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2.Die Judenverfolgung im Generalgouvernement (1939 – 1941)
ОглавлениеDie jüdische Minderheit in Zentralpolen war aus deutscher Sicht ein Problem, das nach radikalen »Lösungen« verlangte. Eine wesentliche Rolle bei dieser Radikalisierung spielte die Planung und Durchführung von Massendeportationen jüdischer Männer, Frauen und Kinder ins Generalgouvernement: aus dem »Altreich«, Österreich und dem tschechischen »Protektorat Böhmen und Mähren« einerseits, den soeben annektierten Gebieten Westpolens andererseits. In diesen neuen Reichsgauen sollten, wie schon gesehen, so schnell wie möglich Volksdeutsche aus den neuen sowjetischen Gebieten angesiedelt werden.
Himmlers Vollmachten als Umsiedlungskommissar gaben den juristischen Rahmen vor. Das Reichssicherheitshauptamt übernahm die Planung, SS und Polizei sorgten für die Durchführung. Allerdings stieß die Deportationspolitik immer wieder an Grenzen. Die Menschenströme aus Westpolen waren mit denjenigen aus dem Warthegau und Westpreußen unzureichend abgestimmt. Auch wurde den deutschen Herrschern im Generalgouvernement bald klar, dass sie ihre Aufgaben nicht erfüllen konnten, wenn immer mehr Polen und Juden in ihr Gebiet abgeschoben wurden. Unter solchen Vorzeichen blühten destruktive Utopien: Zunächst sollte ein »Reservat« in Ostpolen die ersehnte Lösung bringen, dann die Insel Madagaskar, schließlich der schnelle Sieg über die Sowjetunion. Keiner dieser Pläne wurde verwirklicht. Am Ende blieb nur der systematische Massenmord übrig, der seit langem durch die deutschen Akten geisterte. Himmlers ›germanische‹ Einwände gegen die »Ausrottung« der Juden hatten keine Geltung mehr.
Die »Realisierung des Utopischen«, wie der Historiker Hans Mommsen diesen Vorgang genannt hat, wurzelte in Polen, anders als im besetzten Westeuropa und der UdSSR, im Scheitern gigantomaner Pläne für die SS-Ethnopolitik. Diese beruhten auf der gedanklichen Voraussetzung, dass »den Juden« kein Menschenrecht zustand und es oberste Zielsetzung der Politik sein musste, sie mit welchen Mitteln auch immer aus dem deutschen Machtbereich zu entfernen. Der Antisemitismus war Staatsräson und wurde von weiten Teilen der nichtjüdischen Deutschen akzeptiert, geteilt, durch Handeln beglaubigt. Zweifel an der Richtigkeit judenfeindlicher Politik waren nicht vorgesehen und wurden bestenfalls hinter vorgehaltener Hand geäußert.