Читать книгу Buddenbrooks - Thomas Mann - Страница 6

Drittes Kapitel

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Der jüngere Hausherr hatte, als der allgemeine Aufbruch begann, mit der Hand nach der linken Brustseite gegriffen, wo ein Papier knisterte, das gesellschaftliche Lächeln war plötzlich von seinem Gesicht verschwunden, um einem gespannten und besorgten Ausdruck Platz zu machen, und an seinen Schläfen spielten, als ob er die Zähne aufeinander bisse, ein paar Muskeln. Nur zum Schein machte er einige Schritte dem Speisesaale zu, dann aber hielt er sich zurück und suchte mit den Augen seine Mutter, die als eine der letzten, an der Seite Pastor Wunderlichs, die Schwelle überschreiten wollte.

»Pardon, lieber Herr Pastor … Auf zwei Worte, Mama!« Und während der Pastor ihm munter zunickte, nötigte Konsul Buddenbrook die alte Dame ins Landschaftszimmer zurück und zum Fenster.

»Es ist, um kurz zu sein, ein Brief von Gotthold gekommen«, sagte er rasch und leise, indem er in ihre fragenden, dunklen Augen sah und das gefaltete und versiegelte Papier aus der Tasche zog. »Das ist seine Handschrift … Es ist das dritte Schreiben, und nur das erste hat Papa ihm beantwortet … Was machen? Es ist schon um zwei Uhr angekommen, und ich hätte es dem Vater längst einhändigen müssen, aber sollte ich ihm heute die Stimmung verderben? Was sagen Sie? Es ist immer noch Zeit, ihn herauszubitten …«

»Nein, du hast recht, Jean, warte damit!« sagte Madame Buddenbrook und erfaßte nach ihrer Gewohnheit mit einer schnellen Bewegung den Arm ihres Sohnes. »Was soll darin stehen!« fügte sie bekümmert hinzu. »Er gibt nicht nach, der Junge. Er kapriziert sich auf diese Entschädigungssumme für den Anteil am Hause … Nein, nein, Jean, noch nicht jetzt … Heute abend vielleicht, vorm Zubettegehen …«

»Was tun?« wiederholte der Konsul, indem er den gesenkten Kopf schüttelte. »Ich selbst habe Papa oft genug bitten wollen, nachzugeben … Es soll nicht aussehen, als ob ich, der Stiefbruder, mich bei den Eltern eingenistet hätte und gegen Gotthold intrigierte … auch dem Vater gegenüber muß ich den Anschein dieser Rolle vermeiden. Aber wenn ich ehrlich sein soll … ich bin schließlich Associé. Und dann bezahlen Bethsy und ich vorläufig eine ganz normale Miete für den zweiten Stock … Was meine Schwester in Frankfurt betrifft, nun, so ist die Sache arrangiert. Ihr Mann bekommt schon jetzt, bei Papas Lebzeiten, eine Abstandssumme, ein Viertel bloß von der Hauskaufsumme … Das ist ein vorteilhaftes Geschäft, das Papa sehr glatt und gut erledigt hat, und das im Sinne der Firma höchst erfreulich ist. Und wenn Papa sich Gotthold gegenüber so ganz abweisend verhält, so ist das …«

»Nein, Unsinn, Jean, dein Verhältnis zur Sache ist doch wohl klar. Aber Gotthold glaubt, daß ich, seine Stiefmutter, nur für meine eigenen Kinder sorge und ihm seinen Vater geflissentlich entfremde. Das ist das Traurige …«

»Aber es ist seine Schuld!« rief der Konsul beinahe laut und mäßigte dann seine Stimme mit einem Blick nach dem Speisesaal. »Es ist seine Schuld, dies traurige Verhältnis! Urteilen Sie selbst! Warum konnte er nicht vernünftig sein! Warum mußte er diese Demoiselle Stüwing heiraten und den … Laden …« Der Konsul lachte ärgerlich und verlegen bei diesem Worte. »Es ist eine Schwäche, Vaters Widerwille gegen den Laden; aber Gotthold hätte diese kleine Eitelkeit respektieren müssen …«

»Ach, Jean, das beste wäre, Papa gäbe nach!«

»Aber kann ich denn dazu raten?« flüsterte der Konsul mit einer erregten Handbewegung nach der Stirn. »Ich bin persönlich interessiert, und deshalb müßte ich sagen: Vater, bezahle. Aber ich bin auch Associé, ich habe die Interessen der Firma zu vertreten, und wenn Papa nicht glaubt, einem ungehorsamen und rebellischen Sohn gegenüber die Verpflichtung zu haben, dem Betriebskapital die Summe zu entziehen … Es handelt sich um mehr als elftausend Kuranttaler. Das ist gutes Geld … Nein, nein, ich kann nicht zuraten … aber auch nicht abraten. Ich will nichts davon wissen. Nur die Szene mit Papa ist mir désagréable …«

»Abends spät, Jean. Komm nun, man wartet …«

Der Konsul barg das Papier in der Brusttasche, bot seiner Mutter den Arm, und nebeneinander überschritten sie die Schwelle zum hellerleuchteten Speisesaal, wo die Gesellschaft mit der Placierung um die lange Tafel soeben fertiggeworden war.

Aus dem himmelblauen Hintergrund der Tapeten traten zwischen schlanken Säulen weiße Götterbilder fast plastisch hervor. Die schweren roten Fenstervorhänge waren geschlossen, und in jedem Winkel des Zimmers brannten auf einem hohen, vergoldeten Kandelaber acht Kerzen, abgesehen von denen, die in silbernen Armleuchtern auf der Tafel standen. Über dem massigen Büfett, dem Landschaftszimmer gegenüber, hing ein umfangreiches Gemälde, ein italienischer Golf, dessen blaudunstiger Ton in dieser Beleuchtung außerordentlich wirksam war. Mächtige, steiflehnige Sofas in rotem Damast standen an den Wänden.

Es war jede Spur von Besorgnis und Unruhe aus dem Gesicht Madame Buddenbrooks verschwunden, als sie sich, zwischen dem alten Kröger, der an der Fensterseite präsidierte, und Pastor Wunderlich niederließ.

»Bon appétit!« sagte sie mit ihrem kurzen, raschen, herzlichen Kopfnicken, indem sie einen schnellen Blick über die ganze Tafel bis zu den Kindern hinuntergleiten ließ …

Buddenbrooks

Подняться наверх