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4. Kapitel

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„Kommt ihr rüber? Dann können wir uns hierhin setzen.“

Ava und ich setzen uns ihm gegenüber auf den Boden und bilden so ein Dreieck. Die Flasche ist unser Mittelpunkt.

„Also, wer möchte anfangen?“ Logan sieht fragend in die Runde. Ich zucke mit den Schultern, also greift Ava zur Flasche und dreht. Okay, sie versucht es. Ihr erster Anlauf war zu schwach, der Zweite hingegen viel zu stark, weshalb die Flasche einmal quer durch das Zimmer rutscht, was mich auflachen lässt.

„Zum Glück haben wir nicht eine der Sektflaschen genommen“, gebe ich breit grinsend von mir. Logan springt auf und holt die Flasche zurück.

„Versuche es mit mehr Gefühl“, rät er ihr. Sie schaut ihm tief in die Augen, ehe sie es ein drittes Mal versucht.

Die Flasche dreht sich und zeigt auf mich.

„Wahrheit oder Pflicht?“, fragt mich Logan .

„Okay, irgendwie komme ich mir vor wie im Kindergarten.“ Ich kann mir ein weiteres Kichern nicht verkneifen. Das ist eine der Angewohnheiten, die ich entwickle, sobald ich zu viel getrunken habe. Und ist der Grund dafür, dass ich normalerweise auch nicht so über die Stränge schlage wie heute Abend. Oder aber ich tue Dinge, die ich später bereue. „Wahrheit“, beantworte ich die Frage.

„Wer stellt sie jetzt?“, möchte Ava wissen.

„Du, du hast ja die Flasche gedreht.“ Mittlerweile hat Logan einen leicht genervten Unterton in der Stimme.

Liegt vermutlich daran, dass wir uns schlimmer benehmen als Kindergartenkinder!

Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass wir Flaschendrehen spielen. Die Regeln sind uns bekannt und trotzdem stellen wir uns ziemlich dämlich dabei an.

„Also gut. Wir sind alle volljährig, dementsprechend gestalten wir die Sache jetzt interessanter als damals in der Schule. Mit wem hattest du dein erstes Mal?“

Okay, das kommt jetzt überraschend.

Ich habe mit vielem gerechnet, aber dass sie direkt in die Vollen geht, hätte ich nicht erwartet.

„Dana Watson“, beantworte ich die Frage wahrheitsgemäß. Klar, ich stehe schon immer auf Kerle, trotzdem habe ich – dank ausgiebigem Alkoholkonsum – mein erstes Mal mit einer Frau erlebt. Was ich bereue, denn mit einem Kerl wäre es vermutlich deutlich besser gewesen.

Aber es war ... okay. Traumhaft, wie man es sich in seinen Träumen vorstellt, war es definitiv nicht, aber trotzdem auch nicht das Grauenhafteste der Welt. Genug jedoch, um mir vollkommen sicher zu sein, dass ich auf Kerle stehe. Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten, greife ich zur Flasche und drehe.

Sie zeigt auf Ava, die mich sofort mit großen Augen ansieht. Ihr Blick spricht Bände.

„Wahrheit oder Pflicht?“, möchte ich von ihr wissen.

„Pflicht“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Auch wenn sie mir im Vorfeld gesteckt hat, was ich zu tun habe, entscheide ich mich doch anders. Ich möchte sie schmoren lassen. Es ist schließlich unser Urlaub und seitdem wir Logan mit einbezogen haben, schmeißt sie sich an ihn ran und lässt mich links liegen.

„Ich möchte, dass du dich wie ein Huhn verhältst, bis du wieder an der Reihe bist.“ Den Blick, den sie mir schenkt, werde ich so schnell nicht vergessen. Als Logan ihn sieht, fällt er in ein grollendes Gelächter und ich stimme mit ein.

„Ist das dein Ernst?“, möchte sie wissen.

„Ah ah ah. Ein Huhn kann nicht sprechen“, erwidere ich streng und wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel, was sich allerdings als völlig sinnlos herausstellt, da sie im nächsten Augenblick zu gackern anfängt, was Logan und mich zeitgleich nach Luft japsen lässt.

„Jetzt kriegt euch mal wieder ein! So lustig ist das nun auch wieder nicht!“, meckert sie.

Diesmal ist es Logan, der sie zurechtweist. „Ava, ein Huhn kann nicht sprechen. Also hör auf und gackere weiter!“

Als sie der ganzen Sache noch einen Hahnenschrei aufsetzt, während sie dabei die Augen verdreht, ist es mit uns vollkommen vorbei. Ich lasse mich nach hinten fallen und halte mir den Bauch, der vom vielen Lachen schon wehtut. Sie verstummt und der Farbe ihres Gesichts nach zu urteilen, ist es ihr nicht peinlich. Nein, sie ist fuchsteufelswild.

Nachdem Logan und ich uns wieder etwas beruhigt haben – was eine gefühlte Ewigkeit dauert – dreht sie die Flasche, die auf Logan zeigt. Sie sieht mich mit funkelnden Augen an, bis mir klar wird, was sie von mir will.

„Okay, okay. Du darfst für die Aufgabe mit ihm sprechen“, beschwichtige ich sie. Ich schwöre, wenn Blicke töten könnten, würde ich jetzt aufgespießt an der Wand hinter mir hängen.

„Wahrheit oder Pflicht?“

„Pflicht.“

Gespannt warten wir ab, was Ava sich für ihn ausdenkt.

„Gut, ich möchte, dass du dein Oberteil ausziehst“, lässt sie Logan wissen. Ihr Gesicht ziert ein schelmisches Grinsen. Logan zuckt mit den Achseln, gibt keinen Ton von sich und streift sich seinen Pullover samt T-Shirt vom Leib.

Gerade so gelingt es mir, meine Augen vom Herausfallen abzuhalten. Meine Vermutung auf einen durchtrainierten Körper war vollkommen richtig. Auf seinem Bauch zeigt sich das Sixpack, das ich schon immer haben möchte, jedoch nie genügend Disziplin an den Tag gelegt habe, um es auch zu erreichen. Schnell wende ich den Blick ab, streiche mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr und sehe zu Ava, die sich nicht so gut im Griff hat wie ich. Ihre Augen sind doppelt so groß geworden. Fehlt nur noch, dass sie zu sabbern beginnt.

„Gut, ich bin dran.“ Logan greift nach der Flasche und dreht sie. Die Muskeln in seiner Brust spannen sich kurzzeitig an.

Er ist heiß!, sagen Engelchen und Teufelchen nahezu synchron.

Die Flasche bleibt erneut auf Ava gerichtet stehen. Zum Glück muss Logan ihr die Aufgabe stellen, denn ich weiß genau, dass ich sie nicht noch eine weitere Runde hinhalten könnte. Vermutlich würde sie mich vor Logans Augen erwürgen.

„Wahrheit oder Pflicht?“

„Wahrheit.“ Ach, bei ihm kein Pflicht?

Logan senkt den Blick auf die Flasche und überlegt.

„Okay, wenn du eine Superkraft hättest, welche wäre das und warum?“ Ohne zu überlegen gibt sie ihm eine Antwort.

„Ich würde gerne fliegen können wie ein Vogel. Oben im Himmel hätte ich meine Ruhe, könnte einen Bogen um stressige Situationen machen. Zumal es sicherlich in dem ein oder anderen Moment von Vorteil wäre, fliegen zu können“, erklärt sie.

„Ja da stimme ich dir zu. Ich glaube es gab schon so einige Momente in denen ich mir gewünscht habe fliegen zu können. Und sei es nur um von einem Fleck zum anderen zu kommen“, meint Logan.

„Fliegen? Ich dachte, als Chauffeur fährt man?“, gebe ich belustigt von mir.

„Natürlich fährt man da. Ich meinte jetzt auch eigentlich eher nicht ganz so einfache Zeiten. Schließlich hatte doch schon jeder so seine Probleme, in denen er am liebsten abgehauen wäre. Flügel auf und ab. “

„Da hast du wohl recht“, stimmt Ava ihm zu, ehe sie zur Flasche greift und sie dreht.

Sie zeigt auf Logan.

„Okay, also wenn ihr allein spielen wollt, kann ich auch ins Bett gehen“, nörgle ich gespielt.

„Ich nehme Pflicht“, beantwortet Logan die ungestellte Frage, sieht mich unvermittelt an und reißt erwartungsvoll die Augen auf. Ava hingegen betrachtet den Raum, als müsse sie angestrengt nachdenken, bis ihr Blick auf mir zum Ruhen kommt. Es breitet sich eine für mich unangenehme Stille aus, denn ich kann ganz genau sagen, welche Aufgabe sie Logan stellen wird, noch bevor sie diese überhaupt ausgesprochen hat.

„Suche dir eine Person aus, die du küsst.“

Richtig gedacht!

Gut. Nachdem Ava die Sache nun selbst in die Hand nimmt, hat sich der Gefallen also erledigt. Ich will gerade nach meinem Sektglas greifen, um mir das nicht ansehen zu müssen, als zwei Dinge gleichzeitig passieren. Zum einen realisiere ich, dass mein Glas bereits leer ist, während ich im Augenwinkel eine Bewegung bemerke. Logan beugt sich zu mir herüber, nimmt meinen Kopf behutsam in seine Hände und zieht mich zu einem Kuss an sich heran, der mich alles um uns herum vergessen lässt. Völlig perplex strecke ich die Hände in die Luft, als würde ich mich ergeben, damit Ava sieht, dass nicht ich derjenige bin, der die Schuld daran trägt.

Logans Lippen fühlen sich genauso zart an, wie ich es mir die letzten Stunden vorgestellt habe. Sein Bart pikst hier und da, doch das stört mich nicht im Geringsten. Der Kuss ist nicht nur ein kurzer Schmatzer, wie ich es eigentlich erwartet hätte. Nein, es ist ein richtiger Kuss – wenn auch ohne Zunge. Logans Augen sind dabei geschlossen, so als würde er die Sache in vollen Zügen genießen.

Oder aber er stellt sich einfach eine andere Person dabei vor.

Gerade als ich drohe, mich in dem Kuss zu verlieren, trennen sich unsere Lippen und er sieht mir direkt in die Augen.

„Hoffe, das war okay“, haucht er, die Lippen gerötet von unserem Kuss, die Augen verschleiert, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf geweckt worden.

„Ähh … ähm ja. Klar“, stottere ich, nicke sicherheitshalber und starre irritiert zu Boden. So hatte sich das Ava sicher nicht vorgestellt.

Oh Gott, Ava!

Langsam drehe ich meinen Kopf in ihre Richtung und finde sie genau so vor, wie ich es erwartet habe. Den Mund weit aufgerissen, die Augen noch größer als bei Logans Striptease.

„Ich muss drehen, oder?“, fragt er und räuspert sich. Er hat wohl ebenfalls erkannt, wie verwirrend die Aktion gerade war. Und dass Ava etwas anderes erwartet hatte, dürfte ihm dank ihres Gesichtsausdrucks mittlerweile auch klar sein. Ohne auf eine Reaktion zu warten, dreht er die Flasche, während er sich am Hinterkopf kratzt. Allem Anschein nach ist das eine Angewohnheit von ihm, wenn er verlegen oder verunsichert ist.

Die Flasche kommt langsam zur Ruhe und ich bin dran.

„Wahrheit oder Pflicht?“

„Wahrheit“, gebe ich noch völlig benommen von mir.

„Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt, du könntest auf das gleiche Geschlecht stehen?“

Baam! Nach diesem Kuss? Wer bitte würde da nicht auf das gleiche Geschlecht stehen wollen?

Trotzdem war es die Frage, auf die ich die Antwort schon seit etlichen Jahren kenne, die ich aber noch nie öffentlich mitgeteilt habe.

„Ich, ähm. Nein ... das heißt ... ähh.“

Keine Ahnung, wie ich darauf antworten soll. Mir würde sicher niemand den Kopf abreißen, trotzdem möchte ich nur ungern den Urlaub in Gefahr bringen. Ich weiß ja nicht einmal, wie Ava auf ein solches Geständnis reagieren würde. Hätte mich gestern jemand gefragt, hätte ich ohne mit der Wimper zu zucken geantwortet, sie hätte keinerlei Probleme damit. Mittlerweile bin ich mir aber nicht mehr so sicher. Schließlich benimmt sie sich seit unserem Aufbruch am Morgen vollkommen anders.

Wenn du gestehst, dass du auf Kerle stehst, würde das den Urlaub aber deutlich interessanter machen. Schließlich könntest du ihr den Kerl ausspannen. Da war er wieder, der kleine Teufel.

Durch ein Outing besteht für dich aber die Möglichkeit, Logan besser kennenzulernen und wer weiß, was sich daraus entwickelt. Das Engelchen hat recht. Sollte sich Logan ebenfalls zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen, könnte ich den Urlaub auch dazu nutzen, ihn besser kennenzulernen und möglicherweise entwickelt sich doch mehr daraus.

„Ich habe noch nie mit dem Gedanken gespielt, nein. Ich weiß, dass ich auf Kerle stehe und das schon seit meiner frühen Jugend.“

Zack, schon ist es draußen.

Und es hat noch nicht einmal wehgetan. Um Logans Lippen spielt ein Lächeln, doch Ava scheint gerade völlig neben der Spur zu sein.

„WAASS?! Wieso in Gottes Namen hast du mir davon noch nie etwas erzählt?!“, kreischt sie und springt vom Boden auf. „Ich dachte, wir sind beste Freunde?“

Ich erhebe mich ebenfalls, um mit ihr möglichst auf einer Augenhöhe zu sein. „Ja, das sind wir auch. Aber du hast mich doch noch nie danach gefragt, oder? Wenn das jemals als Thema aufgekommen wäre, dann hätte ich dich sicherlich nicht angelogen. Aber von allein spreche ich so ein Thema nicht an. Schließlich tut es nichts zur Sache, auf wen ich stehe“, versuche ich sie zu beruhigen, was allerdings eher den gegenteiligen Effekt hat.

„ES TUT NICHTS ZUR SACHE?! Was ist denn, wenn wir beide auf den gleichen Typ stehen würden? Wir würden ernsthafte Probleme bekommen!“ Wie eine Furie baut sie sich vor mir auf, ihr Kopf rot vor Zorn. Einen besseren Beweis für ihre Eifersucht hätte sie mir nicht liefern können.

Wir WÜRDEN ernsthafte Probleme beim gleichen Kerl bekommen? Süße, die HABEN wir doch schon!

„Okay, Ava. Du übertreibst. Wir beide haben von Grund auf einen vollkommen unterschiedlichen Geschmack, was das Thema Männer angeht. Mal davon abgesehen sind die Männer, auf die du stehst, bekanntlich heterosexuell, oder sehe ich das falsch?“ Klar, sie spielt auf Logan an, doch wir wissen beide noch nicht, welches Geschlecht er bevorzugt. Aber im Grunde genommen war es schon immer so. Jedes Mal, wenn sie mir von einem Kerl vorgeschwärmt hat, war er zum einen nicht mein Typ und zum anderen durch und durch ein heterosexueller Mann. Nur langsam scheint sie das Gesagte zu verstehen und allmählich nimmt ihr Kopf wieder eine normale Farbe an.

„Trotzdem hättest du etwas sagen können!“ Sie zieht sich das Gummi aus ihren Haaren, sodass sich ein Meer aus blonden Wellen über ihren Schultern ausbreitet. Ich merke, wie hin- und hergerissen sie ist. Mit gespreizten Fingern streicht sie sich durch die Haare, ehe sie die Hände im Genick verschränkt. „Du hättest doch nur etwas sagen müssen.“ Ihren letzten Satz sagt sie mehr zu sich selbst, denn das Ende ist eher ein Flüstern. Unschlüssig tritt sie von einem Fuß auf den anderen, bis sie mir schließlich den Rücken zuwendet und tief durchatmet.

„Ja, hätte ich. Tut mir leid, dass ich das nicht getan habe. Doch es hat nichts mit unserer Freundschaft zu tun und es wird sich zwischen uns auch nichts ändern“, versuche ich ihr nochmals zu verdeutlichen. Sie holt tief Luft, dreht sich wieder zu mir um

„Okay, okay.“ Sie legt eine kurze Pause ein, bevor sie weiterspricht, „das kommt nur gerade ziemlich überraschend. Komm her!“ Sie zieht mich in eine feste Umarmung und zum ersten Mal an diesem Abend kommt sie mir vor wie die Ava, die ich als beste Freundin habe und nicht wie die, die sich vollkommen auf einen Kerl eingeschossen hat.

Vielleicht hätte ich es ihr doch schon früher sagen sollen.

Als wir uns aus der Umarmung trennen, steht Logan neben uns und sieht mich etwas geknickt an.

„Sorry, ich wollte dich jetzt eigentlich nicht zu einem unfreiwilligen Coming-out zwingen“, sagt er und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. Wieder spannen sich die Muskeln unter seiner Haut an und ich senke den Blick.

Macht er das eigentlich mit Absicht?!

Ich habe gehört, was er gesagt hat, doch ich kann keinen klaren Gedanken fassen, da ich erneut auf seinen nackten Oberkörper starren muss.

„Schon okay“, entgegne ich und riskiere schließlich nochmals einen Blick auf seinen Sixpack, ehe ich ihm wieder ins Gesicht sehe.

„Irgendwann wäre es sowieso rausgekommen.“

Er nickt, schenkt mir ein weniger überzeugendes Lächeln und blickt zur Flasche.

„Wollen wir weitermachen oder lieber aufhören?“

„Wir können ruhig noch weitermachen. Es ist ja noch recht früh“, sagt Ava, während sie ihre Haare wieder zusammenbindet und wir lassen uns alle wieder auf dem Boden nieder. Ich merke ihr an, dass sie – trotz des Alkoholpegels – wieder bei klarem Verstand ist.

Gerade als ich die Flasche drehen möchte, sieht sie mich direkt an.

„Sag mal … War das der Grund, warum du damals unsere Beziehung beendet hast?“ Ihr Blick zeigt, dass sie eins und eins zusammengezählt hat und meine Antwort nur noch als Bestätigung hören möchte.

„Ja. Ich war damals in einer Phase, in der ich mir noch nicht ganz sicher war, doch während unserer Beziehung zeichnete es sich immer mehr ab, dass ich nicht auf Frauen stehe. Ich wollte dir damals nicht noch mehr wehtun, als ich es ohnehin schon getan habe, deshalb dachte ich, ich sage lieber, ich sei nicht über meine letzte Beziehung hinweg“, gestehe ich ihr. „Es tut mir leid.“

Gedankenverloren nickt sie immer wieder, bis sie mich wieder ansieht.

„Schon okay. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht ganz einfach war. Ist in Ordnung.“ Verständnisvoll lächelt sie mich an.

„Freunde?“, möchte ich von ihr wissen.

„Freunde!“, gibt sie zurück und nochmals ziehen wir uns in eine kurze Umarmung.

Wir spielen noch eine ganze Weile und vergessen fast die Zeit. Als ich mich schließlich umsehe, zeigt die Uhr über dem Kamin bereits kurz vor Mitternacht.

„So, einmal drehe ich noch und danach können wir aufhören“, sage ich und kann ein Gähnen nicht unterdrücken. Der Tag war lang und auch die sechsstündige Autofahrt ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Die beiden stimmen mir zu und somit drehe ich ein letztes Mal die Flasche, die auf Logan zeigend zum Stehen kommt.

„Ich nehme Pflicht.“ Seine Augen sind bereits glasig und auch ihm sieht man an, wie müde er ist.

„Gib Ava einen Kuss. Schließlich sollte sie auch in den Genuss von deinen Lippen kommen“, necke ich und zwinkere ihm zu. Einen solchen Kommentar offen auszusprechen, fühlt sich unglaublich befreiend an. Zumal ich es Ava zu Beginn des Spiels versprochen habe. Und dieses Versprechen möchte ich auch halten.

Logans Gesicht jedoch scheint für den Bruchteil einer Sekunde in eine Schockstarre zu verfallen, ehe er sich wieder im Griff hat und nickt. Plötzlich wirkt er hellwach. Er lehnt sich über die Flasche, drückt Ava einen Schmatzer auf den Mund und kehrt zurück in seine alte Position, ehe er sich sein T-Shirt samt Pullover über den Kopf zieht.

Okay, damit habe ich jetzt nicht gerechnet!

Auch Ava sieht vollkommen verdutzt aus. Jetzt habe ich ihr den Gefallen getan und trotzdem funktioniert es nicht, weil ER nicht mitmacht. Ehe sich eine peinliche Stille zwischen uns ausbreitet, nehme ich die Flasche und stelle sie auf den Tisch.

„Das wars für heute. Was bin ich froh, wenn ich jetzt in mein Bett fallen kann.“ Ich gähne und reibe mir die Augen. Es ist wirklich allerhöchste Zeit. Schon allein der Gedanke an den bevorstehenden Ausflug morgen lässt mich leise mit den Zähnen knirschen. Hätte ich gewusst, wie müde ich jetzt bin, dann hätte ich für morgen einen kompletten Wellnesstag vorgeschlagen. Ganz ohne Wanderung. Aber jetzt spontan mit Ava und Logan den Tag umzuplanen klingt mir zu stressig. Zumal Grace sich für den Mittag bereithält. Mal davon abgesehen schadet die Bewegung nicht und umso größer ist die Freude auf den Whirlpool, wenn wir von unserem Ausflug zurückkommen. Langsam stehen wir auf, Ava streckt sich und Logan reibt sich über das Gesicht.

„Wollen wir noch einen Plan machen, wer morgen früh wann ins Bad geht?“, möchte Ava wissen, während wir langsam in Richtung Treppe schlendern.

„Also ihr könnt das gerne unter euch ausmachen. Ich werde nur eine Kleinigkeit frühstücken und würde mich danach ins Bad zurückziehen, um mich fertig zu machen“, sagt Logan.

„Dann stehe ich um halb sechs auf und gehe in aller Ruhe duschen. Wenn dir eine dreiviertel Stunde reicht, bin ich gegen viertel nach sechs wieder aus dem Bad verschwunden“, meint Ava. Am Beginn des Flurs unserer Zimmer bleiben wir stehen.

„Okay, so machen wir das. Wir sehen uns morgen in aller Frische beim Frühstück“, beschließe ich und verabschiede mich von den beiden.

In meinem Zimmer angekommen, sehe ich mich nochmals um. Auf der Kommode gegenüber meines Bettes steht eine Flasche Wasser und ein Glas.

Bingo!

Wie zu Hause auch schenke ich mir etwas von dem Wasser ein und nehme das Glas mit zum Bett, ehe ich mich hineinfallen lasse. Sofort fallen mir die Augen zu und ich streife mir mühsam meine Kleidung vom Leib. Ich habe das Gefühl, eine Tonne zu wiegen. Gerade als ich mich unter die Bettdecke gekuschelt habe, geschieht das Unvermeidbare.

Meine Blase meldet sich.

„Das ist doch jetzt nicht wahr, oder?“ Genervt verdrehe ich die Augen, schlage die Bettdecke zurück und mache mich auf den Weg zur Tür. Da die beiden aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in ihren Betten liege, gehe ich nur in Boxershorts zum Ende des Flurs, an dem sich das große Badezimmer befindet.

Als ich schließlich wieder aus dem Badezimmer trete, renne ich direkt in Logans Arme.

„Oh, sorry. Ich hab dich gar nicht gesehen“, sage ich völlig verdutzt. Eine Wolke von kaltem Rauch weht zu mir herüber. „Du warst wohl nochmal eine rauchen?“

Wie in Zeitlupe nickt er. Erst jetzt fällt mir auf, dass sein Blick völlig ungeniert über meinen Körper gleitet. Im Gegensatz zu ihm stehe ich allerdings nahezu nackt vor ihm.

Schützende Deckung? Fehlanzeige!

Sein Blick scheint an meinen Boxershorts festzukleben.

„Hast du gefunden, nach was du suchst?“ Ich stemme provokativ die Hände in die Hüfte und drücke sie ein Stück nach vorn.

„Oh, sorry! Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich dich so anstarre!“ Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf und sieht mir peinlich berührt in die Augen.

„Alles gut, ging mir vorhin genauso, als du dein Shirt ausgezogen hast“, gestehe ich ihm. Erneut durchströmt mich eine Welle der Freiheit. Nachdem die beiden jetzt wissen, dass ich auf Kerle stehe, und ich mir keine Gedanken mehr darum machen muss, was ich sage, hat sich mein Selbstbewusstsein fast verdoppelt. Dieses neuerrungene Gefühl fühlt sich unglaublich an und ich frage mich ernsthaft, warum ich mich Ava nicht schon viel früher anvertraut habe.

„Moment, du hast mich vorhin auch so angestarrt?“, fragt er ungläubig.

„Ja, ist ja nicht so, als hättest du keinen ziemlich gut definierten Body.“

„Wow, okay. Danke.“ Erneut kratzt er sich am Hinterkopf.

„Okay, hör auf. Du musst nicht dauernd so verlegen sein. Wir sind zwei erwachsene Menschen, die sich gegenseitig Komplimente machen. Ist schon okay.“

„Na wenn du das sagst.“

„Ja, das sage ich.“ Ich sehe an ihm vorbei. Gott sei Dank bemerkt Ava nichts von diesem Treffen der etwas anderen Art. Wer weiß, was sie sich vorstellen würde, wenn sie uns so sieht.

„Ich mache mich mal auf den Weg ins Bett. Morgen wird ein ziemlich anstrengender Tag, würde ich sagen.“ Ich gehe an ihm vorbei und bin mir augenblicklich bewusst, wie sein Blick auf meinem Hintern klebt. „Wir sehen uns dann morgen. Gute Nacht.“ Ohne mich erneut zu ihm umzudrehen laufe ich in mein Zimmer und schließe hinter mir die Tür. Mit klopfendem Herzen lehne ich mich dagegen und atme tief durch.

Logan ist schon ein klasse Kerl. Auch wenn er noch nichts über seine sexuelle Orientierung gesagt hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich bessere Chancen bei ihm habe als Ava. Ihr gegenüber wirkt er schon fast kalt, während er mir immer seine volle Aufmerksamkeit schenkt. Vor allem, wenn ich nur in Boxershorts vor ihm stehe. Ich bin gespannt, was uns die nächsten Tage noch alles bringen werden, denn eines ist sicher. Dieser Urlaub dürfte noch ziemlich interessant werden!

Canadian Boys: Nico & Logan

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