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1 Die Bedeutung der Wissenschaftsethik

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Die Wissenschaftsethik ist ein Teilbereich der Wissenschaftsphilosophie: Als praktische Wissenschaftsphilosophie macht sie zusammen mit der theoretischen Wissenschaftsphilosophie, die manchmal auch als Wissenschaftstheorie bezeichnet wird, das Fach Wissenschaftsphilosophie aus (Reydon und Hoyningen-Huene, 2011, S. 131–132). Sie ist ein Teilbereich der akademischen Philosophie, und ihre Ziele, ihre Arbeitsweise und ihre Ergebnisse müssen dementsprechend verstanden werden. Als geisteswissenschaftliches Fach verfolgt die Wissenschaftsethik ihre eigenen Fragestellungen und Ziele und sollte nicht primär als Hilfswissenschaft bzw. Dienstleistungsbereich für die übrigen Wissenschaften verstanden werden, obwohl sie durchaus für die anderen Wissenschaften relevante und brauchbare Ergebnisse erzielen kann. Die Frage nach der Bedeutung der Wissenschaftsethik – die Frage danach, was den Themen- und Problembereich ausmacht, mit dem sich die Wissenschaftsethik befasst; danach, was die Wissenschaftsethik leisten kann bzw. leisten soll; und danach, für wen die Wissenschaftsethik überhaupt etwas leisten soll und kann – muss demnach im Kontext der allgemeinen Frage erörtert werden, was die Geisteswissenschaften überhaupt leisten können und sollen. Nun ist dies eine Frage, die weder pauschal für die Geisteswissenschaften noch für den spezifischeren Bereich der Philosophie befriedigend beantwortet werden kann, da sowohl die Geisteswissenschaften als auch die Philosophie extrem diverse Arbeitsbereiche sind und die unterschiedlichsten Projekte umfassen.

So befasst sich die Philosophie u. a. mit der Gesellschaft und ihren Strukturen, der Politik, dem guten Leben, der Richtigkeit und Falschheit von Handlungen, der Natur des Menschen, der Natur des Bewusstseins und der Verbindung zwischen Geist und Körper, der Beschaffenheit der Welt, der Theorie des gültigen Schließens und Argumentierens, dem Wesen von Kunstwerken, der Verlässlichkeit unseres Wissens über die Welt und mit noch vielen anderen Themen – und eben auch mit dem Phänomen Wissenschaft. Außerdem stellen sich Philosophen zu diesen höchst unterschiedlichen Themen sehr unterschiedliche Fragen und haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was es genau für ein „Produkt“ ist, dass sie mit ihrer Arbeit hervorbringen. Die Diversität der Teilbereiche der Philosophie und ihrer Bezugsfelder, Themen, Probleme, Ansätze, Herangehensweisen usw. lässt sogar die Frage aufkommen, ob die gegenwärtige Philosophie als solche überhaupt als ein Fach gesehen werden kann.

Solche Überlegungen zum Wesen der Philosophie, zu ihrem Ziel und zur Natur der von ihr erzielten Ergebnisse sind Gegenstand der so genannten Metaphilosophie. Die Metaphilosophie, die selbst ein Teilgebiet der Philosophie ist, tritt gleichsam als Wissenschaftsphilosophie der Philosophie auf.1 Sie stellt Fragen, wie: Was sind Aufgabe und Ziel der Philosophie? Was ist ihr Nutzen? Gibt es eine etablierte philosophische Methode bzw. gibt es für die philosophische Forschung spezifische methodische Vorgehensweisen? Was für Wissen liefert uns die Philosophie? Liefert sie überhaupt Wissen oder sind ihre Ergebnisse einer anderen Natur? Eindeutige Antworten auf diese Fragen gibt es jedoch nicht: Sogar auf eine anscheinend sehr einfache Frage zu ihrem eigenen Beruf – Was ist Philosophie überhaupt? – geben professionelle Philosophen oft sehr unterschiedliche Antworten (siehe dazu Edmonds und Warburton, 2010, S. xiii-xxiv). Die vielleicht beste, interessanteste und auf jeden Fall meist zitierte Antwort auf diesen Fragenkomplex stammt von dem Philosophen Wilfrid Sellars, der in einem Aufsatz mit dem Titel „Philosophy and the scientific image of man“ schreibt: „Das Ziel der Philosophie, abstrakt formuliert, ist es, zu verstehen, wie Dinge (im breitmöglichsten Sinne des Begriffs) zusammenhängen (im breitmöglichsten Sinne des Begriffs)“ (Sellars, 1962, S. 37; eigene Übersetzung). Diese Aussage gibt durchaus eine gute Beschreibung des Projekts der Philosophie – und dennoch bleibt für Außenseiter völlig unklar, was Philosophen eigentlich machen.

Dieser kleine Exkurs zur Natur der Philosophie sollte verdeutlichen, dass sich Fragen nach der Zielsetzung der Wissenschaftsethik, nach den möglichen Ergebnissen der Arbeit von Wissenschaftsethikern, nach deren Nutzen, nach der Bedeutung der Wissenschaftsethik usw. nicht eindeutig beantworten lassen – genauso wenig, wie sie für die Philosophie überhaupt eindeutig zu beantworten sind. Als Teilbereich der Philosophie kann die Wissenschaftsethik unterschiedliche Projekte beinhalten, die für unterschiedliche Gruppen von unterschiedlicher Bedeutung sein können. Dennoch sollen in diesem Kapitel die Fragen erörtert werden, was die Wissenschaftsethik beinhaltet und was ihre verschiedenen „Kundengruppen“, darunter insbesondere Naturwissenschaftler, von ihr erwarten können und was nicht.

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