Читать книгу Tamora & Violett - Das Hurenhaus - Thomas Riedel, Susann Smith - Страница 8
ОглавлениеKapitel 5
Zwei Wochen später überraschte seine Lordschaft Violett und Tamora mit einer Einladung übers Wochenende auf seinen Landsitz nahe ›Tintagel‹, der sie nur zu gern gefolgt waren.
Tamora hatte mit ihrer Königin einen herrlichen Tag verbracht – lang, heiß und sonnensatt. Nachdem sie kräftig in die Keltische See an der Nordküste Cornwalls hinausgeschwommen war, ließ sie sich selig im Auf und Ab der Wellen treiben und schaute hinüber zum Strand, eine Klippenbiegung wie eine Sichel aus Felsen und davor ein breiter sauber Bogen aus Sand, wo sich ihre Verlobte auf einem riesigen Badehandtuch räkelte.
Der Strand war nicht allzu überfüllt. Jetzt, im September, war die Urlaubssaison nicht mehr auf dem Höhepunkt, wenngleich es noch angenehm war und auch zum Baden einlud. Die sonst so weit verbreiteten Farbtupfer hatten abgenommen, und nur wenige Badetücher und gestreifte Windschutzschirme, Kinder in knalligen Badeanzügen, Sonnenschirme und riesige aufblasbare Schwimmutensilien waren zu sehen.
Dafür aber kreisten und schrien die Möwen, saßen auf den Klippen, stießen sich herab und verschlangen die wenigen Speisereste, die im Sand zurückgeblieben waren. Ihre Schreie passten zu den wenigen menschlichen Rufen, die über die Entfernung hinweg die Luft durchdrangen. Da waren einige Jungs die Fußball spielten, ein paar Mütter, die ungezogene Kleinkinder anschrien, das glückliche Gekreische eines Mädchens, das von einem Jungen belagert wurde, der so tat, als würde er es ertränken.
Erst hatte das Meer eisig auf Tamora gewirkt, aber das Schwimmen hatte ihren Kreislauf in Gang gebracht, und jetzt spürte sie nur eine wunderbare, belebende salzige Kühle. Sie schaute zum wolkenlosen Himmel auf, und dabei hatte sie nichts im Kopf außer der Vollkommenheit des Augenblicks.
Ich bin jetzt achtundzwanzig, rief sie sich ins Gedächtnis, ein Alter in dem die meisten die wirklich wunderbaren Augenblicke gar nicht richtig zu schätzen wissen, und schon gar nicht die, die das Leben noch mit sich bringen wird. Sie war rundum glücklich. Seit sie Violett kannte, hatte das Glück in einer wahren Ekstase zugeschlagen, und sie genoss jede Sekunde dieses Lebens mit ihrer Königin, der Frau an ihrer Seite, die sie so unendlich liebte.
Von der Bewegung des Meeres eingelullt wie in einer Wiege ließ sie sich von der hereinkommenden Flut sanft ans Ufer spülen. Jetzt sammelten die Wellen ihre schwachen Kräfte und kräuselten sich zu flachen Brechern. Tamoras Hand berührte den Sand. Noch eine Welle, und sie lag am Strand, ließ die Flut über ihren Körper strömen, und nach der Tiefe, in der sie geschwommen war, empfand sie das Wasser jetzt sogar als extrem warm.
Das war's, dachte sie bei sich, wir müssen gleich los. Seine Lordschaft wartet sicher schon auf uns. Sie stand auf und lief über den weichen feinen Sand hinüber, wo Violett sich gerade mit den Ellenbogen abstützte und ihr lächelnd entgegensah.
»Na, mein süßer Wassergeist?«
»Gut, dass du nicht Meerjungfrau gesagt hast«, grinste Tamora, während sie nach ihrem Handtuch griff, um sich trocken zu rubbeln.
»Warum?«
»Von wegen Jungfrau!« Sie lachte laut auf. Dann ging sie in die Hocke und gab ihrer Königin einen liebevollen Kuss auf die Wange. »Die bin ich ja schon lange nicht mehr!«
»Wir sollten uns auf den Weg machen. Seine Lordschaft erwartet uns.« Violett erhob sich ebenfalls, schlüpfte in ihren seidigen Bademantel und reichte ihrer Prinzessin den anderen. Lächelnd sah sie Tamora dabei zu, wie diese sich den Gürtel zuband und in die Flip-Flops schlüpfte, ehe sie selbst die Badesachen in einer Umhängetasche verstaute.
Arm in Arm machten sie sich auf den langen Weg zu dem schmalen Pfad, der die Klippen hinauf zum Parkplatz führte.
Es war inzwischen fast sechs Uhr geworden. Einige der verstreuten Urlauber packten ebenfalls ihre Sachen zusammen, während die Kinder widerwillig protestierten und vor Müdigkeit und zu viel Sonne brüllten. Ein paar von ihnen waren von der Herbstsonne schon gut gebräunt, aber andere, die Neuankömmlinge, die nicht aufgepasst hatten, sahen wie gekochte Hummer aus und hatten ein paar Tage voller Schmerzen und sich schälender Haut vor sich, ehe sie sich wieder ins Freie wagen konnten.
»Die lernen es nicht mehr«, bemerkte Tamora kopfschüttelnd.
»Lass' sie doch«, erwiderte Violett, die ihre Prinzessin jetzt fest an der Hand hielt. »Ist doch eh immer wieder das gleiche: Dann sitzen sie halt einige Stunden beim Arzt herum, mit ihren feuerroten Gesichtern und Blasen auf den Rücken.« Sie klopfte vergnügt auf die Tasche an ihrer Schulter. »Wir haben aufgepasst. Ich habe kein Interesse an einer frühen Hautalterung. Du ja wohl auch nicht, oder?«
Tamora schüttelte heftig den Kopf. »Macht sich in unserem Job auch nicht gut … eine Schrumpelhure, die will doch keiner.« Sie lachte ansteckend.
Der Klippenpfad war steil. Oben angekommen blieben die beiden stehen, um etwas Luft zu schöpfen. Hand in Hand drehten sie sich herum und warfen einen Blick zurück auf das Meer, eingerahmt von zwei Felsbastionen. Am sandigen Ufer glich das Meer Violetts Augenfarbe. Es war grün wie Jade. Und weiter draußen entsprach das tiefe Indigoblau Tamoras Iris. Der Horizont war lavendelblau und der Himmel azur.
Eine junge Familie holte sie ein. Der Vater trug das Kleinkind, die Mutter zerrte den Älteren an der Hand. Er war in Tränen aufgelöst. »Ich will morgen nicht nach Hause. Ich will noch eine Woche hierbleiben. Ich will immer hierbleiben.« Ich auch, dachte der Vater, als er Violett und Tamora mit begierigen Blicken musterte.
Tamora lächelte Violett süffisant an, als sie den missbilligenden Blick der genervten Frau sowohl ihrem Sohn als auch ihrem Gatten gegenüber auffing, dessen Augen sich gerade unverfroren durch den zarten Stoff ihrer knappen Stringtangas bohrte. Sie konnte sich gut in die etwas fülligere Mittvierzigerin hineinversetzen. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter früher gewesen war, wenn sie sich fest an ihre Hand geklammert hatte. Sie glaubte förmlich ihre Hand zu spüren, so weich und zart. Seien Sie nicht wütend auf ihn, hätte sie ihr am liebsten gesagt. Verderben Sie sich das nicht. Schneller als Sie glauben, wird er erwachsen sein und Sie haben ihn für immer verloren. Genießen Sie nur jeden flüchtigen Augenblick im Leben Ihres Kindes, auch wenn es Sie von Zeit zu Zeit in den Wahnsinn treibt. Das Leben kann oft so kurz sein. Sie zitterte ein wenig unter den Emotionen, die im Gedenken an ihre Eltern in ihr aufkamen.
»Ich will nicht nach Hause.« Das Geheul ging weiter. Nach einem abschließenden strafenden Blick, den die Frau an ihren Mann richtete, zog sie ein resignierendes Gesicht in Violetts und Tamoras Richtung.
Die beiden lächelten ironisch zurück, aber ihre zartfühlenden Herzen bluteten für die ganze Familie, die morgen das schöne Cornwall verlassen und die lange, langweilige Fahrt nach London machen musste, zu den Menschenmengen, gefüllten Straßen, Büros, zur Arbeit, zu Bussen und dem Geruch nach Benzinabgasen. Es wirkte furchtbar ungerecht, dass sie abreisen mussten, während sie beide bleiben durften. Und eigentlich hätten sie auch für immer hierbleiben können, wenn sie es denn nur wollten.
Als sie zu Violetts rotem Mustang Cabrio gingen, wünschte sich Tamora, dass das schöne Wetter noch ein wenig anhalten möge. Nur zu gern würde sie mit ihrer Königin morgen noch einmal hierher an den Strand oder je nach Wetterbericht auch gern nach ›Tremenheere‹, um sich die spektakulärste Gartenanlage Großbritanniens anzuschauen.
Immerhin hatte seine Lordschaft ihnen angeboten so lange zu bleiben, wie sie mochten, auch wenn er selbst am morgigen Tag mit seinem Diener George abreisen wollte, um sich auf die unvorstellbar lange Fahrt nach Schottland zu machen. »Die Lachse beißen jetzt ausgezeichnet«, hatte er sie mit einem zwinkernden Schmunzeln wissen lassen, »und es wird meinem alten George ebenso guttun wie mir.«
Aber vielleicht würde sie mit Violett auch im Bett frühstücken, nachdem sie sich geliebt hatten, und tagsüber friedlich und ungestört im parkähnlichen Garten liegen. Jede Menge Sex, ausruhen und erholen, grinste sie in sich hinein, und ein oder zwei Stunden an den Strand, sonnen und etwas schwimmen. Ja, das wäre schön.
Mit diesen Gedanken stieg sie zu ihrer Königin in den Sportwagen, dessen Ledersitze ordentlich heiß waren, obwohl sie das Cabriolet im spärlichen Schatten eines Hagedornbusches geparkt hatten. Immer noch im Bademantel und die frische Luft im feuchten Haar machten sie sich auf den Weg.
Von der Bucht aus steuerte Violett das ›Muscle-Car‹ bergauf und auf die Hauptstraße – durch ein Dorf und am Meer entlang. Eine Brücke überquerte die Bahnlinie, dann führte sie die Straße parallel zu den Gleisen in die Stadt.
Früher, so hatte ihnen seine Lordschaft erzählt, vor dem Krieg, habe es hier nur Ackerland gegeben, kleine Farmen, versteckte Dörfer und winzige Kirchen mit eckigen Türmen. Die Kirchen standen noch, aber die Felder, auf denen Brokkoli und Frühjahrskartoffeln gewachsen waren, hatten jetzt dem Fortschritt Platz gemacht. Ferienhäuser und Wohnblocks, Tankstellen und Supermärkte säumten die Straße.
Violett fuhr mit ihrer Prinzessin am Hubschrauberplatz vorbei, von dem aus die Scilly-Inseln angeflogen wurden, und dann an dem großen Tor eines Herrenhauses, das jetzt ein Hotel war. Früher hatten hier wohl einmal Bäume hinter dem Tor gestanden, aber sie waren gefällt worden und einem glitzernden blauen Swimmingpool gewichen.
Zwischen dem Hotel und dem Stadtrand bog eine Straße nach rechts ab, Richtung ›Penvarloe‹. Violett fuhr in diese Straße ein, weg vom Verkehrsstrom. Die Straße verengte sich zu einem Weg, von hohen Hecken gesäumt, und schlängelte sich den Berg hinauf. Sofort waren sie und ihre Prinzessin wieder in einer ländlichen, nahezu unberührten Gegend. Kleine, von Steinmauern umgebene Weiden, auf denen ›Guernsey-Rindern‹ grasten – eine milchbetonte Rasse mit blassen bis braunem Fell, die besonders bekannt für den außerordentlich guten Geschmack ihrer Milch waren und zudem für ihre Härte und Gutmütigkeit. Tiefe Täler, dunkel im Schatten dichter Wälder. Nach etwa einer Meile stieg die Straße steil an, und das Dorf ›Penvarloe‹ tauchte auf, winzige Cottages, an den Straßenrand gedrängt.
Violett fuhr am Pub mit seinem kopfsteingepflasterten Hof vorbei und an der Kirche aus dem zehnten Jahrhundert, eingebettet wie ein prähistorischer Felsen und umgeben von Eiben und uralten Gesteinen.
Das Dorfpostamt war gleichzeitig der Gemischtwarenladen, in dem während der Saison Gemüse, Limonaden, Tiefkühlkost und für die Gegend typisch, frischer Fisch verkauft wurde. Die offene Tür war von Obstkisten flankiert, und als Violett und Tamora mit dem Wagen näherkamen, trat eine schlanke Frau mit einem lockigen grauen Haarschopf heraus und winkte ihnen fröhlich zu.
»Lass' uns was einkaufen.« Tamora legte auffordernd ihre Hand auf Violetts Oberschenkel. »Ich habe große Lust für seine Lordschaft, George und uns etwas kochen.« Sie lächelte gewinnend. »Was meinst du?«
»Gern.« Violett lenkte den Mustang vor dem Geschäft in eine der freien Parkbuchten und hielt. »Hast du etwas Bestimmtes im Sinn?«
»Ich dachte an Fisch. Hier, so direkt am Meer … Lass' uns mal sehen, was vom heutigen Fang noch da ist.«
Wie sich herausstellte war die Frau die Inhaberin des Ladens. Trotz ihres bereits grauen Haares, ihrer faltigen, wettergegerbten Haut, den scharfen Winkeln der Wangenknochen und einem leicht erschlafften Kinn, wirkte sie in ihrer Art noch unglaublich jugendlich. Sie unterbrach ihre Arbeit und schob ihre Sonnenbrille hoch ins Haar. Sie hatte einen hellgrünen, transparenten Lidschatten aufgetragen, ihre Brauen waren makellos in Form gezupft und ihre erstaunlich großen Augen von stark getuschten Wimpern gesäumt. Nachdem sie Violetts amerikanischem Sportwagen jetzt eingehender betrachtet und das Londoner Kennzeichen bemerkt hatte, sah sie die beiden fragend an. »Kann ich etwas für Sie tun?«
Tamora lächelte höflich. »Wir kommen nicht von hier, würden aber gern ein wenig frischen Fisch kaufen. Haben Sie noch welchen von heute?«
Die Frau nickte freundlich. »Es ist zwar nicht mehr allzu viel, aber Scholle, Seeteufel und etwas Steinbutt ist noch da. Aber vielleicht dürfen es auch Krabben oder Hummer sein?«
»Seeteufel wäre klasse. Ich dachte daran, gefüllte Paprika mit Spinat und Seeteufel zu machen.«
»Paprika und Spinat habe ich auch«, schmunzelte die Frau und schritt in den Laden, während Violett und Tamora ihr folgten. »Da werden Sie aber auch Zwiebeln, Basilikum, Petersilie, Gemüsebrühe und ein paar Eier brauchen.«
Tamora nickte.
»Für wieviel Personen soll es denn sein«, erkundigte sich die Grauhaarige und legte bereits ein erstes Stück Fischfilet auf die Waage.
»Vier.«
»Gut«, lächelte sie und verpackte den Seeteufel, ehe sie die anderen Zutaten zusammensuchte und vor die beiden auf den Tresen legte. »Das dürfte dann alles sein. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«
Tamora sah Violett an. »Brauchen wir sonst noch etwas?«
»Klar, zwei Flaschen guten Wein.«
»Viele Weißweine habe ich leider nicht«, bedauerte die Geschäftsinhaberin. »Aber diesen hier kann ich durchaus empfehlen.« Sie hielt Violett eine Flasche ›Arrogant Frog‹ entgegen. »Ist ein britischer Wein und passt mit seiner fruchtigen Note gut zu Fisch.«
»Dann nehmen wir den«, entschied Violett und holte ihre Geldbörse hervor.
*
Keine zehn Minuten später hatten sie den Einkauf auf dem Rücksitz verstaut und fuhren nach etwa hundert Yards Entfernung vom letzten Cottage am Garten von ›Tremenheere‹ entlang. Jetzt war es nicht weit.
Hinter einer umfassenden Steinmauer standen dichte Rhododendronbüsche. Das Tor stand offen, und die Einfahrt bog um eine Azaleenrabatte herum und endete vor einer viktorianischen Villa in aufgeschüttetem Kies. Das Gebäude war solide errichtet, mit unzähligen Zimmern, einem Wintergarten, einem Stall für vier Pferde und weiten Koppeln. Die Fassade überwuchert von lilafarbenen Glyzinien, die Ende August ihr zweites Aufblühen erlebten, ein großer Rasen mit einer Zeder in der Mitte und zahlreichen recht hübschen, altmodischen, überwachsenen Rosenbüschen. Der Schatten der Zeder lag um diese Stunde bereits schwarz auf dem Rasen, aber dafür dufteten die voll erblühten Rosen wundervoll in der nun etwas kühler werdenden Abendluft. Über der zur Seite befindlichen Terrasse war eine Markise aufgespannt und beschattete eine Gruppe von Gartenstühlen, während George im Haus selbst, wohl wegen der Frische, bereits alle Vorhänge zugezogen hatte. Dadurch wirkte die Villa irgendwie leer und die Fenster gerade so als wären sie die Augen eines Blinden.
Violett parkte den Mustang im gesprenkelten Schatten einer jungen Weißbirke. Mit einem strahlenden Lächeln sah sie ihre Prinzessin an, die bereits ausgestiegen und um den Wagen herumgelaufen war, nur um ihr wieder einmal den Verschlag zu öffnen. Dabei hielt sie sich mit einer Hand an der offenen Tür fest und streckte ihr die andere entgegen, um ihr den beim Aussteigen erforderlichen Halt zu geben. »Wenn ich bitten darf, Mylady« Dabei deutete sie einen Knicks an und grinste frech, wie es ihre Art war, wenn sie wieder einmal den Schalk im Nacken hatte.
»Fängst du schon wieder an wie vor dem Brautmodengeschäft, meine Süße?«, suchte Violett eine gewisse Strenge zu zeigen. Wie süß du bist, wenn du so darauf bist, dachte sie dabei, gefolgt von: »Wir wollen uns doch nicht bei seiner Lordschaft blamieren, oder?« Sie warf ihr einen strafenden Blick zu. »Denk' dran, wenn du nicht brav bist, muss ich dich bestrafen! Du kennst deine Rolle, oder muss ich dir die immer noch beibringen?«, ermahnte sie ihre Freundin.
»Nein, natürlich nicht, Herrin!« Tamora senkte devot den Kopf. Aber du liebst meine leicht überdrehte Art. Ich weiß es. Sie grinste in sich hinein. Und schließlich muss ich dir ja irgendeinen Anlass geben, sonst wäre es ja langweilig!
»Na, geht doch!«, lobte Violett, neben ihrer Verlobten stehend. »Wenn du dich zusammenreißt, na …, vielleicht belohne ich dich dann ja noch am Ende des Abends?«
Tamora wäre ihr dafür am liebsten um den Hals gefallen, hielt ihren Kopf aber weiter gesenkt. Erst als Violett sie anstupste um sich zur Tür aufzumachen, bot sie ihr ihren Arm an, damit sie sich bei ihr unterhaken konnte. Eine kleine Spitze, die sie sich einfach nicht verkneifen konnte und keck grinsen ließ.
Violett lachte hell auf und ergab sich ihrem Schicksal. »Glaubst du, dass du mir das als deine Herrin schuldig bist? Also du …« Ihr Satz brach ab, denn in diesem Moment hatte sich ihr rechter Flip-Flop derart ins Kiesbett geschoben, dass ihr Fuß eine unnatürliche Haltung einnahm. Im ersten Augenblick verspürte sie nichts, aber sie kam aus dem Gleichgewicht und griff schnell nach Tamoras dargebotenen Arm, um ihren Sturz zu verhindern. »Oh, Fuck!«, fluchte sie wenig ladylike. »In High Heels mit Mörderabsätzen ist mir sowas noch nie passiert. Kaum trage ich diesen blöden Latschen, da breche ich mir am Ende noch den Fuß!« Sie ärgerte sich über ihre Ungeschicklichkeit.
»Vio! Ist alles okay?«, fragte Tamora sofort besorgt nach. »Hast du dir wehgetan?«
»Nein, ich hab' nichts! Du hast mich ja glücklicherweise aufgefangen«, versuchte sie zu lächeln. »Und jetzt lass' uns duschen gehen, damit wir mit dem Kochen anfangen können!«, dirigierte sie ihre Prinzessin in Richtung Haus. Aber schon bei der ersten Belastung des Fußes spürte sie den heftigen Schmerz. Sie verzog leicht das Gesicht und versuchte es vor ihrer Geliebten zu verbergen.
»Du hast doch was, Vio!«, reagierte Tamora aber prompt. Ihr war der leicht schmerzverzerrte Zug um Violetts Lippen nicht entgangen. »Tut dir der Fuß weh?«
»Ach, Tammy, Süße. Ist nicht so schlimm, hab' mich nur vertreten«, spielte sie den Schmerz herunter. »Ich lauf einfach ein bisschen langsamer, setz' mich gleich mal auf unser Bett und dann schauen wir weiter.«
»Meinst du?«, hakte Tamora ungläubig nach.
Violett blieb ihr die Antwort schuldig, denn in diesem Augenblick war George in der Auffahrt erschiene und sah sie fragend an. »Miss Tamora, Miss Violett, ist alles Ordnung?«
»Ja« und »Nein«, antworten Violett und Tamora gleichzeitig. Dann sahen sie sich kurz an und fochten ein kleines Duell mit ihren Blicken aus – das Tamora am Ende gewann, die sich um ihre Geliebte sorgte. »Sie hat sich den Fuß verknackst, kann nicht richtig auftreten und will es nicht zugeben«, klärte sie die Situation. »Würden Sie mir bitte helfen sie zu stützen und mit ins Haus zu bringen, George?«, bat sie den Diener seiner Lordschaft um Hilfe, ohne auf den gefährlich funkelnden Blick ihrer Freundin einzugehen.
»Aber selbstverständlich, Miss Tamora!« Mit eiligen Schritten kam er auf sie zu, wobei er einen flüchtigen Blick auf Violetts Füße warf. »Aber Ihr Fuß, Miss Violett, er beginnt anzuschwellen. So können Sie unmöglich laufen«, erklärte er umgehend. »Bitte verzeihen Sie mir meinen Vorstoß!« Ohne auf eine Reaktion zu warten beugte er sich vor, legte Violett einen Arm unter die Knie und den anderen um die Schulter. Dann hob er sie sanft an und hielt sie behutsam auf seinen Armen.
»Aber, … George!«, reagierte Violett überrascht. »Was tun Sie denn da? Ich kann laufen! Lassen Sie mich auf der Stelle wieder runter!«, verlangte sie von ihm, hielt sich aber gleichzeitig, wie sich selbst widersprechend, mit einem Arm an ihm fest.
»Es tut mir aufrichtig leid, das sagen zu müssen, aber ich habe den Auftrag seiner Lordschaft, mich um ihr leibliches Wohl zu sorgen«, entgegnete er lächelnd. »Und ein solches Vorkommnis darf ich selbstverständlich nicht unbeachtet lassen. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ihr Fuß versorgt und begutachtet werden muss, Miss Violett. Anschließend sehen wir weiter«, erklärte er ihr sein Dilemma. »Und jetzt strampeln Sie bitte nicht weiter herum. Es wäre nicht im Sinne ihres zukünftigen Adoptivvaters, wenn ich sie unbeabsichtigt fallen lasse.«
»Sei doch froh, Vio! So wirst du mal real auf Händen getragen. Ich kann dir auf diese Weise nur im Traum huldigen«, kommentierte Tamora spitz, was ihr einen strengen, missbilligenden Blick ihrer Königin bescherte, der klar besagte: »Bist du vollkommen übergeschnappt? Du hast gerade die rote Linie überschritten, und glaub' mir, meine Süße, das gibt noch Ärger!« Aber Tamora ignorierte die unausgesprochene Rüge und wandte sich wieder George zu. »Ich wusste gar nicht, dass Sie so stark sind …« Sie schenkte ihm einen lasziven Augenaufschlag und bemerkte provozierend noch: »Richtig sexy ist das!«
»Sollte ich mich jetzt an dieser Stelle bedanken, Miss Tamora?« Er deutete mit seinem Blick auf Violett in seinen Armen. »Ich bin leider etwas indisponiert, wie Sie ja sehen. Würden Sie mir freundlicherweise die Tür öffnen.«
»Oh, aber natürlich!« Tamora eilte auf die Eingangstür zu und hielt sie für die beiden auf.
George bewegte sich mit seiner kostbaren Fracht geschickt um jede Ecke, wie ein Schlachtschiff, das jede Sandbank kannte und als gefährliche Mine betrachtete, die es zu umschiffen galt. »Möchten Sie, dass ich Sie in den Salon trage, Miss Violett?«, erkundigte er sich höflich.
»Nein, George«, widersprach Tamora, »bringen Sie sie bitte gleich auf unser Zimmer. So kann sie sich direkt hinlegen und ihren Fuß schonen.«
»Ganz wie Sie wünschen, Miss!« Er nickte und wandte sich der Treppe in die obere Etage zu.
»Wie wäre es, wenn ihr nicht so einen Wirbel wegen meinem blöden Fuß machen würdet?!«, echauffierte sich Violett jetzt, die es nicht gewohnt war, derart umsorgt zu werden. »Also wirklich! … Ich bin doch kein zerbrechliches Porzellanpüppchen!«
Aber sie kam mit ihrem Einspruch nicht weit, denn George ignorierte sie stoisch und schritt mit kräftigen, ausholenden Schritten die dunklen Stufen aus Mahagoniholz hinauf – direkt zu ihrem Zimmer, während ihre Verlobte voranging und bereits die Tür öffnete.
Vorsichtig beugte sich George am Bett vor und legte seine Schutzbefohlene sanft darauf ab. »Wenn es mir gestattet ist, Miss Violett, so möchte ich mir ihren Fuß gern anschauen?«, bemerkte er anschließend respektvoll.
»Wenn es sich nicht vermeiden lässt«, knurrte Violett stinkig und ließ ihn gewähren. Sie spürte die seidige wohltuende Kühle der perfekt drapierten Tagesdecke an ihrem Knöchel, die sie kurz wohlig aufstöhnen ließ. Doch dann wechselte das Gefühl und sie spürte die ausstrahlende Wärme ihres Fußes.
»Er ist leicht angeschwollenen«, konstatierte George. »Ich müsste ihn einmal durchbewegen, um zu sehen, ob es nur eine leichte Bänderdehnung ist oder vielleicht mehr.« Er sah sie fragend an. »Erlauben Sie?«
»So wie ich das sehe, habe ich hier doch eh nichts mehr zu sagen«, grollte Violett und nickte zustimmend.
Tamora hatte am Kopfende des Bettes neben ihrer Königin Platz genommen und hielt besorgt deren Hand. Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass es ihrer Vio schlecht ging.
Mit sanftem Griff hob George Violetts Fuß an. Dann tastete er die angeschwollene Stelle ab und bewegte das Gelenk ein wenig.
Kaum hatte er damit begonnen, musste Violett mehrmals tief ein- und ausatmen. Sie versuchte jede allzu deutliche Reaktion zu vermeiden, aber es gelang ihr nicht den beiden etwas vorzumachen.
Tamora vertraute auf Georges Meinung. Sie hatte den Eindruck, dass er so eine Verletzung nicht zum ersten Mal begutachtete.
»Ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie sich den Fuß verstaucht haben, Miss Violett«, begann George mit seinem Befund. »Wenn Sie ihn die nächsten Tage ordentlich schonen, werden Sie schon bald wir Ihre entzückenden Schuhe tragen können. Aber bis dahin werden Sie ihn brav hochlagern, kühlen und nur leicht belasten.« Er warf ihr einen bestimmenden Blick zu, in dem aber auch all seine ehrlich empfundene Anteilnahme lag. »Sollte es wider erwartend schlimmer werden, empfehle ich eindringlich einen Arzt hinzuziehen.«
»Danke, George, das werde ich«, erwiderte Violett. »Und machen Sie sich bitte keine Vorwürfe, schließlich können Sie ja nichts für mein dummes Missgeschick.« Sie fasste ihn am Arm und drückte ihn dankbar.
»Ich werde Ihnen einen Imbiss vorbereiten und aufs Zimmer bringen, Miss Violett«, bot er dienstbeflissen an.
»Das ist nicht nötig, George. Wir haben für das Abendessen eingekauft … Und keine Widerrede, … von keinem von euch beiden!« Damit machte sie dem bereits offensichtlichen Widerspruch direkt ein Ende, der sich bereits auf Georges und Tamoras Gesicht abzeichnete. »Wenn Sie bitte so gut sind und die Lebensmittel aus dem Wagen zu holen und in die Küche bringen, George. Meine Verlobte und ich möchten uns derweil frisch machen und etwas herrichten. Wir kommen dann nach unten. Ich verspreche auch, dass ich vorsichtig bin. Ich werde meinen Fuß auch hochlegen, und wenn Sie wollen, dürfen Sie ihn weitergehend versorgen.« Sie sah die beiden mit aufblitzenden Augen an und fügte scharf hinzu: »Aber ich werde auf keinen Fall, nur damit das klar ist, hier auf dem Zimmer liegen und mich bedienen lassen, wie eine Sterbenskranke, die ich in keiner Weise bin! Verstanden?!«
Tamora grinste George an. Sie wussten beide, dass Violett wieder zu alter Höchstform zurückgefunden hatte.
»Dann werde ich jetzt die Sachen aus dem Wagen holen«, entschuldigte sich George, um Violetts Anweisung nachzukommen.
Auch Tamora erhob sich. »So, dann will ich mal sehen, wie ich dich heil unter die Dusche bekomme«, meinte sie lächelnd. »Aber dazu muss ich dich erst einmal ausziehen, nicht wahr?«
»Boah! Wenn ihr beide wüsstet, was ihr mich gerade könnt …!«, vernahm George noch Violetts warnende Stimme, bevor er die Tür mit einem Schmunzeln hinter sich ins Schloss zog.
*
Nachdem George die Lebensmittel geholt und auf der großen marmornen Arbeitsfläche der Küche ausgebreitet hatte, stellte er den Wein vorsorglich in den Weinkühlschrank, um ihn auf die gewünschte Temperatur zu bringen. Er hatte gerade das Putzen, wie auch Waschen des Spinats und anschließende Abtropfen hinter sich gebracht, als er sich nähernde Schritte hörte.
»Hör endlich damit auf, mich wie eine Invalidin zu behandeln, Tammy!«, regte sich Violett lautstark über ihre, sie bemutternde Verlobte auf. »Sonst hol' ich die Gerte aus dem Auto und zeig' dir, wer von uns beiden das Sagen hat! Ich schwöre dir, danach brennt dir dein süßer Arsch tagelang, so sehr werde ich dich verdreschen!«
»Oh, jaaaa, Vio, unbedingt! Wie geil!«, spöttelte Tamora grinsend. Dann wurde sie aber gleich wieder ernst und drohte ihrerseits: »Du schaffst es doch allein gar nicht zum Wagen! Dein Fuß würde dir so schmerzen, wenn du über den Kies läufst! Willst du das wirklich? Sind es genau die Schmerzen, die du jetzt brauchst, damit du dich wieder stark fühlst?«, brachte Tamora erbost vor. »Du sollst nicht so viel laufen. Sonst hole ich George, und der trägt dich wieder! … Außerdem musst du uns nichts beweisen! Ich weiß ja, dass du dich verletzlich fühlst. Aber keiner hier im Haus, wird dir deswegen weniger Respekt zollen, wenn du dir mal helfen lässt. Und wenn du nicht gleich aufhörst, dich wie eine störrische Ziege aufzuführen, werde ich richtig böse! Hast du mich verstanden?! Denn ich kann die Gerte jederzeit mit Leichtigkeit aus dem Mustang holen!« Sie gab ihr einen heftigen, laut klatschenden Schlag mit der flachen Hand auf den Hintern, das klare Rollenverhältnis übergehend, und wohlwissend, dass sie dafür noch von ihrer Königin zur Rechenschaft gezogen würde. Damit war das Thema für sie beendet.
Gleich darauf öffnete sich die weite Schwingtür.
George wandte sich den beiden zu. »Ich habe mir bereits erlaubt den Spinat vorzubereiten, meine Damen«, erklärte er lächelnd. »Und für Sie, Miss Violett steht schon ein Stuhl bereit.« Er deutete auf das Möbel und den Hocker, den er vor die Arbeitsfläche gestellt hatte. »Wenn Sie sich also bitte setzen würden, damit ich ein Kühlpack holen und auflegen kann?«
»Danke, George«, lächelte Violett ihn an, nahm Platz, worauf er ihr keine halbe Minute später einen medizinischen Eisbeutel auf den Knöchel legte.
»So, George, dann wollen wir zusammen das Essen zubereiten.« Tamora schaute über die Zutaten und warf dann ihrer Freundin, die auf der gegenüberliegenden Seite der Kücheninsel saß einen besänftigenden Blick zu. Dann formte sie ihre Lippen zu einem Kussmund und hauchte ihr die liebevolle Geste entgegen.
Violett hatte die aufrichtige Sorge um sie in Tamoras Augen bemerkt. Sie konnte und wollte ihr deswegen nicht böse sein. Lachend fing sie den imaginären Kuss aus der Luft. »Ich liebe dich auch«, raunte sie ihr zu, worauf ihre Geliebte mädchenhaft kicherte und sich George zuwandte, der neben sie getreten war.
»Wir machen jetzt gefüllte Paprika mit Spinat und Seeteufel. Den Spinat haben Sie ja bereits vorbereitet.« Sie lächelte. »Ist es denkbar, dass ich den Fisch in ihre geschickten Hände gebe?«
George schmunzelte. »Sehr gern, Miss Tamora.«
»Gut. Der muss in mundgerechte Würfel geschnitten werden. Da ich weiß, dass Sie und seine Lordschaft passionierte Angler sind, … wer wäre dazu besser geeignet.« Sie hakte sich bei ihm kameradschaftlich für einen Moment ein. »Und ich werde die Paprikas aushöhlen.«
»So werden wir es machen, Miss Tamora«, bestätigte George und zog den Fisch zu sich heran.
»Ach, George, es wäre mir recht, wenn Sie mich schlicht Tamora nennen würden. Bitte!«, neckte sie ihn, nach altbewährtem Spiel.
»Dieser Bitte kann ich leider nicht nachkommen, Miss Tamora!«, erklärte er mit Nachdruck. Dann wusch er mit geschickten Handgriffen den Fisch und zerschnitt ihn in kleine Würfel.
»Wo ist eigentlich seine Lordschaft, George?«, intervenierte Violett.
»Er hat sich ein wenig zurückgezogen«, antwortete George. »Aber wird zum Dinner wieder pünktlich zu uns stoßen. Einige dringende geschäftliche Angelegenheiten sind uns leider bis nach Cornwall gefolgt.«
»Ach, da erinnern Sie mich an etwas.«, wandte sich Tamora an ihre Freundin, während sie die bearbeiteten Paprikas in kochendem Wasser badete. »Ich habe die Tage ein paar Mal versucht Klaas Bertus zu erreichen.«
»Ja, und?«
»Wir sollten, sobald wir wieder in London sind bei ihm vorbeischauen. Er hat von mir zwei neue Drehbücher bekommen und braucht wohl noch eins. Da scheint es im Augenblick auf Hochtouren zu laufen. Und ich habe die Mail von Sarah gelesen, die du sicher auch gesehen hast, nach der das zur Verfügung stehende Budget nicht ausgereizt wird.«
»Ist doch prima!«
»Ja, natürlich.« Sie lächelte. »Aber ich hätte da so einige Ideen, wie wir das ungenutzte Geld investieren könnten.«
»Oh nein, Tammy!« Violett hob abwehrend die Hände hoch. »Das macht mir inzwischen echt Angst, wenn du so anfängst! Reicht dir noch nicht, dass du einen eigenen BDSM-Club auf unserem Geländer errichten darfst? Fühlt dich das etwa noch nicht aus, bei all der anderen Arbeit?«
»Ach, komm schon. Das meinst du nicht ernst«, gab Tamora zurück, der das leise Lachen von George nicht entgangen war. »Ich dachte da an einen ›Greenscreen‹. Das gäbe uns sehr viel mehr künstlerische Möglichkeiten. So etwas nutzt unsere Konkurrenz nicht, wie ich herausgefunden habe.« Tamora war jetzt ganz in ihrem Element. »Wenn ich an all die Ideen denke, die wir damit verwirklichen könnten. Und was den Club angeht, sind wir doch immer noch am Anfang. Wir haben ja noch nicht mal die Baugenehmigungen durch.« Sie schob George wortlos die Zwiebeln zu, um sie schneiden zu lassen, gefolgt von Basilikum und Petersilie. Dabei war ihr entgangen, dass ihr Adoptivvater in spe die Küche betreten hatte.
»Ihr beide scheint mit eurer Filmerei genau den richtigen geschäftlichen Schritt gemacht zu haben. Und ich bin schon sehr gespannt wie dieser Club wird. Ich hoffe, George und ich werden zur Eröffnung eingeladen!?«, stellte er sachlich fest. »Aber zurück zu den Filmen: Ist euer Studio überhaupt groß genug? Ich kenne die Immobilie und für eine solche Expansion ist sie meines Erachtens zu klein«, brachte er sich grußlos direkt ins Gespräch ein.
»Ja, darüber haben wir auch schon nachgedacht«, räumte Violett ein. »Aber uns gefällt die Idee nicht, wieder entsprechende Räume anmieten zu müssen. Uns schwebt da eher eine langfristige Lösung vor, die auch weitere Expansionen ermöglicht.«, Mit einem Grinsen ergänzte sie: »Und bei der Eröffnung des Clubs seid ihr beide doch Ehrengäste! Wir werden euch sicher ein unvergessliches Programm liefern!«
Mit einem süffisanten Grinsen war das Thema des Clubs für seine Lordschaft beendet. Dann informierte er seine baldigen Adoptivtöchter über Dinge, die er hatte in Erfahrung bringen können: »Ich weiß zufällig, dass das eurem Wohnsitz gegenüberliegende Grundstück bald verfügbar ist.« Er lächelte gewinnend. »Der dortige Großfarmer will die Landwirtschaft an den Nagel hängen, in den Ruhestand gehen und das Land verkaufen. Er hat keine Nachfolger und ich kann meinen Einfluss geltend machen, … auch was eine mögliche Nutzungsänderung und Bebauung anbelangt«, eröffnete er ihnen eine völlig neue Perspektive.
Tamora, die nach verstrichenen fünf Minuten die Paprikas wieder aus dem Wasser geholt hatte, hörte ihm aufmerksam zu. Jetzt stellte sie eine Pfanne auf den Herd und erhitzte darin etwas Olivenöl. Es machte ihr sichtlich Freude mit George Hand in Hand zu arbeiten, der ihr bereits die geschnittenen Zwiebeln und den Spinat hineingab. »Weißt du, Vio, das wäre doch perfekt«, stellte sie fest. »Ist doch wie mit den restlichen Wohnungen in meinem alten Apartmenthaus, die wir samt Nebengebäude gekauft haben. Nur so konnten wir unseren Traum von einem eigenen Bordell verwirklichen.« Sie zeigte sich ganz entzückt über diese glückliche Fügung.
»Ich gebe ja zu, dass es nicht schlecht klingt. Aber dazu müssten wir vorab den Preis kennen und uns über die Erschließungs- und Bebauungskosten einen Überblick verschaffen. Eine verlockende Idee ist es jedenfalls, alles so dicht beieinander zu haben. Das erleichtert uns die Tagesgeschäfte besser im Auge zu behalten«, erwärmte sich nun auch Violett für die Idee.
Inzwischen war der Spinat in der Pfanne zerfallen und es wurde für Tamora Zeit die Kräuter hinzuzugeben und das Ganze mit etwas Salz und Pfeffer zu würzen. Nach ein paar Wendungen mit dem Küchenhelfer, gab sie den Fisch hinzu und hob ihn unter. Dann goss sie den Pfanneninhalt in ein Sieb und ließ die Masse gut abtropfen, wobei sie den Sud auffing.
George, der zwischenzeitlich einen Achtelliter Brühe aufgesetzt hatte, befüllte nun mit ihr die Paprikas mit der Spinat-Fisch-Masse und schloss diese mit dem von Tamora abgetrennten Deckeln, bevor er sie in eine ofenfeste Form setzte. Dann sah er ihr dabei zu, wie sie die erhitzte Brühe hinzugab.
»So, jetzt müssen die kleinen Schätzchen noch bei hundertfünfundsiebzig Grad für eine Viertelstunde in den Ofen«, erklärte Tamora zufrieden für alle Anwesenden.
»Dann werde ich für euch mal die Lage sondieren«, setzte seine Lordschaft das Gespräch fort. Er freute sich, für seine beiden zukünftigen Töchter etwas tun können. »Bezüglich der Adoption habe ich für euch beide auch noch eine Neuigkeit aus dem Büro des Lordkanzlers.«
Violett und Tamora sahen ihn neugierig an.
»Er ist die einzige Instanz, die Einspruch hätte erheben können.« Um die Lippen seiner Lordschaft zeichnete sich ein sehr zufriedenes Lächeln ab. »Er hat gerade persönlich gesprochen mit mir und ließ mich wissen, dass dies nicht der Fall ist«, informierte er sie und setzte sich an Violetts Seite. »Was ist dir denn passiert?«, erkundigte er sich besorgt, als er das Kühlpack auf ihrem Knöchel bemerkte.
»Ach, nichts weiter … Ich habe mir nur den Fuß etwas verdreht. Aber George hat mich fachmännisch versorgt und beide bemuttern mich seitdem wie zwei Glucken«, berichtete sie mit einem breiten Grinsen.
»Ja, das kann er gut, der alte Georg! Wir beide haben einfach Zuviel beim Militär zusammen durchgemacht, nicht wahr, George?« Er blickte seinen alten Kampfgefährten an.
»Sie kennen sich vom Militär?«, zeigte sich Tamora interessiert, während Violett zwischen den beiden Männern fasziniert hin- und herschaute.
»Was meinst du, George, mein alter Freund, wollen wir den jungen Damen unsere Geschichte erzählen?«, erkundigte er sich lächelnd.
George zuckte kurz mit der Schulter und konzentrierte sich auf das Herrichten des Abendessens.
»Na, dann würde ich vorschlagen, dass wir uns zu Tisch begeben, Violett«, meinte der Lord. »Und unsere beiden Gourmetköche können in Ruhe weiterarbeiten.«
»Sehr gern«, erwiderte sie und erhob sich unter den besorgten Blicken aller, die sie natürlich zu ignorieren wusste. Dann hakte sie sich am Arm seiner Lordschaft ein, der sie zu Tisch führte.
George war ihnen mit dem Hocker gefolgt, schob ihn Violett zurecht und bedeutete ihr mit einem Blick, ihren Fuß wieder hochzulegen. »Ich bringe Ihnen gleich noch einen frisches Kühlpack, Miss Violett.«
Tamora hatte inzwischen das Spinatwasser, Eigelb und die restliche Brühe in einer Schüssel im Wasserbad gegeben und alles schaumig geschlagen. Dann meldete ein Piepen des Ofens, dass die Paprikas fertig waren.
George, der wieder zurück in der Küche war, nahm die heiße Form heraus und stellte sie vor sich auf der Kücheninsel ab, während Tamora die aufgeschlagene Flüssigkeit vom Wasserbad nahm.
Gemeinsam richteten sie lächelnd die Teller an und servierten das Essen an dem großen viktorianischen Tisch im Esszimmer. Tamora holte noch vier Gläser aus der Anrichte und überließ George das kredenzen des einfachen Weißweins. Dann setzte er sich neben ihr nieder und ließ sein Glas dem seiner Lordschaft folgen, der zu einem ›Toast‹ ansetzte.
Sie waren noch mit dem Essen beschäftigt, als der Lord zu erzählen begann, Georges und seine Erinnerungen für seine beiden zukünftigen Töchter wiederaufleben ließ.
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