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Was bringt eine europäische Rating-Agentur?

Noch eine Rating-Agentur? Das ist etwa so, als würde die Stiftung Warentest in mehrfacher Ausführung immer noch nicht reichen. Ein wichtiger Kritikpunkt an Rating-Agenturen ist, dass es nicht genug davon gibt und somit kein ausreichender Wettbewerb stattfindet. Ein Vergleich mit der Stiftung Warentest zeigt, dass auch bei der Prüfung von Konsumgütern nicht viel Wettbewerb herrscht. Und das, obwohl es sich dabei doch um einen wesentlich größeren Markt handelt. Während die Rede immer nur von den drei großen Agenturen Moody‘s, Standard & Poor‘s und Fitch ist, gibt es noch eine Reihe kleinerer Rating-Agenturen, deren Existenz weitgehend totgeschwiegen wird.

Zunächst die Agentur Egan-Jones, 1995 von Sean Egan gegründet. Diese Agentur vergibt Ratings, für die Nutzer der Ratings zahlen. Damit unterscheidet sich die Agentur wesentlich von den drei Großen, bei denen die Emittenten der Wertpapiere Auftraggeber sind und die Kosten übernehmen. Wenn der Emittent zahlt entsteht potentiell ein Interessenkonflikt. Wenn jedoch die Nutzer zahlen und nicht die Emittenten, gibt es weniger Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Ergebnis.

Dieser Kritikpunkt wird gerne gegen die bekannteren Rating-Agenturen hervorgebracht. Doch warum verlässt die EZB sich dann auf Ratings dieser Agenturen und ignoriert die – zumindest theoretisch – besseren Ratings von Egan-Jones? Offenbar ist nicht nur die Methodik wichtig, sondern auch der Ruf und die Glaubwürdigkeit einer Agentur. Egan-Jones ist ein relativ junges Unternehmen, das sich seinen guten Namen gerade langsam und mühsam erarbeitet. Während die amerikanische Wertpapieraufsicht Egan-Jones Ratings für vollwertig anerkennt, zögert die EZB noch. Vielleicht ist dieses Zögern aber auch politisch gewollt. Denn solange man behaupten kann, dass es nur drei Rating-Agenturen gibt, kann man auch die Gründung einer europäischen Agentur fordern.

Damit würde man dann China nacheifern. Die Mandarine der Volksrepublik ärgerten sich in der 90er Jahren wie europäische Politiker heute, dass die großen Rating-Agenturen alle in den USA beheimatet sind. Also gründete man 1994 schnell Dagong Global Credit Rating als eigene chinesische Rating-Agentur. Natürlich unabhängig. Ihr kommt innerhalb Chinas eine wichtige Rolle zu, da viele der dortigen Unternehmen und Gebietskörperschaften nach der Öffnung Chinas nur langsam internationale Kredite aufnahmen und deshalb von den westlichen Rating-Agenturen nur selten bewertet werden.

Dagong bewertet aber auch Staaten. Und diese Bewertungen lassen ahnen, wie eine zukünftige europäische Rating-Agentur verfahren wird. Die beste Bewertung vergibt Dagong ausschließlich an – der Leser ahnt es schon – die Volksrepublik China. Deutschland und viele andere europäische Staaten liegen knapp darunter. Griechenland wird genauso schlecht bewertet wie durch die amerikanischen Rating-Agenturen.

Man kann also erwarten, dass eine genauso unabhängige europäische Rating-Agentur ähnlich verfahren wird: Europäische Staaten bekommen die Bestnote, alle anderen Staaten liegen knapp darunter. Es wird dieser neu gegründeten Rating-Agentur schwerfallen, bald einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit zu erreichen. Und wenn die Gründungsgeschichte auf Ärger über die schlechten Bewertungen durch die etablierten Agenturen zurückgeht, dann steht es von Anfang an schlecht um Glaubwürdigkeit.

Per Dekret lässt sich Vertrauen in eine Rating-Agentur genauso wenig herstellen wie in den Euro als Gemeinschaftswährung. Der Vergleich der chinesischen Gegen-Rating-Agentur zu ihrem europäischen Pendant ist so naheliegend, dass die europäische Nummer mit einem Vertrauensdefizit starten wird, dass erst in vielen Jahren, wenn überhaupt je, überwunden sein wird.

Am Rande seien der Vollständigkeit halber noch ein paar andere Rating-Agenturen erwähnt: A.M. Best ist spezialisiert auf Versicherungen, Dominion Bond Rating Services konzentriert sich auf kommunale Schuldner in den USA, Weiss Ratings bewertet Finanzunternehmen sowie Staaten und Japan Credit Rating Agency bewertet Unternehmen und Staaten. Es gibt auch in zahlreichen anderen Ländern Rating-Agenturen, die meist regional ausgerichtet sind und zur Unterstützung des Außenhandels andere Staaten bewerten, auch europäische.

Politiker, die hoffen, bessere Bewertungen für europäische Wackelstaaten allein durch Reform der Rating-Agenturen zu bekommen, sollten die Bewertung Deutschlands durch Egan Jones betrachten: A, also fünf Stufen niedriger als durch die drei großen Rating-Agenturen.20 Wenn Politikern klar wird, dass die einzige Rating-Agentur, bei der die Nutzer der Ratings zahlen, noch schlechtere Bewertungen vergibt als die drei Großen, werden sie schnell das klassische Oligopol wieder gutheißen.

20 Stand: Januar 2014.

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