Читать книгу Cape to Cape - Tim Farin, Jonas Deichmann - Страница 21

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Doch als der Arzt am nächsten Morgen in die Station kommt, sind Philipp und Jonas längst wieder unterwegs. Sie haben auf der Veranda vor der Krankenstation übernachtet, wieder im Schlafsack. Sie haben beschlossen, die Sorge wegzustrampeln, mit der Dämmerung hat der Wecker geklingelt, eine halbe Stunde später waren sie auf der Straße. »Das ist ja keine Tour-de-France-Ärztin«, konstatiert Jonas. Jeder Pfleger, jede Schwester, jeder Arzt ohne Bezug zum Radfahren und zu ihrem Projekt würde dasselbe sagen. Aber hier müssen andere Maßstäbe her. Sicher, so eine Stelle sieht nicht gut aus. Aber darum geht es ja nicht. Es geht ums Weiterkommen. Philipp schmiert Creme auf die wunde Stelle und fährt weiter. Auf Kilometer 1.000 zu, der schon früh am Morgen geschafft ist.

Heute wollen sie die nächste Grenze passieren, den Schritt machen in ein ganz anderes Kapitel: hinüber nach Russland, jenes Land, vor dem Jonas nicht nur Respekt hat, sondern tatsächlich Angst. Aber erst einmal genießt er noch das Hochgefühl, denn der Wind dreht sich am Nachmittag.

DER WEG NACH SANKT PETERSBURG

Jonas ist gut aufgelegt. Okay, sie sind ein bisschen hinter Plan. Mit dem starken Gegenwind, der seit Tagen konstant weht, war nicht zu rechnen. »Aber es wird auch wieder Rückenwind kommen, das weiß ich, das wird sich ausgleichen«, sagt er. Philipp spürt jetzt, dass der Schmerz in seinem Knie nachlässt. Er geht immer öfter für lange Zeit in die Führung. »Ich habe das Gefühl, dass er jetzt stärker wird. Philipp hat jetzt angefangen mit zu pushen.«

Wie jeden Abend schauen sich die beiden auch nach fünf Tagen auf dem Smartphone an, wie weit sie schon gekommen sind. Es ist erstaunlich. Auch wenn sie objektiv noch ganz am Anfang dieser Reise sind, die blaue Linie von Nord nach Süd ist schon gut zu erkennen, sie haben schon richtig Strecke gemacht. Für Jonas steht fest: Alles ist gut, alles wird gut, auch wenn sicher noch einiges auf uns zukommt. Das Wetter war bisher nicht extrem. Mit dem Verkehr hatten sie, bis auf einen sehr nah überholenden Holztransporter, Glück. Auch Pannen sind bislang ausgeblieben.

Je näher sie der russischen Grenze kommen, desto besser läuft es für die beiden. Was sie vielleicht nicht geschafft haben, spielt jetzt keine Rolle mehr. Eigentlich hätten sie am Abend des sechsten Tages in Sankt Petersburg sein wollen, mit einem Sponsor von Jonas war dort ein kleiner Empfang vereinbart. Doch so sind sie noch im Süden Finnlands unterwegs. »Ich habe dennoch ein gutes Gefühl, weil ich merke, dass wir in Schwung sind«, sagt Jonas. Das kann man wohl sagen.

Am sechsten Tag stehen sie in Juuka auf. Sie hatten direkt am idyllischen Pielinen, einem der größten Seen Finnlands, ihr Lager für die Nacht aufgeschlagen und ein Feuer angezündet – ein letztes skandinavisches Bild wie aus dem Katalog. Morgens um 6 Uhr rollen sie los, es regnet bereits. Heute wollen sie die nächste Grenze passieren, den Schritt machen in ein ganz anderes Kapitel: hinüber nach Russland, jenes Land, vor dem Jonas nicht nur Respekt hat, sondern tatsächlich Angst. Aber erst einmal genießt er noch das Hochgefühl, denn der Wind dreht sich am Nachmittag. Jonas und Philipp durchqueren die Seenlandschaft an der russischen Grenze, und jetzt weht der Wind von hinten. Sie beschleunigen. Heute werden sie das erste Kapitel schließen, ein fantastisches Gefühl. 298 Kilometer legen sie an diesem Tag zurück. Es ist ihr bislang stärkster Tag.

Um etwa 22 Uhr erreichen Jonas und Philipp die Grenze zwischen Finnland und Russland. Ein Tag zum Feiern liegt hinter ihnen. Der Anfang ist gemacht. Der Weg hierher war mühsam, aber im Rückblick sieht all das Leiden, der Gegenwind, die Probleme mit Knie und Gesäß, nicht mehr so wild aus. Jetzt geht es über die Grenze, durch die Visumkontrolle, hinüber in das riesige Reich im Osten Europas. Es geht hinein in ein neues Kapitel, vor dem Jonas zu Recht Angst hat.

Cape to Cape

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