen diese unberechenbar und zufällig wie das Wetter zu sein. Spitzensportler, Manager oder Menschen wie dir und mir ergeht es dabei völlig gleich. Doch in den vielen Jahren der Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen zu verschiedensten Themen und Problemlagen durfte ich lernen, dass wir Einfluss nehmen können. Wir können uns für die Fülle oder für die Leere verantwortlich zeigen. So titelte das führende Radsportmagazin „Tour“ nach Christoph Strassers RAAM-Rekord 2013: „Der Kopf ist total leer!“ (C. Strasser, Tour, 2013/8, S. 9)Wir füttern und nähren unsere Emotionen und unseren Gefühlszustand durch uns selbst, durch unser Denken, durch unsere Selbstgespräche, durch unsere Umgebung, durch unsere Aktivitäten. Worauf wir uns konzentrieren, das kann wachsen, im negativen wie im positiven Sinne. Was wir nicht mit Aufmerksamkeit versehen, wird verkümmern. Dachte Christoph Strasser 2013 noch „mehr als ein Rennen wie das RAAM wäre also im Jahr gar nicht möglich“ (ebd.), konnte er 2014 das RAAM erneut gewinnen und zwei Monate später ebenfalls das Race Around Austria mit neuem Streckenrekord absolvieren. Denke an eine Wiese mit hohem Gras – kein Weg durchs Gras ist noch erkennbar. Wenn du – in Gedanken – durch diese Wiese schreitest, hinterlässt du Fußabdrücke, manche Grashalme werden sich recht bald wieder aufrichten, als ob du nie hier gewesen wärst. Manche Fußabdrücke werden für eine bestimmte Zeit, aufgrund deines Gewichtes, aufgrund deiner Präsenz, deine Spur nachzeichnen. Gehst du nur einmal, verblasst deine Spur recht bald und es ist, als wärst du nie hier gegangen. Welches andere Ergebnis könntest du erreichen, wenn du diesen Weg – immer in dieselben Fußstapfen steigend – mehrfach gehst? Ein Weg wird erkennbar werden: dein Weg! Ob er positiv wird oder eben nicht, kann dein Fokus, deine mentale Ausrichtung mitentscheiden. Dein gedankliches Ziel, dein mentaler Wunsch hinterlässt deine individuellen neuronalen Spuren!

Möglicherweise kannst du beginnen zu genießen, was an angenehmen und positiven Dingen Tag für Tag zu erleben ist. Füttere deinen Wolf und werde du selbst dein bester Coach!

Im Wald zwei Wege boten sich mir dar,

und ich ging den,

der weniger betreten war;

und das veränderte mein Leben.

(Robert Frost)


Geht der Tag oder kommt die Nacht? Foto: lucaspflanzl.at

Vielleicht hast du „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ gelesen – oder auch nicht. Um entweder Erinnerungen wieder wachzurütteln oder einfach in wenigen Worten Erkenntnisse aus dem Leistungssport zutage zu fördern, dürfen sechs Lektionen – um das Leben wieder zu lieben – folgen. Das Hauptaugenmerk gilt dabei nicht dem prolongierten Drang zu einer ständigen Selbstoptimierung, sondern mehr der inneren Balance und dem Erlernen einer Fehlerkultur, die in unseren Breiten leider nicht sehr ausgeprägt ist. Viele Menschen tun lieber gar nichts, bevor sie Fehler machen. Doch was letztendlich ein Fehler ist, wird für viele oft von außen definiert. Diejenigen, die gelernt haben, selbst zu entscheiden, wie sie mit Fehlern umgehen, fanden für sich häufig eine andere Begrifflichkeit: keine Fehler mehr, sondern Ergebnisse. Ergebnisse, die zufriedenstellend sind, oder eben nicht – und damit die Basis für die Weiterentwicklung, um aus Ergebnissen lernen zu können, zu schaffen. Oder im Sinne einer pragmatischen Fehlerkultur, um den filmischen Albert-Einstein-Verschnitt aus „Zurück in die Zukunft“, Doc Brown, zu zitieren:

„Deine Zukunft ist immer das,

was du draus machst!”

(Doc Brown, „Zurück in die Zukunft”, Teil 3)


Schlussfolgerung

Mach es wie RAAM-Rekordmann Christoph Strasser!

So nach dem Motto „die wahren Abenteuer sind im Kopf”: passend einerseits zu sportlichen Trainings- und Wettkampfvorbereitungen, den Herausforderungen des Lebens selbst und dem Beginn, sich selbst zu coachen: sechs Quickies zum mentalen Herantasten an die persönlichen Möglichkeiten:


1 Konzentrationsfähigkeit/Fokussierung:

Wenn du trainierst, im Wettkampf oder – noch wichtiger – in he­rausfordernden Situationen: Sei im Hier und Jetzt! Der Pedaltritt jetzt, der Atemzug jetzt, einfach das Erleben hier und jetzt darf wichtig und im Vordergrund sein. Christoph kann so seine zeitlich sehr langen Vorhaben in kleine Mini-Arbeitseinheiten aufteilen. Um so Minute für Minute, Stunde für Stunde immer das Beste geben zu können und nicht aufgrund der noch kommenden etwaigen Strapazen schon klein beizugeben. Sei fokussiert auf den gerade stattfindenden Bewegungsablauf, dein jetziges Tun, und: Lass es fließen!


2 Stressresistenz/Psychisches Durchsetzungsvermögen

Wenn du es schaffen kannst, im Hier und Jetzt zu sein und zu bleiben, sind dir deine Konkurrenten egal. Auch die nörgelnden Zurufe von außen – zwar im Sport nicht so häufig wie in der Arbeitswelt – können im Wettkampf und vor allem zuvor zusätzlich Stressoren erzeugen. Einerseits hilft Christoph die Vorfreude auf seine Zielerreichung und andererseits seine Fähigkeit, Stress in Motivation zu verwandeln. Er lernte lieber, ein paar tiefe und ruhige Atemzüge zu nehmen und eine Körperposition einzunehmen, die für ihn Stärke und Ruhe zugleich bedeuten kann. Wie? Vielleicht kannst du dir vorstellen, du selbst wärst Christoph Strasser oder ein anderes deiner Idole. Was denkst du, welche Körperposition nimmt er/sie vor einem Wettkampf ein? Möglicherweise aufrecht, Brustbein aufgerichtet. Wie tief und ruhig kann sein Atem sein? Welche Gedanken kann er sich dann erlauben? Möglicherweise heute bzw. jetzt sich selbst überraschen und einfach das Beste an Möglichkeiten umsetzen! Wie leicht kannst du dir das auch erlauben?


3 Realistisches Selbstvertrauen

Ein Gedankenexperiment hat Christoph mittlerweile schon automatisiert: Sich immer wieder das Wissen zu bestätigen, dass Menschen alle Ressourcen in sich tragen, die sie brauchen, um die von ihnen gewünschte Veränderung herbeizuführen. Das heißt, wenn ein Mensch etwas tun kann, kann es irgendwann ein jeder/eine jede lernen. Die meisten von uns sind von Geburt an perfekt und in jeder Hinsicht bestens ausgestattet. Doch bei vielen Menschen wird bewusst oder unbewusst irgendwann scheinbar ein Riegel vorgeschoben – die Frage, die ich dabei gerne stelle, ist: Wie können diese Ressourcen/Fähigkeiten wieder aktiviert werden? Welche inneren Glaubenssätze passen oder passen nicht zum gelebten Leben einer Identität? Welche Glaubenssätze könnten die richtigen sein, um das Durchhaltevermögen und die Ausdauer von Christoph Strasser zu unterstützen? Welche könnten vielleicht dich unterstützen?

Ein Schlüssel dazu darf der nächste Hinweis sein:


4 Fähigkeit zur Selbstmotivierung – innerer Monolog

Wie spreche ich mit mir? Immer wieder stelle ich fest, dass sich Menschen anderen gegenüber meist freundlicher verhalten als sich selbst gegenüber. Lerne gut und mit angenehmer Stimme mit dir selbst zu sprechen – vielleicht auch mit der gedanklichen Stimme eines Sportreporters oder deines besten Freundes oder der besten Freundin – schlichtweg eines Menschen, den du respektierst und dem du vertraust. Auch Christoph hat dies bei einigen DNF (Did Not Finish) schmerzvoll lernen müssen, er konnte nicht mehr ausreichend gut mit sich selbst umgehen. Du kannst lernen, gut mit dir selbst umzugehen! Dadurch wird dein Körper beginnen können, mit deinem Geist in Balance zu gehen. Sei selbst dein bester Freund! Halte jeden Morgen kurz inne, betrachte dich selbst im Spiegel. Lächle dich an und frage dich: „He, was wollen wir zwei Hübschen heute alles so entdecken? Was wird dieser Tag Gutes bringen können?“


5 Willensstärke/Motivation

Willensstärke und Motivation sind das Ergebnis einer konsequenten und mit allen Sinnen durchgeführten Zielarbeit. Oder wie Christoph es gerne sagt: „Meine Motivation? Das Gefühl (Anm. Die Vorstellung meiner Wahrnehmungen) beim Überfahren der Ziellinie.“ (C. Strasser, Revue, 2009, S. 16)


6 Ziel und Feuer

In den letzten Jahren habe ich in unterschiedlichen Kontexten und an unterschiedlichen Orten eine Frage immer wieder gehört: Was sind die mentalen Geheimnisse, die zu dem Erfolg von Christoph Strasser beigetragen haben? Meine Antwort ist seit Jahren die gleiche:

Entdecke dein Ziel und lebe danach.

Erhöhe deine Wahrnehmungsfähigkeit und Sinnesschärfe, um zu erkennen, ob du noch auf dem richtigen Weg zu deinem Ziel bist.

Werde wieder flexibel und nutze deine Flexibilität, um dein Handeln so lange zu verändern, bis du das erreichst, was du willst.

Was auch immer du tust:

Es gilt, das Feuer zu bewahren

und nicht die Asche zu verwalten!


RAAM-Sieger C. Strasser (3-fach) und Daniel Wyss (2-fach) bewahren ihre Feuer nach dem RAAM 2013 Foto: www.lupispuma.com

Coach dich selbst zu deinem besseren Ich!

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