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Kapitel 6

Professor van den Broek stand vor dem Spiegel des Ankleidezimmers. Umständlich band er sich die Krawatte. Wieder und wieder schlang er den Knoten, der ihm nicht vollkommen genug erscheinen wollte. Zwischendurch musterte er, jeden unbeobachteten Augenblick nutzend, den hinter ihm im Boudoir hantierenden Mann. Es war sein Diener James.

Endlich schien ihm der Knoten zu genügen. Mit einer modellierenden Handbewegung drückte er ihn in Form. Dann presste er mit einer leichten Handbewegung die weichen, weißen Haarwellen an den Schläfen nieder.

»Geben Sie mir bitte die schweinsledernen Handschuhe und das ›Eau de Toilette‹«, sagte er dabei mit leiser, angenehmer Stimme.

James half dem alten Herrn in Weste und Cutaway. Nachdem er die gewünschten Handschuhe auf den Toilettentisch gelegt hatte, griff er nach einer neuen Flasche Duftwasser von ›Roger & Gallett‹.

»Aber doch keine neue Flasche, James!«, bemerkte der Professor ermahnend. »Geben Sie mir die von gestern, bitte!«

»Die ist leer, Herr Professor!«, entgegnete der Diener und hielt die neue Flasche unentschlossen in der Hand.

Professor van den Broek schloss den letzten Westenknopf und entfaltete das auf dem Toilettentisch bereitgelegte Taschentuch. Ungläubig verwundert sah er seinen Diener an.

»Aber Sie haben die Flasche doch erst gestern geöffnet, James, oder irre mich?«

Der Diener machte ein gekränktes Gesicht.

»Herr Professor werden doch damit nicht andeuten wollen, dass ich …«, antwortete er würdevoll.

»Ich wollte Sie nicht kränken, James. Durchaus nicht.«

James öffnete die Flasche und reichte sie dem Professor. Van den Broek träufelte ein paar Tropfen des ›Eau de Toilette‹ auf das Taschentuch und befeuchtete sich mit ein paar weiteren Tropfen das Innere seiner Handflächen.

Der Diener sah ihm dabei zu, nahm ihm die Flasche ab und machte diskrete Anstalten zu Sprechen. Kaum merklich räusperte er sich und hielt zögernd inne.

»Nun?« Der alte Herr blickte den Diener ermunternd an, während er die befeuchteten Handflächen langsam gegeneinander rieb. »Sie wollten etwas sagen?«

»Herr Professor«, der Diener machte eine leichte Verbeugung, »Sie werden mir verzeihen, wenn ich mir eine Bemerkung erlaube …, aber dieses ›Eau de Toilette‹ …, Mister Sullivan war heute morgen …«

Professor van den Broek lächelte ungläubig.

»Sullivan? … Nein … Der würde niemals …«

»Verzeihen Sie, Herr Professor. Ich habe erst seit kurzer Zeit die Ehre, in Ihren Diensten zu stehen, und es ist unter diesen Umständen vielleicht besser …«

Der alte Herr wurde ungeduldig.

»Jetzt belassen Sie es nicht bei vagen Andeutungen! Ich schätze es, wenn man offen und ehrlich zu mir spricht. Ich engagierte Sie, weil mir Ihr freimütiges Gesicht gefiel, James … nur deshalb. Also! Wenn Sie mir also etwas zu sagen haben, dann frei heraus damit.«

James legte seine glatt rasierten Wangen in korrekte Falten und machte eine neuerliche Verbeugung.

»Ich danke Ihnen, Herr Professor! … Herr Professor, ich war lange in Schottland als Kammerdiener tätig, ehe ich nach London kam … Und bei uns in Schottland habe ich es nie erlebt, dass sich ein Angestellter erlaubt hätte, das ›Eau de Toilette‹ der Herrschaften zu benutzen, den Whisky der Herrschaft zu trinken, oder gar die Zigarren des Herrn zu rauchen …«

»Dann leben in Schottland also lauter Engel!«, schmunzelte der alte Herr. »Und Sie wollen damit sagen, dass Sullivan dem nicht entspricht.«

»Genau das wollte ich damit zum Ausdruck, Herr Professor!«

Van den Broek nahm die Handschuhe auf und lachte herzlich.

»Ja, Sullivan ist eben ein Feinschmecker, James. Aber wir wollen ihm deswegen aber nicht böse sein.«

James konnte seine Entrüstung nicht verbergen. Er hatte ja schon so einiges bemerkt, und hätte gern so viel mehr gesagt, aber die gute Laune des Professors schien ihm nicht der richtige Augenblick.

»Mister Sullivan ist nicht ehrlich, Herr Professor!«, bemerkte er deshalb abschließend.

»Na, na!« Professor van den Broek zog die Handschuhe über. »Lassen wir es dabei«, meinte er gutmütig. »Wir sind gewarnt, James, und wir können uns danach richten! … Sehen Sie ihm nur auch weiterhin auf die Finger. Ich bin nicht mehr jung, und wenn man sich in meinem Alter an einen Menschen gewöhnt hat, dann mag man ihn schwer entbehren. Sullivan hat sich in all den Jahren, seit er in meinen Diensten steht, nichts zuschulden kommen lassen. Hoffen wir, dass es bei Whisky und Zigarren bleibt … Eine gute Zigarre und ein Schluck alter Whisky ist, ich gebe es unumwunden zu, sicherlich verlockend.«

Zwar nahm James die Worte des Professors schweigend zur Kenntnis, aber seinen Entschluss hatte bereits getroffen: In Zukunft würde er die Augen offen halten. Er hatte keinerlei Vertrauen zu diesem Sullivan, und wenn schon jemand Zigarren stahl und vom Whisky mittrank, dann wollte er es sein, und nicht dieser ihm höchst unsympathische Sekretär. Hier war er der Hahn im Korb und keiner anderer. So hatte er es in Schottland gehalten, und so würde er es auch hier halten – lieb gewordene Gewohnheiten legte man schließlich nicht einfach so ab.

Flanagan

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