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Kapitel 7

Seit der Tragödie mit der ›Coronation‹ waren fünfzehn Jahre vergangen. Trinidad, der östlichen Nordküste von Venezuela vorgelagert, und zwar jenem Teil des Festlandes, wo sich der Orinoko in die Karibische See ergießt, war 1762 immer noch spanische Kolonie. Aber die südlichste und zugleich größte Insel der Kleinen Antillen, war weit davon entfernt, ganz unter dem Einfluss des Neuspanischen Königreiches zu stehen. Daran hatte auch der vor zwei Jahren zum Vizekönig ernannte, ehemalige Oberfehlshaber der spanischen Mittelmeerflotte, Generalleutnant Pedro Messía de la Cerda, 5ter Marqués de la Vega de Armijo, nichts ändern können.

Noch vor achtzig Jahren waren hier Piraten, Freibeuter, Bukaniere und Filibuster die eigentlichen Herren gewesen. Sie hatten die Seewege beherrscht. Nicht selten hatten sie sogar die befestigten Küsten- und Inselplätze angegriffen. Einige Male schafften sie es sogar ganze englische, spanische oder portugiesische Flotten zu vernichten. Doch von dieser fraglichen Herrlichkeit, die nichts anderes gewesen war als eine Gewaltherrschaft gemeiner Verbrecher, war jetzt nicht mehr viel zu spüren. Zwar hielten sich immer noch einige Bukaniere in Westindien auf, aber sie führten längst das Leben Gehetzter und Geächteter. Sie konnten sich glücklich schätzen, wenn sie hier oder dort noch eine bescheidene Basis fanden.

Ein solcher Stützpunkt befand sich damals an der wild zerklüfteten Nordwestküste der Insel Trinidad, unweit der späteren Hauptstadt ›Port of Spain‹. Dort hatte sich vor Jahrzehnten Miguel Álvarez de Cardenas y Allende Vater angesiedelt. Nach seinem Tod hatte ›El Manco‹ die Festung ›Maracas‹ übernommen.

1762 war ›Maracas‹ durch seine mehr als günstige Lage immer noch das Dorado blutgieriger Bukaniere. Die aus Holzhütten bestehende Siedlung wurde von einer kleinen, gutarmierten Festung auf einem felsigen Hügel überragt. Am Fuße dieser Festung lag das Südufer mit einer etwa anderthalb Meilen langen und fast so breiten Bucht. Diese Bucht besaß nach Norden nur eine schmale Ausfahrt zum Karibischen Meer, gerade breit und tief genug, um ein Vollschiff durchzulassen.

In den zurückliegenden Jahrzehnten hatten die Spanier immer versucht, ›Maracas‹ zu erobern und das Räubernest auszuräuchern. Allerdings hatten sie dabei jedes Mal eine Niederlage erlitten und sich blutige Köpfe geholt. Ein einziges Schiff reichte aus, um die Einfahrt mühelos zu verteidigen. Es war in der Lage sich selbst gegen eine ganze Flotte zu halten. Wenn sich ein vorwitziger spanischer Capitán zu nahe an die Einfahrt heranwagte, geriet er direkt in das Feuer der gut positionierten Festungsgeschütze und gab seine Absicht recht schnell wieder auf.

Ein Angriff zu Wasser war also praktisch unmöglich und ein Ansturm zu Lande von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn die Insel war mit undurchdringlichem Urwald bewachsen. Dort standen unter anderem Bananenbäume, Kokospalmen und Zedern. Man hätte vielleicht in mühevoller Arbeit Schneisen in das Dickicht schlagen können, und man hatte es auch tatsächlich bereits versucht, aber letztlich war man nicht wirklich weitergekommen. Außer Affen, Ameisen, Faul- und Beuteltieren gab es dort auch höchst angriffslustige Wildschweine und Schlangen. Besonders die Schlangen waren von den Spaniern gefürchtet. Und als wenn das nicht bereits ausreichte: ein großer Teil des Gebietes bestand aus Sumpfseen, die alle miteinander verbunden waren und tausenden von Alligatoren als Zufluchtsstätte dienten. Nicht einmal die Piraten, die ›Maracas‹ seit ungezählten Dekaden bewohnten, wagten sich in dieses Gebiet vor. So oft auch einer der ihren den Held hatte spielen wollen und mutig in das Waldgebiet aufgebrochen war – er war nicht zurückgekehrt. Schlussendlich hatte ›El Manco‹ derartige Vorhaben bei schwerer Strafe verboten.

Die alles beherrschende Befestigung des Platzes war ein primitiv angelegtes Rundfort, dessen Fundament geräumige Höhlen enthielt, die als Verpflegungslager sowie Munitions- und Pulverkammern dienten. Darüber erhob sich ein Gewirr von Räumen, die ›El Manco‹ mit seiner Familie und seinen Unterführern bewohnte.

Über diesem Stockwerk waren die zwanzig Geschütze hinter yarddicken Mauern verbaut. Durch einen Schacht und einen primitiven Aufzug waren sie mit dem Munitionslager verbunden. Auf der Spitze des Turms befand sich ein Ausguck, der Tag und Nacht durch einen Vierfachposten besetzt war. So gesichert, glaubten sich die Piraten bis in alle Ewigkeit halten zu können.

*

Der März des Jahres 1762 war besonders heiß und unerträglich. Er gehörte zur hochsommerlichen Trockenperiode. Lediglich bei Nacht schufen die kühlenden Meereswinde ein erträgliches Klima, und deswegen hatte ›El Manco‹ eine kleine Siegesfeier auf die Nachtstunden verlegt. Etwa vor einer Woche hatte er mit seinen Schiffen ›Esperanza‹ und ›Canalegas‹ nach einem mehrere Monate dauernden Raubzug durch ganz Westindien wieder in ›Maracas‹ festgemacht und die reiche Beute verteilt. Jetzt wollte er sich mit seinen Männern wenigstens einige Wochen der Ruhe gönnen, bevor es auf einen neuen Raubzug gehen sollte.

Von den Hütten der Piraten am Fuß des Berges her drang wüstes Gegröle und Randalieren ins Fort hinauf. ›El Manco‹ selbst hatte sich mit seinen engsten Vertrauten in den großen Wohnraum zurückgezogen. Es war ein hinter dicken Mauern verborgenes Zimmer, in das durch scheibenlose Schießscharten erfrischende Winde eindringen konnten.

Der Raum war mit den besten und kostbarsten Beutestücken der letzten Jahrzehnte eingerichtet und vollkommen mit Holz vertäfelt. Hier waren kostbare Möbel aus Kapitänskajüten, Teppiche aus aller Herren Länder, goldene und silberne Kerzenkandelaber und allerfeinstes Geschirr aus Gold und getriebenen Silber zu finden.

Die letzten fünfzehn Jahre waren an ›El Manco‹ nicht spurlos vorübergegangen. Inzwischen hatte er seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert und wog gut einen halben Zentner mehr als zur Zeit seines Kampfes mit der ›Coronation‹. Von seinen damaligen engsten Vertrauten waren nur noch Ramon und ›Relámpago‹ am Leben. ›Pie Zopo‹ hatte sich schon vor vielen Jahren zu Tode getrunken.

Auch der fuchsgesichtige ›Relámpago‹ war reifer geworden. Lediglich an Ramon schienen die anderthalb Jahrzehnte spurlos vorübergegangen zu sein. Er war womöglich noch feiger, noch gemeiner und noch verschlagener geworden – nur gealtert war äußerlich nicht.

Auch Concepcion, ›El Mancos‹ Weib, und sein sechzehnjähriger Sohn Alejandro nahmen an dem Gelage teil. Trotz ihrer erst fünfundvierzig Jahre war Concepcion aufgeschwemmt. Sie wirkte verfallen und hatte sich zu einer richtig alten Hexe entwickelt. Zwei Jahrzehnte zuvor hatte der damals dreißigjährige ›El Manco‹ Concepcion, die auf einem portugiesischen Segler als Sklavin des Capitáns ein entwürdigendes Dasein geführt hatte, befreit. Später hatte er die bildschöne, schwarzhaarige Frau kurzentschlossen zu seiner Gemahlin gemacht. Doch wenngleich von ihrer rassigen Schönheit nichts mehr übrig war, war ihr ›El Manco‹ immer noch von Herzen zugetan und führte mit ihr eine gute Ehe.

Sein Sohn Alejandro war aus der Art geschlagen. Trotz seiner kaum sechzehn Jahre, war er ein vollentwickelter, breitschultriger Mann mit schmalen Hüften, einem offenen, interessanten Gesicht und dichtem, blonden Haar. Wer die Verhältnisse nicht kannte, hätte Alejandro niemals für eine Mischung aus Concepcions und ›El Mancos‹ Blut gehalten.

Die Männer tranken schweren Rotwein und Concepcion tat es ihnen gleich; daneben rauchte sie genauso gern ihre lange Pfeife wie ihr Mann, Ramon und ›Relámpago‹.

El Manco‹ fühlte sich wohl. Er kam ins Bramabrasieren – ins Angeben wie ein Sack Seife. Er erzählte von den schweren, entbehrungsreichen Monaten, die hinter ihnen lagen, und stellte mit Befriedigung fest, dass die Augen seines Sohnes wie gebannt an seinen Lippen hingen.

»Das nächste Mal darf ich mit!«, sagte Alejandro in eine kleine Pause hinein. Seine Augen waren dabei bettelnd auf seinen Vater gerichtet.

Ehe sich ›El Manco‹ dazu äußern konnte, ergriff Ramon das Wort. »Querido Dios, Capitán!«, begann er. »Er ist noch viel zu jung. Unser Handwerk ist etwas für wahre Männer … und nichts für Knaben!« Er war der einzige, der den jungen Alejandro nicht mochte, und äußerte sich abfällig oder spöttisch wann immer er nur konnte.

Alejandro lief rot an. »Spare dir deine Beleidigungen, Ramon«, gab er schneidend zurück, »sonst sehe ich mich genötigt, dir zu zeigen, wer hier der Herr ist … nach meinem Vater.«

Ramon beugte sich zurück und begann brüllend zu lachen, bis er sich verschluckte und zu ersticken drohte. »Vorsicht mit den Worten, ›Señor Capitán‹!«, fuhr er fort, wobei ihn noch immer ein hämisches Lachen schüttelte. »Mit Worten ist das so eine recht sonderbare Sache. Man kann sich dabei schnell um Kopf und …«

»Nur zu, Ramon!« In Alejandros Augen blitze es drohend auf. »Ich hätte nichts dagegen!« Er kleidete sich schon lange wie ein Schiffsoffizier und tat es damit seinem Vater gleich. Aber er bestach mehr durch Schlichtheit und die Wirkung seiner Persönlichkeit. Von Prunksucht und äußerem Luxus hielt er nicht viel.

»Wie wäre es mit einem kleinen Gang?«, fragte Ramon herausfordernd.

›El Manco‹ schrie erschrocken auf und musterte seinen Stellvertreter drohend, konnte aber nicht verhindern, dass die beiden Kampfhähne hitzig auffuhren: Ramon, der mehr durch Verschlagenheit, List und Tücke, als durch Mut glänzte, und der junge feurige Alejandro in seinen, wie er wähnte, heiligsten Gefühlen beleidigt. Sofort zogen beide blank.

›El Manco‹ wollte sich dazwischenwerfen, wurde aber von seinem Sohn zurechtgewiesen.

»Lass mich, Vater!«, rief er. In seinen Augen flackerte es gefährlich. »Ein Mann muss seine Ehre verteidigen, wenn sie angegriffen wird. Das sind deine eigenen Worte. Willst du dich selbst Lügen strafen?«

Noch einmal versuchte ›El Manco‹, der Ramons Tücke und Hinterlist kannte, das Schlimmste zu verhüten. Mahnend wandte er sich an seinen Stellvertreter: »Wenn es schon unumgänglich ist, bitte ich mir ein unblutiges Degengefecht aus! Man kann schließlich auch elegant fechten, ohne den anderen zu verwunden!«

»Mir soll es recht sein«, murmelte Ramon verschlagen.

»Aber mir ist das gar nicht recht!«, fuhr Alejandro voll flammender Empörung auf. »Von mir aus kann es um Leben und Tod gehen!«

›El Manco‹ lief vor Zorn blaurot an. Concepcion, die das Anzeichen richtig zu deuten wusste, sprang überraschend gelenkig auf und ging zu ihrem Mann hinüber. Sie nahm ihn umschlingend in den Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Es schien ›El Manco‹ zu überzeugen, denn er gab achselzuckend nach und lehnte sich entspannt zurück.

Die beiden Kampfhähne standen einander in der Mitte des großen Raumes gegenüber und salutierten kurz ihre Degen.

»Anfangen!«, hetzte ›Relámpago‹.

Sofort hob Ramon seinen Degen an, setzte sein vorderes Bein vor und streckte sein hinteres. Dann drang er mit einem ersten Ausfallschritt auf den Jungen ein.

Dieser parierte gewandt, gab sich aber keine Mühe seinerseits zurückzuschlagen, sondern beschränkte sich auf bloße Verteidigung.

Scheinbar mühelos konnte Ramon seinen Gegner durch den weiten Raum treiben, bis Alejandro endlich mit den Schultern gegen einen kostbaren Wandteppich lehnte und damit gefangen war. Wütend drang er weiter auf ihn ein. Zwar hatte er nicht die Absicht, ›El Mancos‹ Sohn ernstlich zu verwunden oder gar zu töten, aber er wollte ihm auf jedem Fall zeigen, wer der Herr über die Situation war und ihm eine derbe Lektion erteilen. Er geriet in Schweiß, während er mit heftigen Hieben auf seinen Gegner eindrang und musste nun zu seinem Erstaunen die Erfahrung machen, dass der seine Hiebe – saubere wie unsaubere – elegant und fast spielerisch parierte.

Alejandros Vater quollen vor Stolz beinahe die Augen aus den Höhlen. Fasziniert folgte er der vollendet ausgeführten Fechtkunst. Auch Concepcion stieß ein tiefes, zufriedenes Knurren aus. Nur sie allein wusste, in welch gute Schule ihr Sohn während der letzten Jahre gegangen war.

Längst war aus dem halben Spiel tödlicher Ernst geworden, denn Ramon schien jede Beherrschung und Überlegung verloren zu haben. Er vollführte einen Sprung mit folgendem Ausfall, um seinen Gegner durch eine ›Battuta‹ zu einer Reflexbewegung zu bewegen. Es folgte eine ›Konterparade‹ von Alejandro, und Ramon vollführte eine ›Riposte‹ – ›Ligade‹ – ›Doppel-Ligade‹ …

»So, mein junger Held!«, brüllte er mit sich vor Wut überschlagender Stimme. »Jetzt kannst du dich anstellen, wie du willst! Nun erhältst du einen Stich in den linken Oberarm!«

»Versuch es doch, Bocaza! Du Großmaul!«, grölte Alejandro und lachte voller Hohn dabei.

»Halt dein Maul!«, schrie ›Relámpago‹, der es plötzlich selbst mit der Angst zu tun bekam. »Großmäulige Reden während eines Kampfes sind wider die Regeln!«

Sofort verstummten beide Kämpfer, und sausende Hiebe prasselten auf Alejandro nieder. Ramon, der erfahrene Fechter, wollte den jungen Mann ermüden, um dann zum entscheidenden Streich auszuholen. Aber Alejandro war längst kein Junge mehr. Mit kluger Überlegung war er mit seinen Kräften haushaltend umgegangen und besaß gegenüber seinem Gegner noch genügend Reserven, seinerseits zum Angriff überzugehen. Wieder flackerte es in seinen Augen gefährlich. Seine Paraden wurden schärfer und schärfer. Wie sehr Ramon jetzt selbst in die Verteidigung geraten war, bemerkte er erst, als er plötzlich in der Mitte des Raumes stand, wohin ihn Alejandro getrieben hatte. Minuten später musste er schweratmend Rückendeckung an der Wand suchen.

Das Duell ging weiter.

Alejandro schlug eine Dublette glänzender Finten und Paraden. Er sprang einen Schritt zurück, senkte den Degen und brachte seinen Gegner dadurch für Bruchteile von Sekunden aus der Fassung – Es folgte ein ›Sforza‹! Auf der Stelle katapultierte er Ramon den Degen aus der Hand. Polternd fiel er einige Yards entfernt zu Boden, worauf Alejandro ritterlich einige Schritte zurücktrat. »Heb deinen Degen auf, Ramon!«, forderte er seinen Gegner auf. »Im Gegensatz zu dir kämpfe ich nicht gegen einen Wehrlosen!«

Ramon war einem Wutanfall nahe. Er atmete kurz und stoßweise. Fauchend schritt er an Alejandro vorbei, bückte sich und hob seine Waffe auf … und wollte blitzschnell, mit einem Schrei der Empörung, seinem ritterlichen Gegner in den Rücken fallen. Doch Alejandro hatte den Braten rechtzeitig gerochen. Er war herumgeschnellt und schlug ihm, mit einem einzigen, kräftigen Hieb, ein zweites Mal den Degen aus der Hand. Wieder senkte er seine Waffe, um seinem geschlagenen Gegnerüber abermals die Möglichkeit zu geben seine Klinge aufzuheben.

Wie zuvor dankte Ramon ihm die erneute Ritterlichkeit nicht. Er bückte sich, nahm mit der Rechten erneut den Degen auf und griff mit der Linken nach einem zufällig in Reichweite stehenden Schemel aus schwerem Teakholz. Ohne Vorwarnung schleuderte er ihn Alejandro auf Kopfhöhe entgegen. Aber der ging blitzschnell in die Hocke, und der Schemel flog über ihn hinweg. Er landete in einem kostbaren Spiegel aus geschliffenem Glas, das klirrend zerbarst. Jetzt hatte auch Alejandro von dem unfairen Kampf genug. Dank seiner Überlegenheit wäre es ihm ein Leichtes gewesen, Ramon zu verwunden oder gar zu töten – aber er verzichtete darauf und gab ihn dafür der allgemeinen Lächerlichkeit preis.

Erneut stellten sie sich zum Kampf auf, und wieder prallten die Klingen aufeinander. Ramon tat alles, um zu gewinnen – jetzt wollte er das Glück erzwingen.

Alejandro gab sich den Anschein, ermüdet zu sein und beschränkte sich minutenlang mit reiner Verteidigung. Dann, und für seinen Kontrahenten völlig unvermittelt, schlug er ihm ein drittes Mal den Degen aus der Hand.

Blitzschnell griff Ramon an seinen Gürtel, riss ein langes Messer aus der Scheide und drang damit auf Alejandro ein, dessen Waffe er geschickt unterlief. Für einige Sekunden sah es so aus, als wollte sich Alejandro in seiner Überraschung das Messer ins Herz stoßen lassen. Brüllend sprangen ›El Manco‹ und ›Relámpago‹ auf. Selbst Concepcion stieß einen entsetzten Schrei aus.

Buchstäblich in der letzten Sekunde wich Alejandro blitzschnell zur Seite aus und stellte Ramon ein Bein, der stolperte und von seinem eigenen Körpergewicht weiter gerissen wurde. Er schlug schwer zu Boden. Erst im letzten Moment warf er sein Messer von sich, um sich im Sturz nicht selbst damit in die Brust zu stoßen. Sekundenlang lag er unbeweglich und schweratmend auf dem Bauch.

Alejandro nutzte die Gelegenheit und versetzte ihm, mit der flachen Klinge seines Degens, fünf klatschende Hiebe auf den Hintern. Sein Gegner brüllte vor Wut wie ein zu Tode verwundeter Tiger. Noch einmal kam er auf die Beine, um mit den Fäusten auf Alejandro vorzugehen.

Aber jetzt war es ›El Manco‹, der genug hatte. »Schluss!«, donnerte er dazwischen. »Sofort aufhören!«

Ramon kam schnell wieder zur Besinnung und gehorchte. Sein schweißüberströmtes Gesicht war eine Fratze aus Wut und Verzweiflung.

»Du darfst dich bei meinem Sohn bedanken, Ramon«, sagte ›El Manco‹ eisig, »dass er dich so ritterlich und anständig behandelt hat. Verdient hast du es nicht!«

Ehe der Gedemütigte etwas erwidern konnte, wurde hinter ihnen die Tür aufgerissen und ›El Mancos‹ Leibdiener trat atemlos ein.

*

»Patrón!«, schrie er. »Patrón! Du musst sofort Alarm geben! Meldung vom Ausguck! Mindestens zehn spanische Schiffe nähern sich der Hafeneinfahrt. Die Wache muss geschlafen haben!«

›El Manco‹ machte eine abwiegelnde Handbewegung. Er war weit davon entfernt, die Nachricht allzu tragisch zu nehmen. Zumindest war damit die Fehde in seinem eigenen Haus beendet. Sowohl der verschlagene Ramon als auch der jugendliche Heißsporn Alejandro wussten nur zu gut, dass private Streitereien so lange zu ruhen hatten, wie die Gemeinschaft in Gefahr war. Später, wenn alles überstanden war, konnten sie den Kampf neu aufleben lassen – Im Augenblick gab es andere Sorgen.

»Ist schon gut, Hernandez.« ›El Manco‹ nickte dem Mann zu. »Eile zu den Hütten hinunter. Das Fest muss unterbrochen werden. Die Mannschaft soll sich samt Weibern und Kindern sofort auf die Festung zurückziehen.« Er wandte sich an Ramon. »Du übernimmst, so wie immer, das Kommando über die Artilleriemannschaft. Mehr brauche ich dazu ja wohl nicht zu sagen?!«

»Selbstverständlich nicht«, bekräftigte sein Stellvertreter und schickte sich an, über die Steigleiter den Raum zu verlassen, die neben dem durch das ganze Haus nach oben führenden Aufzugsschacht verlief.

›El Manco‹ hielt ihn noch einmal zurück. »Den Zweikampf hat es nicht gegeben!«

Ramon nickte. »Schon vergessen«, versicherte er glaubhaft. »Aus ehrlichem Herzen.«

»›Relámpago‹!«, rief ›El Manco‹.

»Ja, Patrón?!«

»Du bleibst hier und übernimmst das Kommando über die Musketiere.«

»Jawohl, Patrón!«

Trotz ihrer Körperfülle erhob sich Concepcion geschmeidig und schickte sich schweigend an, den Raum zu verlassen. Für sie hatte ihr Mann keinen Befehl. Er wusste ohnedies, was sie zu tun gedachte. Sie besaß jahrtausendealte Kenntnisse in der Heilkunst. Immer wieder hatte sie gezeigt, dass Verwundete und Kranke bei ihr in guten Händen waren.

›El Manco‹ blieb mit seinem Sohn allein zurück, und der musterte ihn gespannt. Einige Sekunden standen sie Auge in Auge gegenüber. »Mein lieber Alejandro«, brach er das eingetretene Schweigen. »Du bist an Jahren fast noch ein Knabe, aber an Tapferkeit und kluger Besinnung jedem erwachsenen Mann überlegen. Ich spreche dir meine Anerkennung aus. Ich habe schon immer unendlich viel von dir gehalten, aber das war noch um Längen zu wenig. Für die Dauer des Kampfes ernenne dich zu meinem Adjutanten und Stellvertreter. Sollte mir etwas zustoßen, wirst du meine Stelle einnehmen. Aber auf eines mache ich dich noch aufmerksam …« Er verstummte und senkte den Blick, gerade so, als würde er unter einer Vision erschauern.

»Du wolltest mir etwas sagen, Vater!«, erinnerte Alejandro sanft.

›El Manco‹ nickte und sah über den Kopf des jungen Mannes hinweg zur Wand. Mehr zu sich selbst als zu seinem Sohn sprach er weiter: »Ich habe mich nie im Leben gefürchtet, und ich fürchte mich auch heute nicht. Aber ich fühle, das ich nicht mehr bin, was ich als junger Bursche zu sein glaubte: unsterblich! Nach meinem Willen bist du der Herr hier, sobald mir etwas zustößt. Vergiss aber nicht, dass wir Piraten unseren Herrn selbst zu wählen pflegen. Deine Ernennung aus meinem Munde, hat für unsere Kameraden nach meinem Tod kein größeres Gewicht als das einer warmen Empfehlung. Wenn mir etwas zustößt, wirst du dich selbst durchsetzen müssen.«

»Es wird dir nichts zustoßen, Vater«, erwiderte Alejandro mit dem gesunden Optimismus, der schon zu allen Zeiten das schönste Vorrecht der Jugend war.

»Man muss mit allem rechnen«, wandte ›El Manco‹ ein, »will man nicht im Augenblick höchster Gefahr Schiffbruch erleiden.«

»Ich verstehe dich nur zu gut, Vater«, entgegnete Alejandro stolz. »Eine Frage: Inwieweit kann ich mich …« Er zögerte und suchte nach den passenden Worten. »… im schlimmsten Fall auf Ramon und ›Relámpago‹ verlassen?«

»Das will ich dir sagen, mein Sohn. Für die Dauer des Kampfes wird Ramon dein wertvollster Ratgeber und Mitstreiter sein. Danach ist er wieder dein Todfeind, vor dem du dich in Acht zu nehmen hast. Was ›Relámpago‹ betrifft: nun, … er ist dir nicht weniger treu ergeben als mir. Und jetzt haben wir genug geredet. Wir müssen uns auf Gefechtstation begeben!«

Im wilden Haufen, eilig, aber dennoch geordnet, näherten sich die etwa tausend Bewohner von ›Maracas‹ der ›militärischen‹ Befestigung.

Was jetzt folgte, war immer wieder eingeübt worden und folgte einer perfekten Choreographie: Frauen und Kinder verfügten über Kasematten und traten dort unter Concepcions Befehl. Die kampffähigen Männer kamen in der Wohnung des Piratenführers zusammen. Über einhundertfünfzig von ihnen kletterten zum Artilleriestand hinauf. Der Rest blieb in der Unterkunft zurück, um, sobald es erforderlich wurde, mit Nahkampfwaffen in das Gefecht einzugreifen.

›El Manco‹ selbst begab sich zu den Beobachtungsposten auf dem Gefechtsstand, um von dort aus den Kampf zu leiten. Er wurde von Alejandro und vier Männern begleitet.

Der Gefechtsstand war kreisrund und mit mehr Schießscharten versehen als alle anderen Räume des Festungsbaus. Nur rohe Tische und Stühle standen im Raum. Außerdem fand sich hier ein langes Sprachrohr, das den Gefechtsstand mit allen Abteilungen der Festung verband, so dass sich ›El Manco‹ jederzeit mit Befehlen und Anordnungen direkt an seine Untergebenen wenden konnte.

Alejandro bewaffnete sich mit einem guten Fernrohr und beobachtete die Flotte der Angreifer. Im Schein des Mondlichtes lagen die Siedlung ›Maracas‹, die lange, breite Bucht und der Uferdschungel in seinem Blickfeld. Weit vor der Einfahrt zur Bucht konnte er die vagen Konturen von Masten und Segeln beobachteten.

»Geschützmannschaften feuerbereit!«, meldete Ramon aus dem Artilleriestand.

»Der Rest der Mannschaft ist ebenfalls feuerbereit!«, rief gleich darauf ›Relámpago‹ herüber.

»Was kannst du sehen?«, fragte ›El Manco‹ seinen Sohn.

»Genaues ist nicht auszumachen, Vater«, erwiderte der, ohne das Fernrohr abzusetzen oder sich gar umzuwenden, »aber ich denke, dass es sich um etwa zehn Schiffe handelt. Eines davon dürfte ein Linienschiff sein. Vier von ihnen halte ich für Fregatten und weitere vier für Korvetten. Dann ist da eines, von einer Bauart, wie ich es noch nie zu Gesicht bekommen habe.«

Sein Vater brachte seinen Mund an das Sprechrohr. »Alles herhören! Hier spricht ›El Manco‹! Wir werden von zehn spanischen Schiffen angegriffen. Es besteht aber keinerlei Anlass zu Besorgnis. Wenn jeder Mann seine Pflicht erfüllt, dann wird uns nichts passieren. Das Feuer wird erst auf mein Kommando eröffnet!« Er trat an Alejandro heran, presste das eigene Fernrohr ans Auge und beobachtete nun selbst den nördlichen Aufmarsch der feindlichen Kriegsschiffe.

Das Schiff, welches die besondere Aufmerksamkeit seines Sohnes erregt hatte, erwies sich als ein breiter, tiefbordiger und zugleich gedrungener Zweimaster. Es handelte sich offenbar um ein Spezialfahrzeug, dessen Zweck sich selbst der erfahrene Pirat nicht zu erklären wusste. Deswegen verzichtete er auch auf jede Bemerkung darüber. »Ziel erfasst?«, erkundigte er sich bei Ramon.

»Ziel ist erfasst«, erwiderte dieser durch das Sprachrohr. »Wir sind gerade beim Einrichten.«

»Sobald ihr damit fertig seid, ohne weiteren Befehl feuern!« ›El Manco‹ wandte sich wieder an Alejandro. »Und jetzt wirst du gleich sehen, wie sie laufen werden!«, erklärte er stolz. »Sie werden auseinanderspringen wie die Hasen! Unsere Landsleute werden auch nicht klüger. Wie oft haben sie schon versucht, uns etwas am Zeug zu flicken. Und jedes Mal haben sie sich die Köpfe blutig geschlagen. Ich bin gespannt, wann der erste Schuss fällt. Unser Turm wird zittern, aber das wird auch alles sein, was wir spüren werden.«

*

Zum ersten Mal sollte sich seine Vorhersage nicht erfüllen. Die Spanier dachten gar nicht daran, die Festung mit ihren unzureichenden Artilleriemitteln zu beschießen. Dafür stellten sie sich in einem großen Halbkreis um die Mündung der Einfahrt zur Bucht auf und verhielten sich still.

Der sonderbare Zweimaster aber, den sie in der Mitte platziert hatten, trieb allmählich nach Osten ab, so dass inzwischen nur mehr seine Mastspitzen über den Urwald ragten. Aber auch die verschwanden nach einiger Zeit, gerade so, als habe man sie von Geisterhand entfernt.

»Sonderbar … höchst seltsam«, murmelte ›El Manco‹. »Sieht mir ja fast danch aus, als besitze dieses Schiff umlegbare Masten …!« Besorgt kratzte er sich am Kinn. »Das will mir gar nicht gefallen!«

Alejandro machte eine wegwerfende Bemerkung, die im lauten Knallen zahlreicher Abschüsse unterging.

Mit einem einzigen Schlag waren die zwanzig Achtzehnpfünder der Festung abgeschossen worden. Heulend und jaulend traten sie ihre Bahn an. Doch die Salve der Batterie lag zu weit. Ohne einen Schaden anzurichten, klatschten alle Vollkugeln jenseits der spanischen Flotteneinheit ins Wasser.

»Du musst kürzer halten, Ramon!«, rief ›El Manco‹ unzufrieden. »Wie weit sind die Glühkugeln?«

»Sind gleich soweit. Noch etwa fünf Minuten!«

»Ist gut!«

Die Artilleriestellung besaß nach Süden hin einen eigenen mächtigen Abzugskamin. Unter dem befanden sich ein halbes Dutzend Kohlebecken, in denen je drei Vollkugeln über einem Holzfeuer glühend gemacht wurden.

Die von Ramon angegebenen fünf Minuten verstrichen, ohne dass der Feind auch nur einen einzigen Schuss abgegeben hatte.

Inzwischen waren die Geschütze der Piraten erneut nachgeladen worden. Eine zweite Salve verließ die zwanzig Rohre und brachte, wie ›El Manco‹ vom Kommandostand aus beobachten konnte, den Spaniern nur geringen Schaden bei. Erstaunlicherweise verzichteten diese aber immer noch auf einen Gegenschlag.

»Glühkugeln sind fertig!«, meldete der Feuerwerker.

Eilig wurden die Kanonen auf ihren quietschenden Rädern zurückgerollt. Das Schießen mit den Glühkugeln erforderte ein speziell entwickeltes und keineswegs ungefährliches Vorgehen. Wie bei jedem Schuss wurden die Rohre sorgfältig gereinigt und dann mit Pulversäckchen geladen. Anschließend fischten die Ladekanoniere aus mächtigen Wassertrögen kleine Ballen heraus, deren Zusammensetzung sorgfältig geheim gehalten wurde, aber im Wesentlichen aus gepresstem Gras, Holzwolle und Lumpen bestand.

In jede Kanone wurde einer dieser Ballen eingeführt, während das Personal des Feuerwerkers die Glühkugeln mittels langer Greifzangen aus dem Kohlebecken nahmen und sie eilig in die Mündungen der Vorderlader stopfte, so dass zwischen der empfindlichen Pulverladung und den glühenden Geschossen die vorher eingeschobenen nassen Puffer zu liegen kamen. Diese Puffer waren als sogenannter Glühschutz eminent wichtig. Waren sie nicht dick oder feucht genug, dann setzte die glühende Kugel die Pulverladung sofort in Brand, und die Kugel verließ das Rohr zu früh. In der Regel zerriss sie dabei auch gleich den Ladekanonier, der sie zuvor mit einer langen Eisenstange eingeschoben hatte. Mit anderen Worten, schon allein der Ladevorgang verlangte ein ungeheures Ausmaß an Mut. Andererseits konnte es geschehen, dass das Pulver überhaupt nicht oder erst sehr verspätet zündete, sofern die dampfenden Puffer zu fest oder zu nass waren. Allein ihre Herstellung erforderte großes Wissen, Fingerspitzengefühl und jahrelange Erfahrung. Immer wieder kam es vor, dass ein Schuss zu früh losging und die eigene Artilleriemannschaft dezimierte.

Es war den Ladekanonieren also nicht verdenken, dass sie ihrer lebensgefährlichen Verrichtung nur unter Todesangst und mit entsprechendem Zittern nachgingen. War ein Geschützrohr geladen, wurde es sofort ausgerannt und verkeilt. Danach zündete der Richtkanonier mit der am Lunteeisen befestigten glimmenden Lunte. Ein Schuss nach dem anderen wurde ausgelöst.

Für die Männer im Kommandostand war es ein schaurig schönes Bild zu sehen, wie die glühenden Kugeln, Meteoren gleich, ihre steile Bahn zum Himmel zogen, am Kulminationspunkt zu verharren schienen, um gleich darauf mit sich stets vergrößernder Geschwindigkeit auf dem absteigenden Ast der Parabel dem Ziel entgegenzustürzen.

›El Manco‹ lachte vergnügt vor sich hin. Die erste Salve mit den Glühkugeln lag bemerkenswert gut im Ziel. Auf zwei spanischen Schiffen waren Brände entstanden. »Siehst du das, mein Junge«, prahlte er sarkastisch. »Sie haben es nicht besser wissen, … es nicht besser glauben wollen, diese verfluchten Spanier! Aber jetzt haben wir sie eines Besseren belehrt. Du wirst ihre Schreie bis zu uns herauf hören, wenn erst die Brände nicht mehr zu löschen sind. Sie werden heulen und wehklagen, wenn sie bei lebendigem Leib geröstet werden.« In das Ende seines Satzes tönte eine einzige, schmetternde Detonation.

Eigentlich hätte ihm bereits von vornherein klar sein müssen, dass die Spanier etwas Besonderes im Schilde führten, nachdem sie bisher nicht einen einzigen Schuss abgegeben hatten und stattdessen wie eine Herde Schafe den Beschuss der Piraten hatten über sich ergehen lassen.

Was jetzt folgte, ließ ihn und seine Leute in eisigem Schrecken erstarren. Sekundenbruchteile nach dem Abschussknall stieg ein riesiges Geschoss in den Himmel empor. Es zog einen langen Feuerschweif hinter sich her, begleitet von einem satanisches Zischen, das alle anderen Geräusche übertönte.

Ehe ›El Manco‹ und seine Männer begriffen, was geschehen war, stürzte sich das sonderbare Geschoß steil von oben her auf die Festung. Es schlug, nur wenige Faden entfernt, an deren Fuß ein und entwickelte an der Einschlagstelle eine riesige glühende Sonne, gefolgt von einer infernalischen Explosion. Nie zuvor hatten die Bukaniere ein derartiges Krachen und Bersten vernommen. Gleich darauf folgte ein Heulen und Prasseln und tausende Eisentrümmer fielen wie zerhacktes Blei zu Boden.

»Querido dios! Qué diablos!?«, stöhnte ›El Manco‹ zu Tode erschrocken, als er endlich die Sprache wiedergefunden hatten. »Jetzt verstehe ich, was die verdammten ›Hijos de Putas‹ im Schilde führen! Sie haben eine Sprengbombe auf uns abgeschossen …!«

»… die durch einen Treibsatz angetrieben wird!«, ergänzte Alejandro totenbleich den Satz. »Jetzt wissen wir endlich, welche Überraschung das Schiff mit den umklappbaren Masten für uns bereithält.«

Obwohl der tiefsitzende Schrecken und das unglaubliche Entsetzen die Männer zu lähmen drohte, hielten sie die Disziplin und schossen im Verlauf der nächsten Stunden pausenlos zurück. Aber ihr Erfolg war zweifelhaft, da die Spanier ihre Taktik beharrlich weiter verfolgten und sich allmählich so weit von der Küste zurückgezogen hatten, dass die Treffsicherheit der Festungsgeschütze gegen null ging. Gleichzeitig aber feuerten sie in einem regelmäßigen Zehnminutentakt eine Sprengbombe nach der anderen auf das Befestigungswerk ab.

»Ab sofort das Feuer nur noch auf das Spezialschiff!«, rief ›El Manco‹ Ramon während einer Feuerpause befehlend zu. »Auch wenn wir es leider nicht sehen können. Aber ich habe von hier oben aus die ungefähre Richtung. Jage ganz einfach Schuss um Schuss auf den Zweimaster. Erforderliche Korrekturen gebe ich dir durch das Sprachrohr!«

Ramon bestätigte den erhaltenen Befehl und gehorchte.

Schon die nächste Salve an Glühkugeln lag gut. Aber dem spanischen Schiff schienen sie nichts auszumachen, denn die Quittung erfolgte prompt. Allerdings lag der Schuss diesmal zu kurz und detonierte mitten unter den Häusern der kleinen Siedlung. Sofort züngelten Flammen aus einer der Hütten. Das ausgedörrte Holz brannte wie Zunder. Eine dichte Qualmwolke erhob sich über dem Ufer und vernebelte die Sicht. Dann griffen die Flammen auf die anderen Hütten über. Keine Viertelstunde später waren die Behausungen der Piratenmannschaft ein prasselndes Flammenmeer, und nach einer Stunde waren nur mehr verkohlte, glimmende Reste übrig.

»Verdammt! Es hat keinen Sinn!«, brüllte Ramon zum Kommandostand hinauf. »Wir können das Feuer ebenso gut einstellen. Der Zweimaster liegt im toten Winkel. Er ist für unsere Kugeln einfach nicht zu erreichen!«

»Dann Streufeuer auf die Schiffsansammlung!«, befahl ›El Manco‹ wutentbrannt. »Irgendetwas müssen wir doch unternehmen!«

***

Der Sohn des Admirals

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