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Christian Zimmermann stand in der Raika Stinatz und diskutierte mit einer alten Dame. Er leitete seit einigen Jahren die Zweigstelle und war im Ort sehr beliebt. Man muss die Menschen mögen, wenn man ihr Geld will. Das hatte er sehr schnell gelernt. In Stinatz gab es unzählige Menschen, die, obwohl sie das beste Werkzeug in ihren Kellern horteten, dennoch am Weltspartag auf ihrem Schraubenzieher-Set bestanden. Ein Weltspartag in Stinatz war ein gesellschaftliches Ereignis wie eine Hochzeit oder die Einweihung eines neuen Daches für die kleine Kapelle am Dorfrand. Das wusste Christian.

Heute hatte er es mit einem ziemlich schwierigen Fall zu tun. Die alte Frau Resetarits wollte partout nicht einsehen, dass es für ihr Gespartes keine besseren Zinsen gab.

„Schauen S’, Frau Resetarits, wir hatten ja eine Wirtschaftskrise …“, wollte Zimmermann ansetzen, doch er kam nicht weit.

„Was interessiert mich eine Krise?“, schimpfte Frau Resetarits. „Ich habe schon Krisen gemeistert, da hat es eure Bank noch gar nicht gegeben. Jetzt seid’s ihr an der Reihe. Wir haben das Land aufgebaut. Ohne Pusch Tan-Kot oder wie das heißt. Das kann doch nicht sein, dass mein Geld am Konto dahinschimmelt wie ein schlecht belüftetes Geselchtes!“

Zimmermann lächelte in sich hinein, selbstverständlich brauchte Frau Resetarits für ihre Bankgeschäfte keinen TAN-Code, da sie kein E-Banking verwendete. Genervt versuchte er, freundlich zu bleiben.

„Frau Resetarits, ich verstehe Ihren Zorn, aber die Zeiten haben sich nun mal geändert. Wenn Sie wirklich Profit machen wollen, wäre es sehr ratsam, wenn Sie Ihr Geld investieren.“

Das Wort „investieren“ löste bei Frau Resetarits eine weitere Entladung aus. Sie steckte den Sumsi-Kugelschreiber energisch zurück, sodass die Spiralkette noch einige Sekunden brauchte, um sich auszupendeln.

„Also entschuldige, bitte?“ Frau Resetarits war mit Zimmermann konsequent per Du. „Was soll ich in meinem Alter noch investieren? Das zahlt sich ja gar nicht mehr aus. Das Geld für mein Begräbnis habe ich schon längst zur Seite gelegt.“

Zimmermann nutzte eine kurze Atempause der alten Dame, um ein überzeugendes Argument aufs Tapet zu bringen.

„Aber für Ihre Kinder, Frau Resetarits.“

„Für die!?“ Frau Resetarits sah Zimmermann mit großen Augen an. „Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und soll mein Erspartes so mir nix dir nix einfach hergeben? Mir hat auch keiner was geschenkt. Die sollen selber schauen, dass sie zu Geld kommen. Vor allem die Enkerl. Die sind nur freundlich, wenn ich im Krankenhaus bin.“

Zimmermann blickte auf die Uhr. Seit zehn Minuten hätte er eigentlich einen anderen Termin. Da von diesem Kunden noch nichts zu sehen war, kämpfte er weiter.

„Haben Sie schon einmal über Wertpapiere nachgedacht? Die bleiben fünf Jahre gesperrt und werden danach mit einem erfreulichen Zinssatz ausbezahlt. Ohne großes Risiko.“

Frau Resetarits schüttelte den Kopf.

„Sag einmal, Christian, bist du heute a bissl dasig oder was? Was mache ich mit Wertpapieren? Weißt du, warum die Wertpapiere heißen? Weil’s irgendwann nix mehr wert sind. Ich bin aber nicht so blöd, wie ich ausschau. Auf den Trick fall ich nicht rein.“

Frau Resetarits entdeckte eine Schüssel mit Raika-Zuckerln.

„Darf ich mir da ein Zuckerl nehmen?“, fragte sie, ohne dabei ihren Blick von Zimmermann abzuwenden.

Er bejahte freundlich. Sie nahm sich drei. Danach drehte sie sich um und deutete auf einen Hermann-Maier-Papp-Aufsteller, der die Kunden in der Filiale mit erhobenem Daumen begrüßte.

„Was ist mit dem? Kriegt der auch keine Zinsen auf seinem Sparbuch?“

Zimmermann wollte gerade antworten, doch Frau Resetarits hatte emotionalen Sprechdurchfall.

„Wenn der da reinkommt, kriegt der sicher acht Prozent. Wie bei einem Bockbier. Aber wir kleinen Sparer müssen uns mit einem Null Komma Josef zufriedengeben.“

Zimmermann gab auf. Seiner Meinung nach hatte er alles versucht, um die alte Frau zu überzeugen. Er lenkte das Gespräch Richtung Verabschiedung.

„Frau Resetarits, momentan sind mir wirklich die Hände gebunden“, sagte er. Dann griff er zu einer Mappe, die neben ihm am Tresen lag.

„Ich gebe Ihnen diese Unterlagen mit, Sie lesen sich das in aller Ruhe durch und am Montag kommen Sie wieder zu mir und wir finden eine Lösung, mit der Sie leben können.“

Er überreichte der alten Dame die Mappe.

Widerwillig nahm sie den Schnellhefter an sich. Nachdem sie kurz darin geblättert hatte, riss sie beide Hände nach oben, als würde sie den Herrgott um Hilfe bitten.

„Was soll das sein? Da brauche ich wieder einen Professor, der mir das übersetzt. Bis ich das verstanden habe, bin ich längst unter der Erd’.“

Zimmermann blickte erneut auf die Uhr. Fast 20 Minuten Verspätung. Das war mehr als ungewöhnlich bei seinem nächsten Kunden. Er setzte zum Rauswurf an.

„Frau Resetarits, Sie können sicher sein, dass Ihr Geld bei uns in den besten Händen ist. Jetzt müssen Sie mich aber leider entschuldigen. Es gibt noch andere Kunden, die etwas von mir brauchen.“

Frau Resetarits verstand diese Aussage als Provokation.

„Denen werde ich sagen, dass sie nix kriegen werden. In einem Jahr könnt’s eure Bank zusperren.“

„Wie Sie meinen, Frau Resetarits. Schönen Tag wünsche ich!“, sagte Zimmermann freundlich.

Bevor die alte Dame die Filiale verließ, griff sie noch einmal in die Zuckerldose.

„Für die Enkerl“, fauchte sie Zimmermann nach und war verschwunden.

Der Filialleiter der Raika Stinatz sah wieder auf die Uhr, griff zu seinem Handy und wählte eine Nummer. Augenblicklich meldete sich die Mobilbox seines Kunden. Obwohl er es als sinnlos erachtete, wählte er die Nummer erneut. Nichts. Dann wählte er eine andere Nummer.

„Nein. Er ist nicht zu Hause“, sagte Bettina Stipsits ins Telefon.

„Er hätte um 9.30 Uhr einen Termin bei mir gehabt“, hörte sie Zimmermann sagen.

„Ja, ich weiß.“

Bettina Stipsits war gerade dabei, sich noch einen Kaffee zu machen.

„Er ist am Abend in den Keller gefahren und hat gesagt, dass er gleich dort übernachtet.“

„Sein Handy ist leider ausgeschaltet“, klärte sie Zimmermann auf.

Bettina Stipsits reagierte gelassen. Es kam öfter vor, dass ihr Vater in den Keller fuhr, dort etwas trank oder, besser gesagt: zu viel trank, um dann im kleinen Zimmer oberhalb des Kellers zu übernachten.

„Wahrscheinlich hat er verschlafen“, beruhigte Stipsits Zimmermann.

„Wahrscheinlich“, sagte Zimmermann.

Doch er war skeptisch. Noch nie hatte Alois Stipsits einen Banktermin versäumt. Zumindest solange Zimmermann Leiter der Zweigstelle war.

„Ich fahr hin und weck ihn auf. Er soll sich dann bei dir melden, ok?“

„Ja, gut. Er kann gern jederzeit kommen. Bin den ganzen Tag in der Filiale.“

Mit diesen Worten beendeten die beiden das Gespräch.

Als Bettina Stipsits vor dem strohgedeckten Weinkeller ankam, sah alles aus wie immer. Der große Audi parkte an der gewohnten Stelle. Die aufkommende Mittagssonne tauchte das Kellerstöckl in ein friedliches Licht. Der Herbst begann langsam mit seinen Farben zu locken. Die Wiese war noch leicht feucht, Tau glitzerte auf den Halmen.

„Papa!“, rief Bettina. „Papa!“

Sie stieg über die Außentreppe nach oben, wo sich das kleine Zimmer befand. Es war verschlossen. Als nach mehrmaligem Klopfen niemand reagierte, ging Bettina wieder hinunter. Sie öffnete die alte Holztür zum Gewölbe und machte ein paar Schritte in den Keller hinunter. Endlich sah sie ihren Vater.

„Papa!“, „Papa?“

Papa gab keine Antwort.

Die Uhudler-Verschwörung

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