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Man konnte nicht sagen, dass der Anderl Schwarz besonders glücklich ausschaute, als er an diesem Tag seine Gäste begrüßte. Ausgerechnet die hatte er gar nicht haben wollen, nachdem er festgestellt hatte, um wen es sich handelte. Doch bevor er sich auf einen langwierigen und teuren Rechtsstreit einließ, der außerdem Nerven und Zeit kostete, die er woanders besser gebrauchen konnte, nahm er es hin, dass dieser unliebsame Besuch für einige Tage hier stattfand.

Der Anderl war fest davon überzeugt, dass dieser sogenannte Wunderheiler ohnehin keine Kundschaft aus Hindelfingen und Umgebung bekommen würde. Das würde ein einfaches und schnelles Geschäft werden, und bestimmt reiste der Friedrich-Jonas Wanninger bald wieder ab.

Auf den ersten Blick machte der Mann einen recht angenehmen Eindruck. Er war hochgewachsen, mochte um die fünfzig Jahre alt sein und besaß kurz geschnittene eisgrauen Haare. Kühle graue Augen blickten aus einem schmalen Gesicht, die Stimme klang warm und sanft, und das Lächeln war gewinnend.

Ganz anders der Mann an seiner Seite, offenbar der Sekretär oder Assistent. Er wirkte schon auf den ersten Blick hektisch, kalt und abweisend. Lorenz Jäger war etwa Anfang 30, besaß dunkle Augen und eine scharfe Nase, seine Stimme war hoch und quäkend, und sein ganzes Wesen arrogant und überheblich. Außerdem trug er eine dicke Brille, die so gar nicht zu ihm passen wollte.

„Das Gepäck befindet sich im Wagen. Ich will doch hoffen, dass es hier Personal gibt, welches sich darum kümmern kann. Das Frühstück nehmen der Herr Wanninger und ich um Punkt 8 Uhr auf dem Zimmer ein. Danach pflegen wir Klienten zu empfangen. Es wird hier doch sicher möglich sein, dass jemand die Herrschaften zu uns führt?“

Der Anderl schluckte eine scharfe Bemerkung herunter. Musste er sich wirklich von diesem – diesem Bazi wie ein untergeordneter Dienstbote behandeln lassen? Er selbst hatte zu allen seinen Angestellten ein gutes Verhältnis, schon fast eine Art Freundschaft. Wie wollte man denn im Leben auch zurechtkommen, wenn man sich selbst benahm wie die Axt im Walde? Hatte diesem Burschen das noch niemand beigebracht?

Aber noch beherrschte sich der Besitzer des Feriendorfs. Das hier war nur eine vorübergehende Erscheinung, die hoffentlich bald wieder verschwinden würde. Doch dann kam eine Bemerkung, die dem Anderl glatt die Sprache verschlug.

„Und dann möchten wir morgen früh um neun, vor den Klienten, ein Gespräch mit Doktor Daniel Ingold führen. Sie können ihm das mitteilen ...“

„Nun schlägt`s aber dreizehn“, donnerte der Anderl nun doch los. „Wenn S’ krank sind, dann können S’ den Herrn Doktor in der Praxis aufsuchen. Aber wenn S’ nur mit ihm reden wollen, dann können S’ ihn ja selbst anrufen. Ich bin sicher, die Arzthelferin wird Ihnen gern einen Termin geben, der dem Doktor passt. Im Übrigen bin ich net Ihr Sekretär, Ihre Aufgaben werden S’ schon selbst erledigen müssen.“

„Nun, bitte, meine Herren, wir wollen doch hier net ausfallend werden. Ich bin sicher, in dieser Angelegenheit wird sich eine Lösung finden lassen“, warf jetzt Friedrich-Jonas Wanninger ein. „Lorenz, du wirst den Herrn Doktor anrufen und höflich um ein Gespräch bitten. Der Herr Schwarz hier hat sicher jetzt noch mehr zu tun. Deshalb wär’s ausgesprochen freundlich, wenn man uns unser Quartier zeigt.“

„Ja, natürlich, ganz wie Sie wünschen“, sagte der Lorenz sofort. Er war dem Wanninger gegenüber katzfreundlich, doch seine eigenen Anweisungen kamen an andere mit der Schärfe eines Rasiermessers. Anderl nahm sich vor, seine Madln zu warnen. Sie waren hier zwar Angestellte, aber sie mussten sich trotzdem nichts gefallen lassen, schon gar nicht von so einem arroganten aufgeblasenen Hornochsen. Es mochte ein Zufall sein, aber an Zufälle glaubte der Mann schon lang nicht mehr. Doch gerade, als der Wanninger mit seinem Sekretär und der Therese zu seinem Bungalows ging, tauchte die Kollmannberger Vreni auf.

„Kommst einen Augenblick zu spät“, erklärte der Anderl etwas spöttisch. „Hast glatt einen bühnenreifen Auftritt verpasst.“ Genüsslich schilderte er in allen Einzelheiten die Ankunft des Wunderheilers mit seinem Assistenten, und die Frau hörte interessiert zu.

„Na, dann weiß ich doch wenigstens, auf was ich mich vorbereiten muss“, meinte sie dann trocken, und der Anderl riss die Augen auf.

„Hast doch am End net gar vor hinzugehen zu diesem – diesem – diesem Narren?“, fragte er geschockt.

„Ja, freilich doch“, gab sie zur Antwort, und der Mann schnappte nach Luft.

„Bist jetzt ganz und gar narrisch geworden?“, fuhr er sie an. „Fällst damit dem Daniel doch glatt in den Rücken, nachdem du so freigiebig jedermann erzählt hast, dass der Kerl ein Betrüger und Scharlatan ist. Da musst mir aber schon jetzt auf der Stelle eine verdammt gute Erklärung liefern, damit ich net grad glauben soll, dass du den Verstand verloren hast.“

Die Vreni ließ sich von diesem Ausbruch überhaupt nicht beeindrucken, ganz im Gegenteil, sie lächelte den Anderl an. Schließlich tippte sie ihn an die Stirn und grinste mitfühlend.

„Bist schon manchmal ein arger Dummkopf. Aber ich will dir noch einmal verzeihen, weil du offenbar noch net kapiert hast, was ich eigentlich vorhab`.“

„Da gäb’s ja wohl net viel zum kapieren“, fuhr der Mann nun auf. „Außerdem, wennst schon zu so einem Bazi hingehen willst, was für eine unheilbare Krankheit hast dann eigentlich, dass der Daniel oder der Alois net in der Lage wären, dir zu helfen? Es sei denn ...“ Er hielt plötzlich inne und starrte in das vergnügte Gesicht der Frau. „Ist nur ein Trick, ja? Willst ganz genau wissen, was das für einer ist? Aber dann pass nur mal gut auf, dass du dich net mit dem Lorenz Jäger anlegen tust. Mit dem ist net gut Kirschen essen. Ich kann eh net verstehen, wieso der Wanninger Patienten hat – Klienten tät’ er es nennen – wo die es mit so einem Deppen wie dem Jäger zu tun kriegen.“

„Na, wer weiß, vielleicht hat der verborgene Qualitäten“, schmunzelte die Vreni. „Hast aber arg lang gebraucht, bis der Groschen gefallen ist, mein Lieber. Freilich werd’ ich den gleich morgen aufsuchen. Weißt doch auch schon seit langem, dass ich schwer krank bin, oder?“

„Und was hast?“, fragte der Anderl ernst noch einmal nach. „Musst schon eine rechte Geschichte auftischen, denn dumm ist der Wanninger ganz bestimmt net. Wennst net eine ordentliche Krankengeschichte hast, dann merkt der das. – Weiß eigentlich der Daniel, was du so treibst?“

Sie verzog das Gesicht. „Das würd’ er net gutheißen. Unser Daniel ist ein ehrlicher, gradliniger Mensch, der tät’ mir eher den Kopf abreißen und diesen Kerl noch verteidigen, bevor er zuließe, dass ich ein klein bisserl schwindle.“

„Ja, ist schon ein braver Kerl, unser Daniel“, stimmte Anderl zu. „Deswegen wird's ihn vermutlich auch gar net freuen, dass der Wanninger mit ihm reden will.“

Vreni grinste. „Bestimmt hat er spitzgekriegt, dass die Stimmung hier am Ort net unbedingt zu seinen Gunsten ist. Und deshalb vermutet er dann den Doktor dahinter. Ich glaub’ net, dass der Daniel sich das so einfach vorwerfen lässt. Außerdem hat er das Recht, seine Meinung so zu vertreten, wie es ihm passt.“

„Na, wenn da solche Vorwürfe kommen, werden wir ihn schon verteidigen, unseren Daniel“, stellte der Anderl fest.

„Ach, der kann sich auf jeden Fall recht gut selbst verteidigen, unser Doktor, wirst schon sehen. Aber ich bin richtig neugierig auf die beiden Mannsbilder. Und denk` dran, wenn die fragen sollten, so hab ich eine schwere Herzkrankheit, die kann man net so einfach auf den ersten Blick feststellen. Außerdem werd’ ich natürlich ganz schrecklich leidend ausschauen.“

„Ich werd` auch den Madln Bescheid geben. Für die ist das alles dann wenigstens ein großer Spaß“, versprach der Anderl Schwarz. Sorgfältig schrieb er dann eine Notiz für den Wanninger, dass Frau Veronika Kollmannberger um einen Termin bäte. Die hatte natürlich bereits die in der Anzeige angegebene Telefonnummer angerufen und sich jetzt nur vergewissern wollen, dass alles glatt ging. Der Anderl schmunzelte in sich hinein, als er daran dachte, wie die Vreni mit den beiden Mannsbildern, und besonders mit dem Lorenz Jäger, umspringen würde.


Hoffnung, Wunder und Liebe: 7 Arztromane

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