Читать книгу Joshuas zauberhafte Welt - Thomas Karl - Страница 5

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Der Hahn rappelte sich verwirrt vom Boden auf und blickte verdutzt zu dem kleinen Jungen, der sich dort unter einem hölzernen Vordach gähnend im Stroh wälzte. Verächtlich scharrte das Tier mit seinen Krallen im matschigen Boden umher und beförderte so eine größere Menge Dreck zu dem Kind hinüber. Nach dieser Tat zog er sich tief beleidigt, aber mit hoch erhobenen Schnabel in seinen Hühnerstall zurück. Der Hahn hatte genug von diesem Tag, obwohl dieser ja eigentlich noch nicht einmal richtig begonnen hatte.

Joshua hingegen verteilte etwas frisches Stroh über seinen Körper, deckte sich damit zu und schloss erneut seine Augen. Da es sein freier Tag war, wäre er niemals, aber auch wirklich niemals auf die Idee gekommen, früh aufzustehen. Schließlich war er schon den ganzen Rest der Woche immer der Erste, der aufstand und seine Arbeit erledigte.

Sein Ritter, der ehrenwerte und edle Herr Alfons von Dickhusen, duldete morgens keine Verspätungen. Früh musste das Pferd gesattelt und das Schwert poliert sein. Immerhin galt es für den Ritter, jeden Tag eine gute Tat zu vollbringen und zu dieser wollte er nur ungern zu spät kommen. Zumindest war dies seine Meinung dazu.

Da Joshua nur ein Knappe, also der Helfer, von seinem Herren war, blieb ihm an den gewöhnlichen Wochentagen nichts anderes übrig, als rechtzeitig seine Arbeit zu tun, …sonst drohte gewaltiger Ärger.

Doch heute war Sonntag und alle Ritter schliefen länger. Somit gab es für den Jungen auch keinen erklärbaren Grund, früh aufzustehen. Zwar besuchten die Ritter Sonntags die Kirche und putzten sich dafür heraus wie an keinem anderen Tage, doch Joshua war nicht dumm. Meistens legte er die saubere Uniform für seinen Herren einfach schon tags zuvor bereit. So konnte er den freien Sonntagmorgen in vollen Zügen genießen.

Joshuas normaler Tagesablauf sah hingegen ganz anders aus. Wenn er arbeiten musste, stand er sehr früh auf. Meistens sogar früher, als der Hahn krähte. Häufig war es noch dunkel und er konnte kaum etwas erkennen. Selbst das Licht der Fackeln, die zahlreich an den Mauern befestigt waren, reichte kaum dafür aus, um die anliegenden Aufgaben sorgfältig erledigen zu können. Und auf Sorgfalt bestand Ritter Alfons leider sehr. Das Schwert musste gründlich poliert sein, damit sich jeder darin spiegeln konnte. Was wäre er auch für ein Ritter gewesen, wenn er einem Gegner mit schmutziger Schneide entgegen getreten wäre? Nein, so etwas kam für den edlen Ritter einfach nicht in die Tüte.

Auf Grund dieser Tatsache reinigte Joshua das Schwert immer zuerst. Es gab selten Ärger, wenn andere Dinge nicht ordnungsgemäß erledigt waren, jedoch hagelte es immer harte Strafen, wenn die Waffe nicht ordentlich genug glänzte, so wie sie es eigentlich sollte.

Normalerweise brauchte der Junge eine gute Stunde dafür, damit alles vom Griff bis zur Klingenspitze blitzte und blinkte. Aber es war gar nicht so einfach, denn Joshua hatte nur Wasser, einen Lappen und etwas Stroh zur Verfügung. Trotzdem schaffte er es irgendwie immer wieder, seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit seines Herren zu erledigen.

Wenn er früh genug mit dem Schwert fertig war, musste er sich um das Schild und um das Wohl des Pferdes im Stall kümmern. Die Wäsche erledigte er klugerweise schon immer am Abend zuvor.

Das Leben war nicht leicht für den fleißigen Jungen. Die Ausrüstung eines Ritters war schwer und für alle Teile musste der Knappe Sorge tragen, ob es sich nun um die Waffen oder um die schwere Rüstung handelte. Joshua musste alles in Schuss halten. Egal wie sehr es auch regnete, hagelte, stürmte oder schneite. Alle Sachen hatten auszusehen, als kämen sie gerade frisch vom Schmied oder aus der Wäscherei. So blieb für den kleinen Jungen kaum Zeit für andere Dinge im Leben. Wenn er sich nicht gerade auf irgendwelchen Reisen zu neuen Abenteuern mit seinem Herren befand, hatte er genug damit zu tun, die ganze Ausrüstung auf Vordermann zu bringen. Es sah ziemlich langweilig und trist in Joshuas Leben aus. Mehr als Arbeit hatte es nicht für ihn zu bieten. Dabei träumte er häufig davon, selber einmal ein großer und berühmter Ritter zu sein. Doch für einen Knappen wie ihn war der Weg bis dorthin steinig und schwer.

Er machte sich da nichts vor. Wenn man nicht aus gutem Hause kam oder einem nicht der Zufall half, war der Wunsch ein echter Ritter zu werden, schneller ausgeträumt als man meinte. Auf den Turnieren, die er mit seinem Herren Alfons besuchte, traf er oft genug auf seinesgleichen, die ihr Leben lang als Knappen schufteten ...und auch endeten.

Von nicht vielen, um nicht zu sagen, nur von ganz, ganz wenigen, wusste man, dass sie den langen Weg vom jungen Helfer bis zum Ritterschlag geschafft hatten. So einem Knappen war Joshua jedoch noch niemals selber begegnet. Er hielt es auch eher für ein Gerücht als für die Wahrheit. Trotzdem wollte er seinen Traum nicht aus den Augen verlieren, auch wenn dies Ritter Alfons nicht gerne sah oder gar hörte. Der Junge wusste, dass etwas Besonderes in ihm schlummerte. Da war er sich ganz, ganz sicher.

An jenem Sonntagmorgen fiel es Joshua sichtlich schwer, sich aus dem warmen Stroh zu erheben. Sechs Tage die Woche hatte er sich abplagen müssen und dies steckte auch in seinen geschundenen Knochen. Obwohl ihn die Müdigkeit kaum die Augen offen halten ließ, wurde es langsam für ihn Zeit aufzustehen. Die Kirchturmglocken läuteten schon zum zweiten Mal. Dies bedeutete für ihn, dass Ritter Alfons bald seine Hilfe bräuchte, wenn die Kirche zu Ende war.

Jeden Sonntag gab es nämlich das gleiche Drama. Ritter Alfons bekam zwar seinen feinsten Zwirn alleine an, doch heraus kam er nur selten ohne fremde Hilfe. Der Junge zwang sich aufzustehen, und schleppte sich müde zum Misthaufen hinüber. Schließlich fehlte ihm ja noch sein zweiter Stiefel, den er nach dem Hahn geworfen hatte. Müde schlüpfte er in ihn hinein, kippte dabei fast nach hinten über und landete beinahe in dem großen Haufen. Er konnte sich gerade noch an einem Mauervorsprung festhalten. Das hätte dem Jungen noch gefehlt, wenn er nach frischem Mist gerochen hätte! Sicherlich hätte er dann eine gehörige Ansprache von Ritter Alfons bekommen. Doch es ging gerade noch einmal gut.

Der edle Herr ließ nicht lange auf sich warten. Kurz nachdem der ganze Hofstaat an Joshua vorbeigezogen war, marschierte sein Ritter gemächlich und in aller Seelenruhe an ihm vorbei, zwinkerte ihm freundlich zu und machte sich weiter auf den Weg zu seiner Kammer. Der Junge folgte ihm wortlos und begleitete ihn in sein Zimmer. Da Ritter Alfons schon ein alter und verdienter Ritter war, hatte er einen ganzen Raum für sich alleine in der Burg. Das war schon etwas Besonderes, denn alle anderen Soldaten und auch die anderen Ritter mussten sich ihre Kammern mit mehreren Leuten teilen.

Gähnend stieß der alte Ritter seine schwere Zimmertür auf und kratzte sich am Bauch. „Ich glaube, mein Junge“, stellte er entschlossen fest: „es ist an der Zeit noch ein kleines Mittagsschläfchen zu halten. Was meinst du?“ Joshua nickte nur, dennoch konnte man ein vergnügtes Lächeln bei ihm erkennen. Das hatte auch seinen Grund. Immer wenn sich Ritter Alfons am Sonntag zum Mittagsschlaf hinlegte, bedeutete dies für Joshua, dass er frei hatte. Nur selten, ja eigentlich nur sehr, sehr selten, stand der edle Herr dann überhaupt noch einmal auf. Noch nicht einmal mehr zum Essen. Es hätte schon die Burg brennen oder angegriffen werden müssen, dann, aber vielleicht auch nur dann, wäre Ritter Alfons noch einmal aufgestanden. Er war halt nicht mehr der Jüngste.

Joshua machte dies wenig aus. Ganz im Gegenteil, somit konnte er den ganzen Tag tun und lassen, was er wollte, und das tat er auch am liebsten. Jetzt musste er seinen Herren nur noch aus der sauberen Robe helfen, was schon schwer genug war. Man kann sich nicht vorstellen, wie viele Kordeln, Knoten und Schnüre die Ausgehuniform eines Ritters haben kann. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Joshua seinen Herren bis auf die Unterhose ausgezogen hatte. Nachdem das Werk vollbracht war, schleppte sich dieser erschöpft zu seinem Bett, plumpste wie ein nasser Sack hinein und schnarchte augenblicklich drauf los. Leise zog Joshua noch die Gardinen vor die Fenster, damit es dunkel wurde. Außerdem sorgte er dafür, dass Ritter Alfons nicht mehr aufstehen musste und platzierte deshalb den Nachttopf vorsorglich neben dem Bett. Langsam schlich sich der Junge aus der Kammer, und zog die schwere Holztür sanft hinter sich zu. Jetzt hatte er einen ganzen freien Tag für sich!

Jubelnd sprang er den Flur entlang, achtete aber darauf, dass er nicht zu laut war. Um keinen Preis der Welt wollte er seinen Herren nochmals wecken. Überglücklich und beschwingt lief Joshua die Treppe hinunter, sauste über den Burghof und passierte das mächtige Tor. Beim Überqueren der Zugbrücke grüßte er noch freundlich die dort beiden postierten Wachen, dann sprintete er, wie wild geworden, einfach drauf los. Es trieb ihn immer weiter und weiter und er durchstreifte sämtliche nahegelegenen Wälder und Felder. Er genoss seinen freien Tag und seine Freiheit. Überglücklich warf er sich an einem schattigen Plätzchen in ein Moosbett hinein. Gut gelaunt beobachtete er die Wolken im Himmel, die lustig an ihm vorbei zogen.

Warum konnte es nicht immer so sein? Ein unbeschwertes und sorgenfreies Leben! Mit diesen Gedanken schlummert er friedlich ein.

Joshuas zauberhafte Welt

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