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4.

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„Sagen S’ einmal, Sifkovits, sind Sie von allen guten Geistern verlassen?“ Oberst Taschner, Sifkovits’ Vorgesetzter, war sichtlich aufgebracht. Er saß hinter seinem imposanten Schreibtisch im LKA Eisenstadt und ließ seinem Ärger über den Gruppeninspektor freien Lauf.

„Es war ein Unfall. Sie als lang gedienter Gruppeninspektor müssen doch wissen, dass es bei einem Gärgas-Unfall, wo rein gar nichts auf Fremdeinwirkung hinweist, keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gibt. Und schon gar keine Obduktion der Leiche. Wir haben ohnehin schon fast keine Gerichtsmediziner mehr, weil es keinen Nachwuchs gibt. Wissen Sie, was eine Obduktion kostet?“

Natürlich war das eine rhetorische Frage. Taschner setzte entrüstet fort.

„Noch dazu für irgendeinen Bauern, der besoffen in einem Weinkeller zusammenbricht. Und dass Sie dann noch die Frechheit besitzen, hinter meinem Rücken die Staatsanwältin anzurufen, die eh gerade so eine schwere Phase durchmacht wegen ihrer 16:8-Diät, und irgendwas herumzufaseln von Hagelschäden, das schlägt dem Fass den Boden aus.“

Sifkovits fand diese Formulierung in Anbetracht der Todesumstände beinahe komisch.

„Darf ich etwas sagen, Herr Oberst?“

„Nein! Jetzt rede ich.“ Taschner fuhr sich theatralisch durch seine gegelten Haare. „Wenn ich Sie nicht kennen würde, Herr Gruppeninspektor, dann würde diese Sache ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen, dass Ihnen die Luft wegbleibt.“

Taschner lag auch mit dieser Formulierung unbewusst total daneben.

„Haben Sie mich verstanden, Herr Sifkovits?“

Sifkovits bejahte artig. Der Inspektor hatte eine gänzlich andere Dienstauffassung als sein Vorgesetzter. Sifkovits war bei Verhören immer freundlich, strahlte nie Härte aus und hatte seine Dienstwaffe grundsätzlich nicht bei sich. „Schießen tun sie nur im Fernsehen“, pflegte er zu sagen. Die Waffe hatte er in seiner über 20-jährigen Karriere als Kriminalbeamter noch nie benutzt, außer beim Schusstraining, das er seit Langem regelmäßig schwänzte.

„Es tut mir leid, Herr Oberst. Ich habe mir eben gedacht, dass der Tote vielleicht noch woanders war und seine Frau bezüglich der Örtlichkeit angelogen hat.“

Taschner sprang von seinem Stuhl. Sifkovits bemerkte an Taschners Hose eine unvorteilhafte Öffnung.

„Dann war er halt noch woanders. Was spielt das für eine Rolle? Haben Sie Ihre Frau noch nie angelogen?“

Sifkovits überlegte kurz.

„Na ja, nicht direkt angelogen, ich habe manchmal die Wahrheit der Situation angepasst“, sagte der Inspektor.

„Und genau das werden Sie jetzt auch tun“, schimpfte Taschner. „Wie können Sie wegen nicht vorhandener Hagelschäden ein Verbrechen vermuten?“

Dass es am Fundort Fußabdrücke gab, die nicht vom Toten stammen konnten, behielt Sifkovits für sich. Er hatte Angst, dass sein ehrgeiziger Vorgesetzter ansonsten erneut explodieren würde.

„Ich habe Sie verstanden, Herr Oberst. Wir denken eben manchmal unterschiedlich“, versuchte er die Wogen wieder zu glätten.

„Dass Sie anders denken und anders handeln, ist nur halb so schlimm wie die Tatsache, dass Sie ständig die internen Abläufe ignorieren und auf eigene Faust entscheiden.“

Das hatte gesessen. Sifkovits nahm einen Schluck von seinem Käsepappeltee. Er schlürfte dabei etwas zu laut.

„Und jetzt, Sifkovits, gehen Sie mir mit Ihrem Abwaschwasser, das Sie da trinken, aus den Augen. Sie melden sich beim Kollegen Berner. Der hat einen Akt für Sie. Kümmern Sie sich um den Hühnerdiebstahl in Olbendorf. Der Fall beschäftigt uns seit mehr als einem Jahr. Anscheinend ist der Täter wieder zurückgekehrt.“

Taschner war offensichtlich fertig. Sifkovits blieb jedoch weiter vor ihm stehen.

„Ist noch was?“, wollte Taschner wissen.

„Ihr Hosentürl ist offen.“

„RAUS!“, rief Taschner.

Sifkovits salutierte und schlich sich davon.

Kollege Berner übergab Sifkovits den Akt mit der Aufschrift „Hühnerdiebstahl Olbendorf-Untermühlen“. Es war erst 8.34 Uhr, dennoch hatte sich Berner bereits eine Käseleberkäsesemmel einverleibt und ging zum zweiten Akt in Form von Chillileberkäse über.

„Viel Spaß bei diesem interessanten Fall!“, sagte Berner mit süffisantem Unterton.

Sifkovits stellte seine halb volle Tasse auf Berners Schreibtisch ab und verließ das Büro. Der Geruch von Käsepappeltee stieg Berner in die Nase.

„Boah, des stinkt!“

Dann biss er in seine Chillileberkässemmel.

Folgsam nahm Sifkovits die Ermittlungen in Olbendorf-Untermühl auf. Diese verliefen in etwa so, wie Sifkovits es erwartet hatte. Die Causa hatte alle Voraussetzungen, zum langweiligsten Fall des Jahres zu werden. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Nachbarschaftsfehde, wie sie häufig vorkam. Irgendwann grüßt man sich nicht mehr, dann ist die Musik zu laut, dann zieht der Geruch vom Griller zum Nachbargrundstück und schlussendlich stiehlt man ein paar Hühner.

Edi Brus, der Bestohlene, war außer sich. Er war ein großer, bulliger Mann mit rotem Kopf. Vermutlich eine Mischung aus Bluthochdruck und Rotwein. Brus arbeitete auf der Gemeinde in Olbendorf, sah aber seine wahre Bestimmung in der Hühnerzucht. „Was der Toni mit seinen Freilandeiern kann, das kann ich schon lange“, war sein Credo.

Alle seine Hühner hatten Namen, sogar ziemlich originelle. Resi, Zenzi, Sissi, Lotti, Trixi und Biggi waren seit einiger Zeit verschwunden. Seine Frau Kikki stand während der Befragung neben ihrem Mann und sprach kaum ein Wort. Sifkovits machte sich beiläufig Notizen und versicherte dem selbst ernannten Hühnerflüsterer, dass man sich intensiv um den Fall kümmern werde. Er müsse sich keine Sorgen machen. Das LKA Eisenstadt sei die beste Adresse, um vermisste Hühner wiederzufinden.

Normalerweise hätte Sifkovits diesen Fall abgelehnt. Jedoch hatte dieser „Hühnerkrimi“ einen entscheidenden Vorteil: Olbendorf-Untermühl lag fünfzehn Autominuten von Stinatz entfernt. Er wusste genau, wohin sein nächster Weg ihn führen würde. Direkt zur Kopftuchmafia nach Stinatz aufs Bankerl.

Die Kopftuchmafia war eine Art analoge WhatsApp-Gruppe. Sie bestand aus seiner Mutter Baba, Frau Resl Grandits, Frau Hilda Resetarits und dem Greißler Maikits. Man traf sich vor allem in den Sommermonaten am Bankerl direkt neben Babas Haus und besprach die Probleme des Dorfes. Man wälzte Gerüchte oder machte aus Mücken Elefanten. Wollte man Informationen im Dorf verbreiten, brauchte man nur zur Kopftuchmafia zu gehen. Sie war schneller bei der Verbreitung von Tratsch als jede Social-Media-Plattform. „Wir brauchen keine Kronen Zeitung, wir haben die Kopftuchmafia“, wurde oftmals hinter vorgehaltener Hand gescherzt.

Im letzten Jahr war viel passiert. Frau Grandits hatte wieder zugenommen. Sie meinte wegen der Histamine in den Produkten, die würden sich bei ihr sofort auf die Hüften schlagen. Wahrscheinlich hatte es aber eher mit dem Nussstrudel zu tun, den sie einmal in der Woche backte und aß. Frau Resetarits befand sich in einer Zinsenkrise. Mutter Baba überlegte, ob sie nun doch den Innenhof ihres Hauses neu ausmalen sollte, und Maikits bot seit einiger Zeit in seiner Greißlerei Mandelmilch zum Verkauf an, ein Produkt, das in Stinatz niemand, und zwar wirklich niemand kaufte. Man ließ ihm seinen Stolz, wohl wissend, dass die Milch irgendwann im Kanal landen würde.

Die Kopftuchmafia hatte Sifkovits schon im vergangenen Jahr bei der Aufklärung eines Falles unterstützt. Jetzt wollte Sifkovits mehr Informationen über den toten Alois Stipsits.

Die sollte er auch bekommen.

Die Uhudler-Verschwörung

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