Читать книгу Das Fußvolk der "Endlösung" - Thomas Sandkühler - Страница 8
1.Das Generalgouvernement 1.1Der Krieg gegen Polen
ОглавлениеHitlers Absichten waren unmissverständlich. Als Ziele des Kriegs gegen Polen gab er den Befehlshabern der Wehrmacht die »Vernichtung« des Gegners auf den Weg: »Ziel ist die Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie. […] Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen. 80 Mill. Menschen müssen ihr Recht bekommen. Ihre Existenz muß gesichert werden. Der Stärkere hat das Recht. Größte Härte.«1
Tatsächlich war der deutsche Feldzug gegen Polen ab 1. September 1939 eine Vorwegnahme des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion im kleineren Maßstab.2 Das Land erlitt ein bis dahin unbekanntes Ausmaß physischer Gewalt und politisch-ideologisch motivierten Terrors, der durch Sonderverbände des SS- und Polizeiapparates und oftmals reguläre Wehrmachtseinheiten ausgeübt wurde. SS und Militär arbeiteten auf der lokalen Ebene bis zum Ende der Militärverwaltung reibungslos zusammen. Es folgte Ende Oktober eine »Zivilverwaltung« durch parteitreue deutsche Funktionäre, die als »Chefs der Zivilverwaltung« mit dem Heer eingerückt waren. Sie betrachteten nicht selten Polen als ›koloniales‹ Experimentierfeld für die Okkupation und Germanisierung weiterer Gebiete Osteuropas.
Nach dem deutschen Einmarsch setzte eine massive Verfolgung der polnisch-jüdischen Bevölkerung ein. Deutsche Soldaten machten sich einen makabren Spaß daraus, jüdisch aussehende Männer zu demütigen, zu schlagen und zu sinnlosen Arbeiten heranzuziehen. Auch nach dem Ende der Kampfhandlungen blieb körperliche Gewalt gegen Juden eine alltägliche Erscheinung. Denn antisemitische Vorurteile, wonach die polnischen »Ostjuden« als arbeitsscheu, kriminell und infektiös galten, waren nicht nur in der Waffen-SS und Sicherheitspolizei, sondern auch im Parteiapparat und in der Wehrmacht weit verbreitet.3
Den Verbänden der Wehrmacht folgten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, die mithilfe unterstellter Verbände der Ordnungspolizei allein bis Ende 1939 etwa 7 000 Juden erschossen. Umgebracht wurden vornehmlich die vermeintlichen oder tatsächlichen Führungsschichten der jüdischen Gemeinden. Die Einsatzgruppen ermordeten aber auch – und in viel größerer Zahl – christliche polnische Männer. Das Land sollte, wie Hitler gefordert hatte, seiner geistigen und politischen Elite beraubt werden, um die Zielsetzungen deutscher Besatzungspolitik ungehindert durchsetzen zu können.4
Das Vorgehen der Einsatzgruppen war mit dem Militär nicht hinreichend abgestimmt. SS- und Polizeiverbände wie das Einsatzkommando Hasselberg im Lubliner Gebiet und die Einsatzgruppe v. Woyrsch, die im Südosten Polens operierte, machten sich so flagranter Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht schuldig, dass einzelne hohe Wehrmachtsoffiziere wie Generaloberst Johannes Blaskowitz gegen Massenmorde, Plünderungen und Vergewaltigungen protestierten:
»Die Einstellung der Truppe zur SS und Polizei schwankt zwischen Abscheu und Hass. Jeder Soldat fühlt sich angewidert und abgestoßen durch diese Verbrechen, die in Polen von Angehörigen des Reiches und Vertretern der Staatsgewalt begangen werden.«5
Blaskowitz wurde auf Befehl Hitlers abgelöst. Er amnestierte darüber hinaus bereits verurteilte SS-Gewalttäter.6 Insgesamt beschleunigten die Proteste der Heeresführung nur das Ende der Militärverwaltung.