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Zurück ins Hier und Jetzt

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Beginnen werde ich diesmal mit dem Ende. Mit unserem Ende. Mit dem Ende unserer Zeit. Das Gute oder das Schlimme an ihr ist – sie vergeht. In der Kindheit kann die Zeit oft nicht schnell genug vergehen. Beim Warten aufs Christkind, den Osterhasen oder auf ähnliche Ereignisse. Manchmal reicht auch das Wiederheimkommen des Vaters, wie es bei meinen Kindern doch tatsächlich der Fall ist. Obwohl meine drei Kinder mein Arbeiten am Wochenende gewohnt sein sollten, erlebte ich im Winter 2013 etwas Ungewöhnliches mit ihnen. Vor allem mit meinem Jüngsten. Für das Buch „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ ging ich drei Mal nicht nur in eine imaginäre Klausur, sondern fuhr tatsächlich räumlich woanders hin, um meine Gedanken besser sammeln zu können. Doch obwohl ich im Durchschnitt 30 Wochenenden pro Jahr bei Seminaren, auf der Vortragsbühne oder bei Wettkämpfen bin, reagierte mein Sohn David, als ich zum vierten Mal zum Schreiben wegfahren wollte, anders als sonst. Beim abendlichen Ins-Bett-Bringen und meiner schon standardisierten Frage zum Tagesabschluss (Leser von „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ können wissen, welche Frage ich jeden Abend stelle), fing er an zu weinen und bat mich: „Bitte bleib bei mir, fahr nicht weg.“ Und ich blieb.

Was er und ich noch nicht wissen konnten: Dass ein Eisregen am nächsten Tag meine Wohnregion bis hin zur 65 km entfernten Grenze nach Slowenien in eine quasi Zuckergusshülle aus Eis eintauchen würde. Als wenn ein göttlicher Zuckerbäcker am Werk gewesen wäre, inspiriert von dem einen oder anderen Walt-Disney-Film. Wunderschön anzusehen, doch unglaublich gefährlich: spiegelglatte Fahrbahnen, vom Gewicht des unüblichen Gefrorenen umgeknickte Bäume, gerissene Stromleitungen und dadurch seltsame Ausreißer nach oben in der Unfallstatistik. Nun gut, klar – es war vielleicht Intuition, er hat es nicht wissen können. Als Resultat ersparte ich mir vermutlich so einiges und damit meine ich nicht nur den Weg zur Autospenglerei. Kinder nehmen vieles im Leben anders wahr. Nicht nur die Zeit. Und sie vertrauen ihrem Gefühl, ihrer Intuition.

Doch mit dem Ende der Jugend, mit Beginn des Erwachsenseins ändert sich für viele Menschen das Verhältnis zur Zeit. Woher kommt sie und wohin geht sie? Die Zeit als ein flüchtiges Wesen. Es scheint fast so wie in Michael Endes Roman „Momo“ aus dem Jahr 1973. Die grauen Herren, die Zeiträuber gehen um! Termin folgt auf Termin und alles, was noch für einen persönlich wichtig wäre, fällt der fehlenden Zeit zum Opfer. Im Roman stehlen die grauen Herren den Menschen die Lebenszeit. Sie arbeiten bei der Zeitsparkasse, alles an ihnen ist grau und sie rauchen. Sie rauchen Zigarren aus getrockneten Stundenblumen, die sie den Menschen aus den Herzen stehlen. So haben die Menschen keine Zeit mehr, um sich Geschichten zu erzählen und zu spielen. Obwohl seit der Veröffentlichung bereits 42 Jahre vergangen sind, wirkt das Thema für manche Menschen in meinen Seminaren und Coachings aktueller denn je. Meine zwei Lieblingsanfordernisse, die ich oft höre: ständige Erreichbarkeit und Multitasking. Anscheinend haben die meisten Handys keinen On/Off-Schalter und ein jeder ist Wertpapierhändler und arbeitet an mehreren Bildschirmen mit zig geöffneten Fenstern gleichzeitig. Den Hinweis, dass für viele die grauen Herren im Jahr 2015 zum Beispiel blau eingerahmte Bilder und Texte auf dem Tablet, Laptop oder Handydisplay sind, könnte ich mir ersparen. Doch Facebook und Co haben auch ausreichend nutzbare und sinnvolle Anteile! Mehr davon später.

Im Roman „Momo“ jedenfalls vertraut die gleichnamige Hauptfigur ihrer Wahrnehmung sowie Intuition und macht es sich zum Ziel, den Menschen ihre Lebenszeit wieder zurückzugeben. Unterstützt vom Zeitverwalter Meister Secundius Minutius Hora, der sie in die Geheimnisse der Zeit und des Lebens einweiht, kann sie die Zeit anhalten und so den grauen Männern den Diebstahl der Stundenblumen und der Zeit verwehren. Ein Zeitdieb nach dem anderen löst sich nicht nur sprichwörtlich in Luft auf. Der positive Effekt für die Menschen: Wieder Zeit füreinander zu haben, miteinander plaudern und spielen zu können.


Teamessen vor dem Race Around Ireland 2013 Foto: www.lupispuma.com

Macht man das nicht auch auf Facebook? Plaudern und spielen? Möglich. Besser zur richtigen Zeit und am richtigen Ort wie z. B. Alexander Karelly, selbst aktiver Radsportler – seinerseits stolzer Rekordhalter für die langsamste Glocknerman-Zielzeit (1.100 km mit 16.000 Höhenmetern in 66 Stunden und ich sehe seinen Mentaltrainer jeden Tag im Spiegel) – und hauptberuflich Fotograf sowie auch Betreuer von Christoph Strasser. Wenige Tage bevor seine Tochter auf die Welt kam, hat er Folgendes auf Facebook gepostet: „Ich habe mir ein Stück Leben zurückgeholt: Habe Facebook von meinem Handy gelöscht!“ Da soll noch einer sagen, wir Menschen seien nicht lernfähig! Unsere jetzigen Technologien haben immense Auswirkungen auf unser Kommunikationsverhalten und unseren Umgang mit Zeit. Mehr von allem und das gleichzeitig ist die kaum einlösbare Forderung. Die latent unausgesprochene Aufforderung, den Status zu aktualisieren, und der Anspruch eines ehemaligen großen Handyerzeugers: connecting people, führt manche in die Zeitknappheit. So manchem zerrinnt die Lebenszeit auf dem Touchscreen, oder wie es auch ebenda zu lesen ist: Leben ist dort, wo der unscharfe Rand bei deinem Handy ist.

Doch eines ist klar, Zeiträuber gab es schon vor Facebook und Smartphones. Und obwohl es uns in Mitteleuropa im Sinne unserer wirtschaftlichen Stärke oder auch technologischen Ausstattung noch nie so gut ging wie heute, sehnen sich laut einer Umfrage, die bei 800 repräsentativ ausgewählten Menschen aus Österreich durchgeführt wurde, viele nach der „guten alten Zeit“. Laut der vom Linzer Market-Institut durchgeführten Studie konnten sich die Teilnehmer ein Wunschjahr, in dem sie gerne leben würden, aussuchen. Alles zwischen 1800 und 2100 war möglich: die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. Das Ergebnis förderte einen Hang zur Sehnsucht nach früheren Zeiten zutage: Im statistischen Mittel war die erste Jahreshälfte 1996 der Wunschzeitraum (Conrad Seidl, Schwerpunkt, Standard, 6. Dez. 2014, S. 3). Und das, obwohl 1996 von Smartphones keine Spur, der Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg gerade zwölf Jahre alt war und damit der noch nicht erfundene Facebook-Account nicht jeden Tag die hochethische Frage stellten konnte: Was machst du gerade?

Sollte uns dies zum Nachdenken anregen? Davon abgesehen suchten doch Marty McFly und Doc Brown gerade jetzt, in der Gegenwart, im Jahr 2015, den Schlüssel für die Veränderung der Geschichte. Kamen sie doch mit dem umgebauten DeLorean aus dem Jahr 1985 zurück in die Zukunft. Also ich für meinen Teil setz mich da lieber in den Kultwagen mit dem Fluxkompensator, hinterlasse brennende Reifenspuren und höre Doc Browns Stimme, die sagt: „Nächsten Samstag senden wir dich zurück in die Zukunft!“

Einen Vorteil hat die Vergangenheit: Das Monster der eigenen Vergänglichkeit rückt in die Ferne. In der Gegenwart wird die Aussicht auf die Endlichkeit immer größer. Sozusagen ein Logenplatz mit bester Aussicht, auf den man gerne verzichten würde. Auch wenn es noch ewig weg zu sein scheint, das Ende rückt immer näher.


Zurück in die Zukunft, De Lorean T. Jaklitsch Foto: sportcoaching.net

Als ich 2013 mit Christoph Strasser beim Race Around Ireland (2.070 Kilometer lang, mit 22.000 Höhenmetern) war, lernte ich den spätberufenen italienischen Langstreckenradfahrer Valerio Zamboni kennen. Das Frühjahr und den Sommer verbringt Valerio in Monaco, Herbst und Winter in Florida. Als ehemaliger Pilot war der Himmel sein Metier. Auch heute noch verkauft er den Menschen den Himmel auf Erden: Flugzeuge und Helikopter. Von Jugend an immer schon sportlich aktiv und mitten im Leben stehend, stürzte er beim Bergsteigen ab. Brach sich leider nicht nur die Hüften und wartete fast 20 Jahre, bis eine künstliche Hüfte ihm endlich wieder Sport und Aktivitäten ermöglichte. Zu Rehabilitationszwecken und um seine 20 Kilo Übergewicht loszuwerden, entschied er sich, weil weniger langweilig als schwimmen, fürs Radfahren. Und er fand darin sehr spät seine Passion: Langstreckenradfahren. Bei seinem ersten Antreten beim Race Across America stellte er ein Team aus Betreuern des Profiradsports zusammen und scheiterte kläglich. Bei Halbzeit der Distanz, also nach knapp 2.500 km, war für ihn am Mississippi das Rennen vorüber. Er lernte daraus, behielt seinen Humor, seine Willensstärke und änderte sein Training und seine Taktik. In den nachfolgenden Jahren finishte er nicht nur das RAAM, sondern gewann 2011 als 57-Jähriger das Race Around Ireland!


V. Zamboni, vor dem Start RAAM 2012 Foto: www.lupispuma.com

„Wenn du jung bist, lautet die Antwort: Ich möchte erfolgreich sein,

ich möchte viel Geld verdienen, ich möchte gut in meinem Sport sein.

Und dann siehst du vielleicht Menschen und Freunde sterben,

du beginnst zu verstehen, dass das Leben …

Es gibt keine Versicherung, alles kann passieren,

zu jeder Zeit, ohne Vorwarnung. Also …”

(Valerio Zamboni, it’s all about, an ultracycling movie, bei 54:56)

So kannst du vielleicht besser verstehen, wieso ich damals bei meinem Sohn blieb. Den Zeitdieben, den Verpflichtungen und geplanten Vorhaben zum Trotz, weil dieser Moment, die Zeit des Jetzt, unwiederbringlich ist. Und seine Intuition goldrichtig war. Welche Gedanken hätte ich da wohl auf Facebook posten können? Welche Antwort auf die Frage „Was machst du gerade?“ hätte da mein Profil aktualisiert?

Wie alt oder jung du auch immer bist, eines kannst du wissen: Die Gegenwart ist womöglich letztlich die Ewigkeit, nach der wir uns sehnen. Das Hier und Jetzt, die Zeitlosigkeit des Augenblicks. Ungeachtet der steigenden Lebenserwartung und frohlockenden Zahlen des österreichischen Innenministeriums (BMI). Wenige Tage bevor ich diesen Augenblick für mich genießen konnte und für mich handelte, nämlich zu Hause bei meiner Familie zu bleiben, traf ich im Rahmen einer Veranstaltung auf den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit: Mag. Mag. (FH) Konrad Kogler. Ein eloquenter, charismatischer Mensch, der sich in seiner Position verantwortlich für das Sicherheitsempfinden der Menschen in Österreich fühlen darf. Immerhin zieht sich sein Bogen der Verantwortlichkeit vom Katastrophenschutz bis zur Flugpolizei, vom Sondereinsatzkommando Cobra bis hin zum „einfachen“ Exekutivbeamten auf der Straße. Umso begeisterter zeigte er die Verkehrstotenstatistik des BMI zum Jahresende 2013: Voller Freude und Stolz präsentierte er die Zahl von 455 verunglückten Menschen auf Österreichs Straßen! Mir gefror das Lächeln, weil wir doch wissen: jeder einzelne Tote ist zu viel und hinterlässt Spuren in seinem Umfeld. Noch unverständlicher wird diese Zahl, wenn man weiß, dass die Hauptunfallursachen dieser tödlichen Verkehrsunfälle rein menschliche Fehlleistungen waren. Angeführt wird die Auflistung der Top-fünf-Todesursachen von zu hohen Fahrgeschwindigkeiten, Vorrangverletzungen, Unachtsamkeiten bzw. Ablenkungen, Überholmanövern, Fehlverhalten von Fußgängern. Da hinterlässt auch die Jubelstatistik des BMI für das abgelaufene Jahr 2014 einen fahlen Nachgeschmack: „Niedrigste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950“ (http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Verkehr/statistik/Jahr_2014.aspx). Zum zweiten Mal blieb die Zahl der tödlich ver­unglückten unter 500, exakt waren es 430 Menschen und daher nochmals um 25 Personen weniger. Ein großartiger Trend, vor allem im Vergleich zu früher. „430 Verkehrstote sind etwa ein Siebentel der Todesopfer im Vergleich zu 1972, dem bisher schwärzesten Jahr in der Unfallstatistik (2.948 Tote). Obwohl der Fahrzeugbestand sich seit 1972 von 2,5 Millionen auf 6,5 Millionen mehr als verdoppelt hat. Noch vor 15 Jahren gab es in Österreich mehr als 1.000 Tote (1.079) im Straßenverkehr. Der Rückgang seit damals beträgt 60 Prozent.“ (ebd.)

In Korrelation mit der vorher zitierten Studie mit der Fragestellung „Wann möchten Sie leben?“ wäre meine Antwort schlichtweg: JETZT!

Schlussfolgerung

Ende 2014 fand ich mich inmitten eines Konzertes eines in die Jahre gekommenen österreichischen Austropop-Musikers wieder. Während dieses Abends erkannte ich erst die vielen Hits und die Virtuosität seines Gitarrespiels. Das Publikum trieb wie mit einem „Segel im Wind” und verfiel spätestens bei „Der Kaffee ist fertig” nahezu in Agonie. Doch Peter Cornelius konnte als Sprachrohr mit seinem letzten Song das scheintote Publikum nicht nur aufwecken, sondern die Menschen wieder mit lange nicht vorhandener Lebensenergie füllen. Der ganze Saal sang nicht nur, sondern schrie sich die Vision der Textzeilen des Refrains von der Seele:


I bin reif, reif, reif, reif für die Insel.

I bin reif, reif, reif überreif.

Und i frag mi, warum i no’ da bin,

für’s Aussteig’n bin i scheinbar zu feig.

Viele Menschen der Jetztzeit erkennen scheinbar nicht, welchen Luxus wir großteils genießen, kurz gesagt, wie reich wir doch an Annehmlichkeiten sind, wie gut es uns geht. Sie brauchen dann ein Sprachrohr. Sie sind gefangen von Routinen, von Tagesabläufen, von Fremdbestimmung. Und es geht dabei nicht ums Aussteigen, darum, alles wegzuwerfen, ein Reset zu machen, sondern schlichtweg darum, wie Albert Camus die Strategie eines funktionierenden Lebensentwurfes formulierte: „Lebe tief und heftig”!

Übrigens: der Song ist aus dem Jahre 1981, entstanden ein paar Jahre vor Robert Zemeckis’ Kult-Trilogie „Zurück in die Zukunft” – und inhaltlich eine klassische menschliche Tragödie. Überforderung und andererseits Unterforderung, Ziel- und Sinnlosigkeit sowie Fremdbestimmung sind die Zutaten gefühlten Unglücks. Das Jetzt wieder nutzen, wieder genießen, sogar lieben zu können, beginnt damit, nein zu den langweiligen Routinen und ja zu deinen Möglichkeiten zu sagen. Dafür muss man nicht aussteigen, sondern sich seine eigene mentale Insel schaffen, um das JETZT wieder im Griff zu haben. Genügend

Ideen dafür darf es im Verlauf des Buches geben!

Check-up

Die Voraussetzung für eine mentale Insel ist der Beginn. Beginne mit deinem Check-up und stelle dir folgende Fragen, die deinen Fokus, deine Gedanken lenken dürfen:

Wofür bin ich dankbar oder könnte ich dankbar sein?

Worauf bin ich besonders stolz oder könnte ich stolz sein?

Wen liebe ich und von wem werde ich geliebt?

Worüber kann ich im Moment glücklich sein?

Was begeistert mich und wofür könnte ich und kann ich mich begeistern?

Mit welchen Menschen verbringe ich gerne meine Zeit?

An welchen Orten fühle ich mich besonders wohl?

Was mache ich gerne?

Wann war ich einmal besonders mutig und wie lange ist das schon her?

Also riskiere ein paar Minuten, erschaffe dir deine Insel und beginne, deine Gedanken fließen zu lassen! So wie Oscar-Gewinner Kevin Kostner es auf den Punkt gebracht hat:

„Der Gedanke, etwas nicht zu riskieren,

ängstigt mich zu Tode.”

(Kevin Costner)


Lebe tief und heftig! RAW 2015 Foto: www.lucaspflanzl.at

Coach dich selbst zu deinem besseren Ich!

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