Читать книгу Die Uhudler-Verschwörung - Thomas Stipsits - Страница 5

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Ein toter Mensch sieht aus wie ein Schlafender. Erstaunlich, wie schnell ein Leben ausgelöscht werden kann.

Ich denke an meine Kindheit. Mit großer Freude habe ich Seifenblasen gefangen und zerstört. Ich habe ihre ohnehin kurze Lebenszeit freudig verkürzt. Ich habe bestimmt, ob sie fliegen oder zerplatzen. Es lag in meiner Macht. Kam mir eine aus, so mussten die folgenden Seifenblasen dafür büßen. Wenn meine Wut über die Ausreißer ins Unermessliche stieg, habe ich den kleinen Plastikbehälter einfach umgedreht und die Flüssigkeit auf die Wiese geschüttet. Sofort versickerte die Seifenlauge im trockenen Boden. Unwiederbringlich. Einige Minuten später war auch der nasse Fleck in der Erde verschwunden. Meine Tat war ausgelöscht.

Ich schaue auf den vor mir liegenden Körper. Der Anblick hat beinahe etwas Versöhnliches, etwas Reinigendes. Du wirst im Boden versickern und zu Staub werden.

Wie einfach wir Menschen doch gestrickt sind! Wir schließen unsere Augen, um nicht gesehen zu werden, und geben dem Meer die Schuld, wenn wir nicht schwimmen können.

Ich habe an alles gedacht. Gehe nie in eine Diskussion, wenn du keine Argumente hast. Begehe nie einen Mord, wenn du ihn nicht perfekt durchdacht hast. Ich hebe den leblosen Körper auf. Es kostet mich viel Kraft, aber man kann in Ausnahmesituationen auf Reserven zurückgreifen.

Als die irdische Hülle in sich zusammensackt, bleibt sie in einer scheußlichen Position liegen. Lange Zeit stehe ich nur da.

Mein Opfer hatte den Tod verdient, hatte Dinge getan, die zu sühnen waren. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nicht das Licht eines anderen ausgeblasen, um mein eigenes leuchten zu lassen. In keiner Weise. Ich habe getan, was getan werden musste.

Menschen zu durchschauen, ist sehr leicht. Das Traurige ist, dass es zu nichts geführt hat. Es endete in einer Seifenblase, die geplatzt ist. Wie oft schon wurden Gehirne seziert und zerschnitten? Die erbärmliche Wahrheit ist: Es ist nur Zellmasse.

Rund um mich ist alles ruhig. Obwohl es draußen regnet, herrscht hier drinnen andächtige Stille. Ich muss wieder zurück. Der tote Körper hat einiges vor sich. Zunächst wird er gefunden werden, danach gibt es große Bestürzung und Trauer. Und danach wird sich alles auflösen. Als wäre es nie geschehen. Totgeschwiegenes bleibt verborgen. Was für ein zufriedenstellender Zustand für mein Gewissen! Sie werden nicht lange suchen. Wozu auch? Sie werden vor der Leiche stehen. Ohnmächtig. Sie werden von Schicksalsschlag und Unfall faseln. Ihr künstliches Mitleid wird auf ihren Lügenfratzen erscheinen. Es wird nach Provinz stinken.

Diese jämmerlichen Figuren, deren Horizont nur bis zum Ende ihres Gartens reicht! Sie nisten in ihrer Gemütlichkeit, rotten sich bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit zusammen, um die vermeintlichen Probleme dieser Welt zu besprechen. Sie geben sich christlich. Wie Birken – kaum kommt ein Sturm, werden sie entwurzelt. Ich hingegen bin wie Schilf. Kommt der Sturm, gebe ich nach. Kaum richte ich mich wieder auf, folgt die Vergeltung. Vendetta braucht nur zwei Dinge: Mut und Geduld.

Zugegeben, ich habe ein kurzes Vaterunser gebetet. Dann habe ich die Sau geschlachtet.

Ein toter Mensch sieht aus wie ein Schlafender. Vorausgesetzt, es gibt keine sichtbaren Verletzungen. Bevor ich den Keller verlasse, schalte ich den Gärgas-Ventilator aus.

Es wird wie ein Unfall aussehen.

Die Uhudler-Verschwörung

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