Читать книгу Blutgefährtin 3 - Thomas M Hoffmann - Страница 8

5. Leidenschaft

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Ich sehe ein, dass ich erst sein Vertrauen gewinnen muss, also lasse ich ihn mich ausfragen. Nachdem unser Wein da ist, kommt Andrej erst richtig in Fahrt und quetscht mich regelrecht aus. Die meisten Fragen beantworte ich ihm auch vollkommen wahrheitsgemäß. Aber noch bevor seine Neugierde einigermaßen befriedigt ist, drehe ich den Spieß um und frage ihn meinerseits aus.

«Jetzt bin ich aber auch einmal dran. Wer sind Sie?»

Andrej lächelt, ich stelle fest, dass ich sein Lächeln mag.

«Ich bin Andrej Bonnet.»

«Andrej hört sich aber auch nicht gerade Französisch an.»

«Ich bin aber durch und durch Franzose. Meine Urgroßeltern Mütterlicherseits sind zwischen den Weltkriegen aus Russland nach Frankreich geflohen. Mein Urgroßvater hieß Andrej, nach ihm bin ich benannt.»

«Haben Sie Familie?»

«Meine Mutter lebt noch in meiner Heimatstadt in der Nähe von Lyon, ich habe zwei Brüder und vier Nichten und Neffen.»

«Sie sehen gut aus, wie kommt es, dass Sie noch nicht verheiratet sind?»

Hier zieht Andrej die Augenbrauen hoch.

«Für diese Frage kennen wir uns noch nicht gut genug.»

Inzwischen haben wir unsere Gläser einmal geleert und Andrej nimmt die Flasche, um sie nachzufüllen. Gedankenverloren nehme ich mein Glas, betrachte die satte Farbe und genieße den fruchtigen Geruch des Weines. Dann halte ich ihm das Glas hin.

«Wäre es ein erster Schritt, wenn wir das Förmliche Sie hinter uns lassen?»

Andrej schaut mir intensiv in die Augen, nimmt ebenfalls sein Glas und stößt mit mir an.

«Ich bin Andrej.»

«Ich heiße Trish.»

Jeder von uns nimmt ein Schluck, dann runzelt Andrej wieder einmal die Stirn. Ich glaube, dass das seine Art ist auszudrücken, dass er etwas nicht versteht oder irritiert ist. Er macht das jetzt zum wiederholten Mal, vielleicht bringe ich ihn gründlich aus dem Konzept. Ein schöner Gedanke.

«Du hast sehr interessante Augen, Trish.»

«So? Eigentlich war ich immer der Meinung, dass meine Augen ganz gewöhnlich sind.»

«Ich kann einfach nicht sagen, welche Augenfarbe du hast. Eigentlich sind deine Augen blau. Aber immer wieder scheinen sie gelb zu leuchten. So etwas habe ich noch nie gesehen.»

Oha, meine Augen haben immer mal wieder gelb geblitzt? Das kann nur bedeuten, dass Andrej meine Vampirin sehr beeindruckt hat, wenn sie sich auf diese Weise bemerkbar macht.

«Meine Augenfarbe ist blau.»

«Also bilde ich mir das mit dem gelben Leuchten nur ein?»

«Vielleicht.»

Schon wieder runzelt Andrej die Stirn. Jetzt wird es wohl langsam Zeit, dass ich auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen komme.

«Woran glaubst du Andrej?»

«Woran ich glaube? Offiziell bin ich natürlich katholisch, aber tatsächlich bin ich nicht sehr religiös. Ich bin Ingenieur, ich glaube an Dinge, die ich sehe, die ich anfassen kann, die ich berechnen kann. In meinem Beruf sollte man sich nicht irgendwelchen Mythen hingeben, auch wenn sie zu der Tradition unseres Landes gehören.»

«Und wie ist es mit anderen verborgenen Dingen, wie übernatürlichen Phänomenen?»

«Du meinst Dinge wie Zauberei, Geister, Dämonen und so?»

«Ja. Aber auch Wesen wie Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe.»

«Ich bin ein sehr rational eingestellter Mensch, solche Phantasien sind ja vielleicht…»

Plötzlich starrt mich Andrej an, ich kann sehen, wie er die Verbindung herstellt.

«Valerie! Du redest mit mir wegen Valerie. Die gemeinsame Freundin, von der du gesprochen hast, ist Valerie.»


Ich bestätige das nicht, aber ich bestreite es auch nicht. Stattdessen nippe ich an meinem Wein und beobachte die Reaktion Andrejs. Eine ganze Welle von Emotionen geht durch sein Gesicht. Ich kann Zuneigung sehen, Sehnsucht, aber auch Schmerz. Wie immer Andrej zu Valerie genau steht, sie ist ihm sichtlich unter die Haut gegangen. Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass Andrej tatsächlich ein Glücksgriff von Valerie ist. Wenn sie ihre Probleme irgendwie gelöst bekommen, dann sind die beiden wie geschaffen füreinander. Inzwischen hat sich Andrej wieder im Griff, seine Augen haben einen harten Glanz bekommen.

«Hat dich Valerie geschickt?»

«Sie ist zu mir gekommen und hat mich gebeten, mit dir zu reden.»

«Warum du?»

«In gewisser Weise bin ich an den Problemen, die ihr miteinander habt, mit Schuld.»

«Soll das heißen, du weißt, was mit Val geschehen ist und was hinter ihrer – ihren Schwierigkeiten steckt?»

«Ja.»

«Also heraus damit. Valerie wollte mir einfach nicht sagen, was vorgefallen ist.»

«Wieso glaubst du, dass sie es dir nicht sagen wollte?»

«Du hast mich doch nach diesen übernatürlichen Wesen gefragt. Das heißt, du weißt, was sie mir erzählt hat. Es kann sogar sein, dass sie selber tatsächlich daran glaubt, zumindest hat sie sehr überzeugt geklungen. Aber nur, wenn sie sich der Wahrheit stellt, kann ihr – uns geholfen werden.»

«Und was ist, wenn du es bist, der sich der Wahrheit stellen muss?»

Das hat Andrej wohl nicht erwartet. Wieder runzelt er die Stirn und starrt mich intensiv an.

«Soll das heißen, du unterstützt diese Geschichte?»

«Das muss ich wohl. Wie du sagtest kann euch nur geholfen werden, wenn ihr euch der Wahrheit stellt. Und was Valerie dir erzählt hat, ist die Wahrheit.»

Das macht Andrej sprachlos, langsam schüttelt er den Kopf. Wieder kämpfen mehrere Emotionen in seinem Ausdruck. Zuerst ist er zornig, doch dann überrollt ihn eine tiefe Traurigkeit. Schließlich schließt er die Augen und wirkt erschöpft und resigniert.

«Deswegen also hat Valerie dich geschickt. Du glaubst auch an den ganzen übernatürlichen Quatsch.»

«Ich glaube nicht nur daran. Ich weiß, dass er wahr ist.»

«Ja klar, natürlich.»

Das kommt dermaßen resigniert und so dämlich in der ich-weiß-es-besser Art heraus, dass ich langsam wütend werde.

«Du bist ein echter Holzkopf, Andrej. Du gibst Valerie keinerlei Chance. Auch dann nicht, wenn vielleicht euer ganzes Leben, eure Zukunft auf dem Spiel steht.»

Jetzt funkelt mich Andrej wütend an, ich sehe, wie er vor Zorn mit den Zähnen mahlt. Für einen Moment denke ich, er würde versuchen, mich am Kragen zu packen, dann hält er sich aber doch zurück.

«Was weißt du schon von unserem Leben, von unserer Zukunft?»

«Mehr als du denkst. Ich war es, die Valerie vor all dem gewarnt hat, die versucht hat, sie aus dieser Welt herauszubekommen, bevor es zu spät ist.»

Bei der Erinnerung an die letzte Auseinandersetzung in Montpellier, als sich die Wege von Valerie und mir endgültig trennten, muss ich den Blick senken. Traurigkeit überschwemmt mich.

«Aber da war es tatsächlich schon zu spät.»


Für einen Moment sagt keiner von uns beiden ein Wort, Andrej funkelt mich weiter wütend an, während ich diesen schrecklichen Moment noch einmal empfinde, in dem Valerie herausgefunden hat, was ich jetzt bin, und sich in Abscheu und Schrecken von mir abgewandt hat. Wie würde Andrej reagieren, wenn er mein Geheimnis entdeckt? Wobei es im Moment so scheint, als würde er das Geheimnis selbst dann leugnen, wenn ich es ihm mit aller Gewalt auf die Nase schlage. Langsam kühlt sich die Spannung zwischen uns ab, Andrej atmet ein paar Mal tief ein und aus, dann konzentriert er sich wieder auf mich.

«Als gut. Angenommen das ganze Zeug mit dem übernatürlichen Wesen ist tatsächlich wahr. Was ist passiert damals in Montpellier, dass Val so dermaßen tiefe Spuren davongetragen hat?»

«Hat sie dir das nicht alles erzählt?»

«Ja, aber erstens hat sie sich ziemlich kurz gefasst und zum anderen habe ich ständig versucht, ihre Erzählung in das zu übersetzen, was wirklich passiert ist. Aber sie hat mir keine Möglichkeit gegeben nachzufragen. Jetzt kommst du daher und willst mir das Gleiche erzählen. Das ertrage ich nur, wenn du meine Fragen beantwortest.»

«Ok. Ein faires Angebot. Stell deine Fragen.»

«Valerie ist also von diesem Jerome vergewaltigt worden?»

«Eher verführt, nicht vergewaltigt. Val ist von Jerome sehr beeindruckt gewesen.»

«Aber Jerome war kein Mensch?»

«Nein, er war ein Vampir.»

Andrej holt nochmals tief Luft, als ich so unverblümt ausspreche, was er für ein Märchen hält.

«Woher weißt du das und wie kommst du bei der ganzen Sache ins Spiel?»

Ich muss mich einen Moment sammeln und erzähle Andrej dann, wie Valerie und ich uns kennengelernt haben und dass ich bereits als ich nach Montpellier gezogen bin, mit einem Vampir befreundet gewesen bin. Andrej nimmt das ohne mit der Wimper zu zucken zur Kenntnis, er hat wohl beschlossen, bei der ganzen Geschichte erst einmal einfach zuzuhören. Aber ich kann sehen, dass er tatsächlich kein Wort davon glaubt.

Also versuche ich ihm klarzumachen, wie sehr ich versucht habe, Valerie abzuschirmen und wie sehr ich sie vor Jerome gewarnt habe, nachdem ich erkannt hatte, dass er ein Vampir war. Aber Andrej ist ziemlich intelligent, er bemerkt sehr schnell den entscheidenden Punkt in meiner Erzählung.

«Du sagst also, dass sich Jerome nur deshalb an Val herangemacht hat, um dich zu entführen. Warum sollte er einen so komplizierten Weg gehen?»

«Aus Gründen der Tarnung und aus Überheblichkeit, würde ich sagen.»

«Tarnung, wieso Tarnung?»

«Hätte ich vorher bemerkt, dass er es eigentlich auf mich abgesehen hat, wäre er gescheitert.»

«Sind diese – äh Vampire – nicht schrecklich stark und so? »

«Ja.»

«Wieso also wäre Jerome gescheitert, wenn du schon vorher bemerkt hättest, was er vorhat?»

«Ich habe gute Verbindungen zu mächtigen Vampiren. Sie hätten ihn aufgehalten.»

«So, so. Du hast gute Verbindungen zu mächtigen Vampiren. Du bist also sozusagen die führende Expertin?»

«Kann man so sagen, ja.»


Daraufhin schweigt Andrej, aber ich kann sehen, dass in seiner Haltung so etwas wie Verachtung zum Ausdruck kommt. Irgendwie stört mich das.

«Du glaubst auch mir nicht» stelle ich enttäuscht fest.

«Hör zu. Nicht glauben ist nicht der richtige Ausdruck. Du musst aber zugeben, dass sich das Ganze schon recht abenteuerlich anhört. Du, die führende Expertin in dieser übernatürlichen Welt, ziehst mit der ahnungslosen Valerie zusammen, versuchst sie zu beschützen, was aber scheitert, wodurch sie einen Schock bekommt, der ganz zufällig in den Problemen mündet, die unsere Beziehung auseinandertreibt. Das alles erscheint mir ein bisschen viel auf einmal. Und natürlich gibt es nur Geschichten, keinerlei handfeste Beweise.»

«Du willst also handfeste Beweise?»

«Nun, der eine oder andere nachprüfbare Fakt wäre schon recht förderlich.»

«Nachprüfbare Fakten sind aber gefährlich. Die Menschheit darf von der Existenz der übernatürlichen Welt nicht erfahren.»

«Wie passend.»

«Wäre es denn ausreichend, wenn du selbst einen Vampir zu Gesicht bekommen würdest?»

«Alles schon gesehen. Beim letzten Gothic-Festival hier in der Gegend gab es hunderte von denen.»

Jetzt beginne ich wieder wütend zu werden.

«Glaubst du wirklich, eine Horde von Jugendlichen mit Plastikzähnen ist dasselbe, wie ein echter Vampir? Wärest du nicht so dermaßen blind, würdest du dich wesentlich vorsichtiger ausdrücken.»

«Ist schon gut. Wo soll ich denn so ein fabelhaftes Wesen zu Gesicht bekommen? Übrigens, deine Augen haben eben schon wieder gelb geblitzt, ich habe mir das nicht eingebildet.»

«Also wirklich, wo bleibt denn deine berühmte Kombinationsgabe? Kannst du dir wirklich nicht denken, was gelb blitzende Augen mit diesen fabelhaften Wesen zu tun haben?»

Andrej erstarrt, als er begreift, worauf ich hinauswill. Sein Weinglas schwebt wie eingefroren auf dem Weg zu seinem Mund. Wir haben inzwischen die Flache geleert, draußen ist es endgültig dunkel geworden. Er betrachtet mich mit einem besonders tiefen Stirnrunzeln.

«Jetzt widersprichst du dir aber. Nach deiner Geschichte warst du ein Mensch mit besonders guten Verbindungen in die übernatürliche Welt. Wie kommt es, dass du dich plötzlich selbst als ein solches Wesen ausgibst?»

«Manchmal geht das Schicksal merkwürdige Wege.»

«Lass doch das Schicksal aus dem Spiel. Ich beobachte dich jetzt schon den ganzen Abend. An dir ist nichts Ungewöhnliches. Keine langen Eckzähne, keine Klauen, keine bösartige Aura. Sogar der rote Wein ist nichts weiter als roter Wein.»

Es ist tatsächlich schwer, diesen Burschen zu überzeugen. Langsam wird mir klar, warum Valerie so verzweifelt ist. Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als dem Kerl im wahrsten Sinn des Wortes, die Zähne zu zeigen. Irgendwie freue ich mich darauf, deshalb beuge ich mich näher zu Andrej und lache ihm ins Gesicht.

«Wenn es einfach wäre, uns zu durchschauen, wäre das Geheimnis schon lange kein Geheimnis mehr.»

«Ein Punkt für dich. Aber da du mich ja anscheinend überzeugen willst, musst du mir wohl schon ein wenig mehr anbieten.»

«Hüte dich davor, dir zu viel zu wünschen, es könnte in Erfüllung gehen.»

«Komm, keine dummen Sprüche. Ich will jetzt endlich etwas Konkretes sehen.»

«Aber doch nicht hier in aller Öffentlichkeit.»

Jetzt habe ich ihn wieder überrascht. Seine Augen haben einen merkwürdigen Glanz, als er mich betrachtet.

«Und wie wäre es mit einer mehr privaten Umgegend?»

«Da könnte ich dir mehr zeigen.»

«Wie wäre es mit meiner Wohnung? Mein Auto steht draußen, es ist etwa eine Viertelstunde Fahrt bis zum Ortsrand.»

«Einverstanden.»

Seine Augen weiten sich, als hätte er nicht erwartet, dass ich zusage. Doch er fängt sich sehr schnell wieder und winkt dem Kellner, um zu zahlen. Normalerweise hätte ich darauf bestanden, meinen Anteil selbst zu bezahlen, aber Andrej hat mich genug geärgert, um ihm die Kosten für das Gespräch zu überlassen. Ich verspüre ein erwartungsvolles Kribbeln in der Magengegend. Mit Andrej alleine in seine Wohnung zu gehen, übt einen merkwürdigen Reiz in mir aus. Andrej ist nicht nur stur wie ein Holzklotz, sondern auch gutaussehend und interessant.

Irgendwie fange ich an, Valerie zu beneiden.


Auf dem Weg in Andrejs Wohnung reden wir nicht viel. Es ist, als ob wir unsere Konfrontation übereinstimmend verschieben, bis die Kampfarena erreicht ist. Andrej fährt keinen französischen Wagen, sondern einen deutschen. Also ist er doch nicht so durch und durch Franzose. Aber es ist ein Wagen, der mir auch gefallen würde, wenn ich noch ein Mensch wäre. Als Vampirin ist man aber noch schnellere Autos gewöhnt, schließlich will man sich während der Fahrt nicht langweilen.

Meine Sinne sind voll auf Andrej eingestellt. Ich spüre seine innere Spannung, irgendetwas, worauf er höchst erwartungsvoll entgegenfiebert. Vielleicht habe ich ihn doch ein wenig ins Wanken gebracht und er fragt sich heimlich, ob sein Weltbild wirklich standhalten kann gegen das, was ich ihm zeigen werde. Ich könnte ihm versichern, dass das nicht der Fall sein wird, aber ich lasse ihn seine Spannung verbergen. Ein Mann hat schließlich seinen Stolz.

Seine Wohnung entpuppt sich als eine gemütlich eingerichtete Einliegerwohnung mit separatem Eingang. Alles ist aufgeräumt und sauber, obwohl Andrej nicht hatte wissen können, dass er heute Abend noch Besuch bekommt. Von einer kleinen Diele mit einer Garderobennische geht eine funktionell ausgestattete Küche und ein Wohnzimmer ab. Das Wohnzimmer besteht hauptsächlich aus Bücherregalen, einem recht großen Fernseher und einer mehrsitzigen Sofagarnitur. In dem Regal gibt es ein Brett, das nur mit Photographien belegt ist. Nachdenklich betrachte ich die Bilder, unter denen auch ein Bild von Valerie dabei ist. Die Fotos deuten darauf hin, dass Andrej seine Familie sehr wichtig ist, ein weiterer Punkt, der für eine Verbindung mit Valerie spricht.

«Deine Eltern und Brüder?» frage ich.

Andrej hat seinen Mantel abgelegt und ist hinter mich getreten. Sein Puls scheint schneller zu gehen als vorhin, zumindest kann ich ihn genau wahrnehmen, seine innere Anspannung hat zugenommen. Die Stunde der Wahrheit nähert sich.

«Ja.»

Andrejs Stimme klingt so rau, dass ich die Stirn runzle und mich umdrehe. Seine Augen glühen fast und sind unverwandt auf mich gerichtet. Was hat er?

«Willst du jetzt die Beweise sehen?»

Er schweigt zuerst, so dass ich fast den Eindruck habe, als hätte er mich nicht gehört. Ich will meine Frage gerade wiederholen, da scheint er aus tiefen Gedanken aufzutauchen.

«Warum machst du das?»

«Was?»

«Diese Sache mit den übernatürlichen Wesen. Weißt du nicht, dass du hinreißend aussiehst. Du hast solchen Klamauk nicht nötig, um die Aufmerksamkeit eines Mannes auf dich zu lenken.»

Er glaubt, ich würde das alles veranstalten, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen? So ein Bastard. Was bildet der sich nur ein? Glühender Zorn steigt in mir hoch.

«Was in drei Teufels Namen fällt dir ein?»

Mit einer kleinen Bewegung ist sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt. Sein Geruch erinnert mich an Maschinen, an einen rassigen Motor, an Geschwindigkeit und Schönheit, die einem den Puls in die Höhe jagen. Plötzlich wird mir bewusst, dass sich sein Körper fast an meinen anschmiegt und ich mit dem Rücken zu dem Regal stehe. Wäre ich ein Mensch, wäre ich zwischen ihm und dem Regal gefangen.

«Ich weiß nicht, was mir einfällt. In deiner Nähe setzt mein Denken vollkommen aus.» flüstert er in mein Ohr. Ein Schauder der Erregung fährt meinen Rücken entlang. Irgendwie fühle ich mich vollkommen gelähmt, obwohl ich doch das stärkste Wesen der Erde bin. Andrej nutzt meine Schwäche gnadenlos aus. Er umfängt mich und nimmt meinen willenlosen Mund mit einem glühenden Kuss in Besitz.

Ich will ihn von mir stoßen, ihm eine Ohrfeige geben, dass ihm die Ohren klingeln, mit einer kleinen Bewegung meines Knies seinen Unterleib lahmlegen. Aber plötzlich bekommt er unerwarteten Beistand. Feuer rast durch meine Adern, Gier schlägt in mir hoch und meine Vampirin erhebt sich mit einem Rauschen meines Blutes. Sie kommt noch nicht völlig hervor, aber sie hält mich zurück, verhindert, dass ich irgendetwas tue, während Andrej mich mit Küssen überhäuft und mit seinen Händen über meinen Körper, über meinen Po und in Richtung meiner Brüste streicht.

Ich öffne den Mund, um ihn zurückzupfeifen, ihm zu sagen, dass er aufhören soll, aber ich bekomme keinen Ton heraus. Lediglich ein Stöhnen entkommt meiner Kehle. Das ermutigt Andrej noch weiter. Mit einer geschickten Bewegung schiebt er das Kleid von meinen Schultern, so dass mein BH offen zu sehen ist. Aber der ist auch kein Hindernis und ehe ich mir mit meinen eingefrorenen Gedanken klar machen kann, was er vorhat, befinden sich meine aufgerichteten Brustwarzen schon in seinem Mund.

Der Schock, der durch meinen Körper rast, überwältigt mich. Ich bin wie ein kleines Boot in einem heulenden Sturm. Das fühlt sich so, so richtig an. So soll es ein, das ist die Art und Weise, die ich brauche, um Blut zu trinken. Während ich völlig die Kontrolle verliere und wir beide wie Tiere übereinander herfallen, bringt mich alleine der Gedanke an sein köstliches Blut beinahe zum Höhepunkt. Ich kann nichts, rein gar nichts tun, um das, was jetzt kommt, aufzuhalten.

Auch Andrej ist wie im Rausch. Die Erregung und Gier reißt ihn mit, lässt ihn keinen Moment zögern. Doch dann blickt er einmal auf und muss erkennen, wie sehr er sich geirrt hat. Meine Vampirin ist inzwischen voll herausgekommen und als er mein Gesicht sieht, weiten sich seine Augen in Schock und Entsetzen. Aber auch er kann da bereits nichts mehr tun, meine Vampirin hat die Situation völlig unter Kontrolle. Meine Zähne graben sich in seinen Hals, sein Körper versteift sich in einem lustvollen Stöhnen, sein Blut rinnt meine Kehle hinunter und es lässt die Energie in mir explodieren.


Als es vorbei ist, zieht sich meine Vampirin zufrieden schnurrend zurück und lässt mich wieder an das Steuer meines Körpers. Irgendwie sind wir auf den Sofas gelandet. Schwer atmend löse ich mich von Andrej, aber ich bin vollkommen unfähig, etwas zu sagen. Was gibt es auch zu sagen, nach so einem Wahnsinn? Was habe ich da bloß gemacht? Wie konnte es nur dazu kommen? Ich wollte ihn doch nur davon überzeugen, dass Vampire Realität sind, ich wollte ihm mein verwandeltes Gesicht zeigen, ihm einen kleinen Schrecken einjagen.

Aber so etwas?

Das hatte ich nicht geplant, das war einfach nur – absoluter Irrsinn. Nun ja, meine Zähne habe ich ihm gezeigt und von der Wirkung hat er wohl auch genug mitbekommen, dass er jetzt Valerie endlich glauben wird. Aber wenn Val das erfährt, dann kauft die sich als erstes einen richtig spitzen Holzpflock. Und Pierre? Oh Gott Pierre. Ich habe nicht eine Sekunde an Pierre gedacht. Was habe ich getan? Was habe ich bloß getan?

Eine Bewegung reißt mich aus meinen Gedanken. Andrej ist aufgesprungen und zu einer Schublade gelaufen. Dort reißt er etwas heraus und bevor ich erkennen kann, was das ist, blicke ich in die Mündung einer Pistole. Eine Mündung, die bedenklich zittert, so dass ich bezweifle, dass er mich treffen würde, selbst wenn er versuchen würde zu schießen.

«Verdammt, verdammt. Was bist du?»

Seine Stimme zeigt, dass ihm alle Souveränität abhandengekommen ist. Unglaube und Entsetzen schwingt darin, es ist die Stimme eines Mannes, der gerade den Boden unter den Füßen verloren hat. Bevor er in seinem Schock noch Dummheiten machen kann, springe ich mit vampirischer Geschwindigkeit auf, entwinde ihm seine Waffe und halte ihn fest. Ich bin so schnell, dass er zuerst nicht reagieren kann, dann zuckt er zusammen und versucht, mich wegzustoßen, aber ich halte ihn mühelos fest. Er spannt seine Muskeln an, windet sich und will meinem Griff entkommen, aber vergeblich, ich bin zu stark für ihn und lasse ihn das auch deutlich merken.

«Ich habe dir doch gesagt, was ich bin.» raune ich in sein Ohr. «Mit so einer lächerlichen Waffe kannst du mich nicht töten, höchstens ärgerlich machen. Und glaub mir, du willst nicht, dass ich ärgerlich werde.»

Andrej will toben, um sich schlagen, schreien, aber er ist hilflos, wie ein Kind. Ich halte ihn fest, bis er sich einigermaßen beruhigt hat, dann lasse ich ihn los. Schnell krabbelt er in die hinterste Ecke des Sofas, umfasst seine Knie und starrt mich mit aufgerissenen Augen an. Wieso kann er die Wahrheit nicht so ertragen, wie ich damals? Auch ich wurde von Pierre auf die direkte Art in die übernatürliche Welt eingeführt, aber ich habe mich anschließend nicht so angestellt. Seufzend mache ich mich daran, mich wieder einigermaßen ordentlich zu bekleiden.

«Ich glaube, ich gehe jetzt lieber. Das Ganze hier ist etwas außer Kontrolle geraten. Ich hoffe, du glaubst Valerie jetzt endlich. Ich würde dir aber raten, Val nicht zu erzählen, wie handfest ich dich überzeugen musste. Valerie könnte sehr ärgerlich werden und das wäre mir unangenehm.»

Andrej sagt nichts, er beobachtet mich lediglich mit Augen, als befürchte er, ich könnte mich jeden Augenblick in ein Monster verwandeln. Besser gesagt, wieder in ein Monster verwandeln. Seine Reaktion enttäuscht mich. Aber eigentlich ist das nun egal. Er gehört zu Valerie und das ist auch gut so.

«Auf Wiedersehen, Andrej» sage ich noch, bevor ich durch die Tür nach draußen gehe. Er gibt keine Antwort und ich mache mich auf den Weg zu meinem Hotel.

Blutgefährtin 3

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