Читать книгу Canadian Boys: Nico & Logan - Tim Glaab - Страница 8

3. Kapitel

Оглавление

Mit Sack und Pack treten wir in einen warmen Flur. Die Tür hat uns Mica, eine Frau Anfang dreißig, geöffnet und uns mit einem einnehmenden Lächeln begrüßt. Nachdem wir ihr der Reihe nach die Hand gegeben und unsere Sachen neben die Garderobe im Hausflur abgestellt haben, um unsere nassen Schuhe auszuziehen, stellt sie uns nun die restliche Truppe des Hauses vor.

Zum einen hätten wir da Benji, wie er sich uns vorstellt, der als unser persönlicher Guide auf Ausflügen fungiert, sofern wir seine Unterstützung in Anspruch nehmen möchten. Für den Wellnessbereich ist Grace verantwortlich. Sie wird uns für Massagen zur Verfügung stehen, während wir uns mit Gabriel, unserem Koch, immer morgens kurzschließen sollen, wann wir zum Abendessen zurück sein werden. Außerdem möchte er von uns wissen, ob jemand von uns Unverträglichkeiten hat, schließlich möchte er nicht, dass einer von uns die meiste Zeit des Urlaubs über der Schüssel verbringt.

„Schön, dass ihr hier seid“, lässt uns Mica wissen, nachdem wir uns alle miteinander bekannt gemacht haben. „Ich werde euch jetzt hoch in den ersten Stock begleiten, damit ihr euch eure Zimmer aussuchen könnt.“ Sie geht voraus und bedeutet Benji und Gabriel unsere Koffer und Taschen zu nehmen, die diese freundlicherweise die Treppe hinauftragen und zu Beginn des Flures abstellen.

„Danke“, rufe ich den beiden hinterher, als sie sich wieder auf den Weg nach unten machen.

„So“, beginnt Mica und sieht uns der Reihe nach an. Man erkennt, dass ihr die Arbeit Spaß macht. „Ihr findet hier oben drei Schlafzimmer und ein großes Badezimmer mit Dusche, Badewanne und WC. Ein kleines Bad mit Dusche ist auch noch unten im Erdgeschoss. Die Schlafzimmer könnt ihr selbst unter euch aufteilen. Logan, du wirst ebenfalls hier im Haus übernachten. Nicos Eltern haben darauf bestanden, dass du ganz in der Nähe untergebracht bist, damit du jederzeit verfügbar bist. Die Zimmer sind alle drei gleich ausgestattet. Außerdem findet ihr am Ende des Flurs noch einen Balkon. Alles Weitere kann ich euch gerne heute Abend beim Abendessen erklären. Jetzt packt erst einmal in Ruhe aus und kommt hier an. Wenn was ist, ich bin unten im Esszimmer. Das ist der Raum rechts neben dem Foyer.“ Sie lächelt uns erneut an, ehe sie die Treppe wieder nach unten geht.

„Also, wer möchte welches Zimmer?“, möchte Ava wissen und sieht zwischen Logan und mir hin und her.

„Mir ist es egal, macht das unter euch aus“, sagt Logan sofort.

„Bevor jetzt die großen Diskussionen losgehen, nehme ich einfach das gleich rechts neben der Treppe.“ Ich schnappe mir meinen Koffer.

„Okay, dann nehme ich das in der Mitte und du Logan das hinten neben dem Balkon?“

Logan nickt zustimmend.

„Sehr gut. Dann packen wir jetzt in aller Ruhe aus und können ja später drüber reden, wann wir essen wollen“, schlage ich vor.

„Sehr gut. Wir sehen uns!“ Ava greift sich ebenfalls ihren Koffer und macht sich auf zu ihrem Zimmer. Auch Logan macht sich mit seinem Koffer auf den Weg und läuft vor mir her in Richtung seines Zimmers. Während er so vor mir herläuft, mustere ich seinen Hintern, der sich bilderbuchmäßig in seiner Anzugshose abzeichnet.

Logan hier im Haus? Der Trip wird immer besser!

***

Das Zimmer ist schlicht gehalten, aber trotzdem gemütlich. An der Wand gegenüber dem großen Doppelbett befindet sich eine Kommode, mit einer Flasche Wasser und einem Glas. Darüber hängt ein großer Flachbildfernseher an der Wand. Der Kleiderschrank befindet sich rechts neben der Tür und ist mit einer Spiegelfront versehen, in der sich die Sonne, die durch die Fenster gegenüber scheint, spiegelt und den Raum erhellt.

Ich stelle meinen Koffer vor den Schrank, ziehe mir die Jacke aus und stelle mich vor das große Doppelfenster. Als ich die weißen Gardinen zur Seite schiebe, erstreckt sich vor mir ein Panorama aus Berggipfeln und nichts außer weißem, unberührtem Schnee. Verträumt blicke ich in die Ferne und bin meinen Eltern unheimlich dankbar, dass sie dieses Haus für uns ausgesucht haben. Zwar wissen wir noch nicht, was sich hier alles verbirgt, doch ich bin mir sicher, wir werden noch die ein oder andere Überraschung erleben.

Sorgfältig schiebe ich die Gardine zurück an ihren ursprünglichen Platz, bevor ich nach meinem Handy greife und meiner Mutter eine kurze Nachricht sende.


Nico 16.12. 15:52 Uhr

Ihr seid wahnsinnig!

Dieses Haus ist ein Traum! Das muss

euch doch ein Vermögen gekostet haben!

Ich schicke euch die nächsten Tage noch

Bilder, damit ihr auch was von unserem

Trip habt!

DANKE! DANKE! DANKE!


Gut, das mit dem Vermögen ist so eine Sache für sich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich meine Eltern den Trip leisten können, ohne dass sie sich auch nur im geringsten Gedanken um ihre Finanzen machen müssen. Trotzdem ist es mir wichtig, mich bereits jetzt bei ihnen zu bedanken. Denn eins ist sicher: Dieses Haus ist der absolute Wahnsinn!

Die Antwort meiner Mutter lässt auch nicht lange auf sich warten.


Mum 16.12. 15:56 Uhr

Das freut uns sehr! Du weißt doch,

nur das Beste ist gut genug!

Lasst es euch gut gehen.

Bin gespannt auf die Bilder!


Grinsend lege ich mein Handy auf das kleine Schränkchen neben dem Bett und lasse mich rücklings auf die weiche Matratze fallen. Wie von allein fallen meine Augen zu und ich dämmere in einen leichten Schlaf, der mich jedoch überraschenderweise fit und ausgeruht erwachen lässt. Ein Blick auf mein Handy verrät, dass es bereits fast sechs Uhr ist.

Bevor es Zeit für das Abendessen wird, schnappe ich mir meine Jacke und schlendere zum Balkon, um mir die Aussicht von meinem Zimmerfenster genauer anzusehen. Als ich die Tür hinter mir schließe, nehme ich eine Bewegung im Augenwinkel wahr. Erschrocken fahre ich herum und blicke in Logans überraschtes Gesicht. Seine Hände hält er vor sich, als wäre ich ein aufgeschrecktes Pferd, das er zur Ruhe bringen muss.

„Hey, alles gut. Bin nur ich“, sagt er sanft.

Erleichtert greife ich mir an die Brust und atme tief durch.

„Mann. Du hast mich jetzt aber erschreckt“, gebe ich von mir und schiebe ein freundliches Lächeln hinterher.

„Hallo? So furchtbar sehe ich jetzt aber auch nicht aus.“ Er lacht und kratzt sich verlegen am Hinterkopf.

Okay, war das eine Anspielung? Oder legt er es auf etwas an?

Sein Blick wandert von unten herauf und sucht meinen.

Erwartet er jetzt ernsthaft eine Antwort?

„Liegt wohl im Auge des Betrachters“, gebe ich trocken von mir. Sein verlegener Gesichtsausdruck wandelt sich schlagartig in eine Schockstarre und ich fange an zu lachen. „Das war ein Witz. Für einen Kerl siehst du echt ganz gut aus.“ Ich verdrehe die Augen und bin versucht ihm kumpelhaft auf die Schulter zu schlagen, lasse es aber letztendlich doch bleiben. Wir kennen uns gerade einmal ein paar Stunden und ich möchte nur ungern irgendeinen Fehler machen, den ich im Endeffekt bereuen könnte.

„Gut gerettet“, kontert er und schenkt mir ein traumhaftes Grinsen, das seine strahlendweißen Zähne zum Vorschein bringt.

Beruhig dich! Er ist dein Chauffeur und nichts weiter!, flüstert der Engel auf meiner Schulter. Ja, im Moment. Doch was nicht ist, kann ja noch werden!, kontert der Teufel auf der anderen. Ich wende meinen Blick auf die Berggipfel hinter ihm.

„Traumhaft, nicht?“, sagt Logan leise und stellt sich neben mich.

„Ja“, stimme ich ihm zu, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich die Aussicht oder Logan meine. Er kramt nach etwas in seiner Jackentasche und ein leichter Windhauch trägt den Duft seines Parfüms in meine Nase. Die Mischung aus fruchtig und scharf brennt sich mir sofort ins Gedächtnis ein.

„Stört’s dich?“, fragt er mich und mit einem „Hmm?“ drehe ich mich ihm zu. In seinem Mund wippt eine Zigarette freudig auf und ab.

Mein Blick bleibt auf seinen Lippen kleben.

Bereit geküsst zu werden!, raunt der Teufel nah an meinem Ohr.

„Nicht solange du mir eine abgibst“, erwidere ich.

Ich habe einmal in meinen 26 Jahren an einer Zigarette gezogen und finde es furchtbar. Warum ich das jetzt mache? Keine Ahnung!

Er reicht mir die Schachtel und ich ziehe mir eine Zigarette heraus. Während er die Packung wieder in seiner Jackentasche verschwinden lässt, zündet er sich seine Zigarette an und ehe ich fragen kann, ob er mir das Feuerzeug gibt, brennt meine ebenfalls. Langsam nehme ich einen Zug, inhaliere den Rauch und puste ihn wieder aus meinen Lungen. Das alles geschieht im reinsten Schneckentempo, aber nur, weil ich mich mehr anstrengen muss nicht zu husten, als ein Kind beim Lernen des ABCs.

„Hätte nicht gedacht, dass du rauchst“, lässt er mich wissen und klopft die Asche in den Aschenbecher, der auf dem Tisch neben der Tür steht.

Ich auch nicht!

„Ab und zu, wenn mir danach ist. Und hier in dieser Umgebung finde ich es ganz passend“, erwidere ich. Und so stehen wir auf dem Balkon, sein Blick in die Ferne gerichtet und meiner, der die Gelegenheit nutzt, Logan einmal aus nächster Nähe zu mustern.

Die kurzrasierten blonden Haarstoppeln, der getrimmte Bart und die Tatsache, dass er sportlich ist, sprechen mich wahnsinnig an. Er wirkt wie einer der Sportler, denen ich damals auf der Highschool heimlich hinterhergeschmachtet habe. Mittlerweile hat er auch seinen Anzug gegen eine schlichte Jeans eingetauscht. Was er allerdings unter seiner dicken Winterjacke trägt, erkenne ich nicht. Ich nehme erneut einen Zug von der Zigarette und stelle mit Erschrecken fest, dass es mir diesmal schon deutlich leichter fällt als beim ersten. Logan tut es mir gleich, blickt mich dann jedoch unvermittelt an.

„Was wolltest du eigentlich hier draußen?“

„Ich schätze mal das gleiche wie du. Die Natur genießen so lange, bis es zum Abendessen geht“, antworte ich wahrheitsgemäß.

„Stimmt. Deshalb bin ich auch hier. Der Ausblick ist einfach Wahnsinn! Ich weiß, du hast mich nicht ausgesucht und ich bin beruflich hier. Trotzdem möchte ich mich bedanken, dass ich die Chance habe, euch hier herumfahren zu dürfen. Das wird vermutlich die aufregendste Zeit überhaupt.“ Irgendwie schmeichelt es mir, ihn glücklich zu machen, doch er hat schon recht. Nicht ich oder Ava haben ihn ausgesucht, sondern meine Eltern. Und die haben sich vermutlich nichts dabei gedacht. Einfach die Agentur angerufen und einen Fahrer bestellt und der Rest war Schicksal.

Zufall! Der Rest war Zufall!

„Freut mich, wenn es dir gefällt. Ich bin gespannt, was die nächsten Tage so bringen werden. Wir sollten uns beim Abendessen mit Ava absprechen, was ihre Pläne für Morgen und die nächsten Tage sind“, überlege ich laut und drücke die Zigarette schließlich im Aschenbecher aus.

„Ihr könnt euch ja Gedanken machen, was ihr gerne machen möchtet und mir dann bescheid geben. Ich werde in meinem Zimmer zu Abend essen.“

Mit Mühe kann ich gerade noch so verhindern, dass meine Kinnlade nach unten klappt.

„In deinem Zimmer? Wieso das denn?“

„Na, es ist euer Urlaub und wie bereits gesagt, ich bin nur euer Fahrer.“

Ich glaube, mich verhört zu haben.

„Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder? Du wirst mit uns zusammen essen. Und Widerworte werden nicht geduldet!“

Er nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette, ehe er sie ebenfalls ausdrückt und sieht mich direkt an.

„Wirklich? Ich meine, ist es euch wirklich recht, wenn ich mich zu euch setze?“, fragt er vorsichtig, was schon wieder etwas Süßes hat.

Ich nicke.

„Ja, ist es. Und jetzt los. Das Essen sollte fertig sein“, scheuche ich ihn vor mir her und schließe hinter uns die Balkontür. Mittlerweile habe ich richtig Kohldampf, immerhin haben wir seit heute Morgen nichts mehr gegessen.

***

„Oh mein Gott, dass Essen ist so unglaublich gut“, stöhnt Ava und schiebt sich einen weiteren Bissen des Filet Mignon in den Mund.

„Mhhhm.“ Ich stimme ihr mit vollem Mund zu und auch Logan, der zum Glück keine weiteren Anstalten mehr gemacht hat in seinem Zimmer zu essen, nickt kauend wie ein Wackeldackel. Wir sitzen zu dritt an dem großen, runden Holztisch inmitten des großen Esszimmers und genießen die erste Mahlzeit unseres Aufenthalts in dieser Luxusvilla.

Gabriel, unser Koch, hat uns ein Filet Mignon im Speckmantel gezaubert. Dazu gibt es eine Pfefferrahmsoße, Speckbohnen und Kartoffelwedges. Innerhalb kürzester Zeit haben wir die Teller geleert, zu lange ist unser aller Frühstück her.

Als Mica die leeren Teller abgeräumt hat, gesellt sie sich noch kurz zu uns, um uns einige Dinge über das Haus zu erzählen.

„Nachdem ich euch bei eurer Ankunft nur einen kleinen Einblick in den obersten Stock gewährt habe, muss ich euch noch etwas über das Highlight in unserem Haus sagen. Und zwar befindet sich im Kellergeschoss ein großer Indoorpool, ein Whirlpool und ein Sauna- und Wellnessbereich. Ihr könnt euch gerne jederzeit dort unten aufhalten. Bei Massagewünschen richtet ihr euch einfach an Grace. Sie wird sich dann um euch kümmern“, erklärt sie uns und Ava strahlt. „Also, was habt ihr für morgen alles geplant?“

Ich sehe zu Ava hinüber und sie sagt: „Morgen gibt es eine Mischung aus Bewegung und Entspannung. Wie wäre es, wenn wir uns nach dem Frühstück auf den Weg in einen der umliegenden Parks machen, ein wenig spazieren gehen und am Nachmittag kommen wir hierher zurück und entspannen ein bisschen in Pool und Sauna?“

„Das klingt nach einem sehr verlockenden Plan. Dann machen wir den Ausflug morgen ohne Benji und nehmen ihn beim nächsten Mal mit“, pflichte ich ihr bei. Mein Blick wandert zu Logan, der gerade einen Schluck von seiner Cola genommen hat. „Dann frühstücken wir morgen gemeinsam um sieben Uhr und machen uns anschließend auf den Weg?“

Er nickt.

„Wunderbar, ich werde Grace sagen, sie soll sich für den Nachmittag bereit halten“, lässt uns Mica wissen und erhebt sich von ihrem Stuhl. „Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und wenn noch etwas ist, meine Telefonnummer findet ihr in der Mappe in der Schublade eures Nachtschränkchens.“ Sie winkt uns zum Abschied und schon ist sie in Richtung Küche verschwunden. Kurze Zeit später klappert es hinter uns und als ich mich umdrehe, sehe ich Gabriel, der mit einer silbernen Platte auf uns zu kommt.

„Ich habe hier noch ein paar süße Leckereien für euch. Ich werde mich jetzt auf den Weg nach Hause machen. Wenn ihr Kaffee oder andere Getränke möchtet, in der Küche im Kühlschrank findet ihr Softdrinks und auch ein, zwei Flaschen Wein. Bier gibt es leider keines, kann ich euch aber für morgen besorgen, wenn ihr möchtet. Die Kaffeemaschine befindet sich direkt daneben. Mica hat mich außerdem in Kenntnis gesetzt, dass das Frühstück morgen für sieben Uhr angesetzt ist. Habt ihr irgendwelche speziellen Wünsche?“ Er sieht sich fragend in der Runde um, doch niemand scheint Heißhunger auf etwas Außergewöhnliches zu haben. „Okay, dann schaue ich mal, was ich euch auftische. Schönen Abend noch!“ Er winkt uns zum Abschied und verschwindet wieder in die Richtung, aus der er gekommen ist.

„Und was machen wir jetzt noch mit dem angefangenen Abend?“, möchte Ava wissen. Ich sehe auf die Uhr. Es ist erst kurz nach acht. Ich zucke mit den Schultern.

„Was haltet ihr davon, wenn wir es uns im Wohnzimmer vor dem Kamin gemütlich machen? Vielleicht finden wir auch noch ein Spiel, oder wir schauen einen Film?“, frage ich in die Runde.

„Ist es für euch auch wirklich in Ordnung, wenn ich mich euch anschließe? Schließlich ist es euer Urlaub. Ich möchte mich da nicht irgendwie aufdrängen oder so.“ Logan sieht uns beide an.

Ernsthaft? Ist das das Einzige, was ihm durch den Kopf geht?

„Ja, Logan. Es ist absolut okay. Wir würden dir schon sagen, wenn es nicht für uns in Ordnung wäre, wenn du dabei bist. Hinterfrag nicht dauernd alles. Du bist erwünscht und ich bin mir sicher, das wir zu dritt einen wunderschönen Urlaub verbringen werden.“ Kurzschlussreaktion!

Noch ehe ich mir überlegen kann, was ich sagen möchte, macht sich mein Mund selbstständig und die Worte sprudeln nur so aus mir heraus. Hilfesuchend sehe ich zu Ava, die verwundert eine Augenbraue in die Höhe zieht. Doch schon hat sie sich wieder gefangen.

„Sehe ich genauso. Du bist ein wirklich netter Mensch und wir kommen doch super miteinander klar, oder?“, pflichtet sie mir bei. Logan nickt leicht und schenkt uns ein mattes Lächeln. Vermutlich war dieser kleine Ausbruch genau das, was er gebraucht hat, um endlich von seinem Ich-störe-euch-bei-eurem-Urlaub-Trip runter zu kommen.

„Also wäre das auch geklärt. Logan, du nimmst das Tablett mit den Dingern hier, Ava, du schaust im Wohnzimmer nach einem Spiel oder nach einem Film und ich kümmere mich um die Getränke. Wer möchte was?“, verteile ich die Aufgaben, ehe sich die Aktion noch mehr in die Länge zieht.

„Ich hätte gerne einen Latte. Passt vermutlich ganz gut zu den Teilen“, sagt Ava und erhebt sich von ihrem Stuhl.

„Dem schließe ich mich an.“ Mit diesen Worten steht auch Logan auf, schnappt sich das Tablett und folgt Ava ins Wohnzimmer. Ich mache mich auf den Weg in die Küche.

„Drei mal Latte“, rede ich vor mich hin, damit ich es nicht vergesse, bis die Kaffeemaschine bereit ist. Wäre schließlich nicht das erste Mal, dass mich mein Gedächtnis im Stich lässt. Wenn ich bei der Planung meiner Bücher nicht die grundlegenden Ideen direkt aufschreiben würde, hätte ich sie direkt wieder vergessen. Während ich die Kaffeemaschine anschalte, hole ich die Milch aus dem Kühlschrank und stelle die Gläser bereit. Die Maschine ist ein typischer Kaffeevollautomat. Auf dem touchbetriebenen Bildschirm hat man die Auswahl aus zig verschiedenen Getränken, von denen ich nur einen Bruchteil kenne. Als die Maschine bereit ist, stecke ich den Schlauch in die Milchpackung, stelle das erste Glas unter die Düsen und drücke auf dem Bildschirm auf die Fläche für den Latte Macchiato. Nachdem ich diesen Vorgang noch zwei weitere Male wiederholt habe, verstaue ich die Milchpackung zurück im Kühlschrank und bemerke erst jetzt, dass dort zwei Flaschen Sekt stehen.

Wer weiß, für was die später noch gut sind!

Ich stelle unsere Gläser auf ein Tablett, das ich auf einem der Schränke gefunden habe und versuche möglichst unfallfrei unsere Kaffees in das Wohnzimmer zu manövrieren.

Zum Glück konzentriere ich mich auf eine Karriere als Autor, denn als Kellner würde ich es nicht weit bringen. Nachdem ich die Kurve aus dem Esszimmer ins Foyer zu schmal genommen habe und mit dem Tablett am Türrahmen hängengeblieben bin, ist aus allen drei Gläsern etwas Kaffee übergeschwappt. Als ich schließlich eintrete, sitzt Logan auf dem Sofa und beobachtet Ava dabei, wie sie die Schränke durchsucht.

„Und, hast du schon was gefunden?“ Ich stelle das Tablett auf dem kleinen Glastisch ab. In der Mitte des Tischs stehen Untersetzer, die ich verteile, um anschließend die Gläser darauf abzustellen. Mit einer Serviette trockne ich die Gläser unauffällig ab, die alle in einer Kaffeelache stehen. Das Tablett wische ich ebenfalls kurz ab, lasse es anschließend auf der unteren Ablage des Tisches verschwinden und nehme neben Logan platz. Zum zweiten Mal an diesem Tag weht sein Duft zu mir herüber und gerade so gelingt es mir, mich zusammenzureißen und nicht näher an ihn heranzurutschen, um einen tiefen Atemzug zu nehmen. Etwas an ihm ist so anders als an den Kerlen, die ich bisher kennengelernt habe und er wirkt deutlich reifer.

Liegt vielleicht daran, dass er hetero ist und du dich bisher nur mit Schwulen getroffen hast, die auf dein Geld geil waren. Er ist zwar nicht schwul, aber das mit dem Geld wird früher oder später auch noch kommen, nörgelt das Teufelchen auf meiner Schulter.

Ob er hetero ist, wissen wir überhaupt nicht. Das wird sich noch im Laufe der nächsten Zeit zeigen. Und auf dein Geld ist er ganz bestimmt nicht aus. Dafür ist er viel zu zurückhaltend und sympathisch, widerspricht das Engelchen auf der anderen Seite.

Ich seufze leise und nehme einen Schluck von meinem Kaffee.

„Nein, ich finde weder ein Spiel noch eine DVD. Und im Fernsehen läuft auch nichts Interessantes. Das haben wir schon durch. Vielleicht finden wir ja auf Netflix was“, antwortet mir Ava auf meine Frage.

„Also ich kenne mich leider gar nicht mit Technik aus“, gesteht Logan und verzieht schuldbewusst das Gesicht.

„Ich schon.“ Zugegeben, was Handy oder Tablet angeht, gehe ich voll mit der Zeit. Jedesmal, wenn ein neues Smartphone rauskommt und mich von sich überzeugt, muss ich es haben. Egal, wie alt – oder jung – mein derzeitiges Handy ist. Und mit Smart-TV kenne ich mich ebenfalls aus. Ich stehe also vom Sofa auf, trete zu Ava und nehme ihr die Fernbedienung ab. Mit wenigen Handgriffen habe ich die Netflix-App auf das Gerät heruntergeladen, mich mit meinen Zugangsdaten angemeldet und bitte die beiden mir zu sagen, welchen Film sie gerne sehen möchten. Nach kurzer Diskussion entscheiden wir uns für eine Komödie, die noch niemand von uns dreien gesehen hat.

Gerade als ich mich neben Logan setzen möchte, kommt mir Ava zuvor und grinst mich dabei an. Etwas irritiert bleibe ich stehen, mustere sie von oben, ehe ich mich kommentarlos umdrehe und auf dem Sessel auf Logans anderer Seite platz nehme. Ava möchte ihm nahe sein, um auf Tuchfühlung mit ihm zu gehen, denn ihrem Verhalten im Auto nach zu urteilen, versucht sie Logan von sich zu überzeugen.

Auch wenn er allem Anschein nach kein sonderlich großes Interesse an ihr hat.

Ich starte den Film und schon nach kurzer Zeit verschwende ich keinen Gedanken mehr an die Sitzordnung.

Nach einer knappen Stunde ist der Kaffee ausgetrunken. Also stelle ich kurzentschlossen die Gläser auf das Tablett und trage es zurück in die Küche. Nachdem ich das Geschirr in der Spülmaschine verstaut habe, suche ich nach Sektgläsern und schnappe mir die beiden Sektflaschen aus dem Kühlschrank.

Was passt denn besser zu einer Komödie, als zwei Flaschen Sekt?

Im Wohnzimmer angekommen, sehe ich Ava, die sich zu Logan herumgedreht hat und ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Eifrig nickt sie mit dem Kopf, auch wenn Logan allem Anschein nach nur etwas über seine Arbeit als Chauffeur erzählt und dabei wenig begeistert aussieht. Ava hingegen hängt an seinen Lippen und zwirbelt verspielt eine ihrer blonden Strähnen zwischen den Fingern. Eine Angewohnheit, die ich bei ihr schon des öfteren gesehen habe, sobald sie sich mit einem hübschen Kerl unterhält. Ich stelle die Gläser auf unsere Untersetzer und öffne die erste Flasche mit einem lauten Plopp, was die beiden erschrocken auseinanderfahren lässt. Logan wirft mir einen fast dankbaren Blick zu.

„Was gibt das denn jetzt?“, möchte Ava wissen. Ihrem Blick entnehme ich, dass ihr meine Unterbrechung so gar nicht in den Kram passt.

„Nach was sieht des denn aus?“, stelle ich unbeeindruckt die Gegenfrage.

„Wie es aussieht möchtest du uns abfüllen“, bemerkt Logan. Ein Lächeln umspielt seine Lippen.

„Gut erkannt“, lobe ich ihn und fülle die Sektgläser eines nach dem anderen mit der prickelnden Flüssigkeit. „Außerdem sind es doch nur zwei Flaschen für drei Personen. Sonderlich betrunken werden wir davon jedenfalls nicht.“

Falsch gedacht!

Als der Film zu Ende ist und der Abspann läuft, lachen wir alle drei gleichermaßen. Angeheitert von den beiden Flaschen Sekt, die bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken sind, halten wir uns die Bäuche.

„Und jetzt?“, fragt Ava und kichert. Bei ihr macht sich der Sekt bereits deutlich bemerkbar.

„Klingt zwar kindisch, aber was sagt ihr zu einer Runde Flaschendrehen?“, möchte Logan wissen. Irritiert sehe ich ihn an, ehe ich schließlich lauthals beginne zu lachen. Auch Ava scheint nicht zu wissen, was sie von der Idee halten soll.

„Flaschendrehen? Wie alt sind wir, zehn?“ Belustigt schüttelt sie den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das in unserem Alter so unterhaltsam ist wie damals zur Schulzeit.“

„Also … na ja. Es kommt halt drauf an, wie man es spielt“, nuschelt Logan vor sich hin.

Moment, er spielt aber doch nicht gerade etwa mit der Idee …?!

„Wir könnten ja die nicht jugendfreie Version davon spielen.“

Okay, also doch!

Ist das jetzt sein Ernst? Immerhin kennen wir uns gerade mal seit ein paar Stunden und er macht jetzt schon so einen Vorschlag?

Was Alkohol so alles bewirkt!

„Hmm“, brummelt Ava vor sich hin. Anscheinend spielt sie tatsächlich mit dem Gedanken, Logan in seinem Vorschlag zu unterstützen.

Nur weil sie sich einen Kuss mit ihm erhofft, knurrt das Teufelchen wieder nah an meinem Ohr.

Sieh doch mal die andere Seite. Wenn sie einen Kuss mit ihm bekommen kann, dann du auch. Schließlich weiß man nie, was bei diesem Spiel passiert!, teilt mir der Engel mit. Und ehrlich gesagt hat er gar nicht mal so unrecht. Sollte es eine Möglichkeit dazu geben, dann ja wohl jetzt!

„Also gut. Ich bin dabei“, stimme ich der ganzen Aktion zu, ehe ich es mir anders überlege. Logan schenkt mir einen überraschten Blick, während Ava etwas verdutzt ausschaut.

„Hauptsache wir machen jetzt noch IRGENDWAS“, gibt Ava klein bei und leert ihr Sektglas in einem Zug. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sie nicht gerade begeistert ist. Ob von der Idee, Flaschendrehen spielen zu müssen, oder ob es an etwas völlig anderem liegt, kann ich nicht beurteilen.

„Gut, dann hole ich eine Flasche aus Plastik. Wir wollen doch nicht gleich an unserem ersten Abend für Scherben sorgen, oder?“ Logan springt auf und ist auch schon aus dem Zimmer verschwunden, als Ava den Abstand zwischen uns mit einem Sprung überwindet und mich an den Schultern packt. Leicht wankend steht sie vor mir.

„Wenn ich Pflicht nehme, sagst du, dass ich ihn küssen muss!“

Abgemacht, wenn du das gleiche bei mir machst!

Mit verschleiertem Blick sieht sie mich an und jedes Mal, wenn sie ausatmet, schlägt mir eine Alkoholwolke entgegen. Ihr Gesichtsausdruck zeigt mir allerdings, dass es ihr ernst ist mit dem, was sie da gerade gesagt hat. Dennoch finde ich die ganze Situation ziemlich amüsant.

„Das ist Spielmanipulation, das ist dir schon bewusst, oder?“, frage ich belustigt.

Irgendwie passt mir das trotzdem alles gar nicht in den Kram. Ich habe mich auf einen erholsamen Urlaub eingestellt mit genügend Zeit für uns, doch im Moment habe ich eher das Gefühl, als würde sie viel lieber den Urlaub mit Logan verbringen, anstatt mit mir. Mal davon abgesehen komme ich mir vor, als wäre ich das fünfte Rad am Wagen.

„Ach, stell dich doch nicht so an. Diesen kleinen Gefallen wirst du mir wohl tun können, oder? Schließlich brichst du dir keinen Zacken aus der Krone!“

Okay, dieser Tonfall ist mir vollkommen neu! Vermutlich dem Alkohol geschuldet.

„Er scheint es dir wohl richtig angetan zu haben, hm?“, frage ich trocken. Eifersucht macht sich in mir breit.

„Ähm. Du hast schon gesehen, wie er aussieht, oder?“ Sie zieht verständnislos eine Augenbraue nach oben.

„Kann ich nicht beurteilen.“

Kann ich doch, gebe ich aber nicht zu.

Schritte nähern sich und schon steht Logan wieder in der Tür.

„Also, können wir?“, fragt er und nimmt neben dem Kamin platz.

Lasset die Spiele beginnen!

Canadian Boys: Nico & Logan

Подняться наверх