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KAPITEL DREI ARISTOKRATEN, BOMBEN UND POLLEN Der Herzog der Dualität
ОглавлениеIch erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren in den trüben Tagen meiner Jugend an einem Vorstellungsgespräch an der Uni teilgenommen habe und vor vier bedeutende Wissenschaftler gesetzt wurde, die mich fragten, was ich über Quantentheorie wisse. Dummerweise hatte ich das in meinem Bewerbungsschreiben erwähnt. Deshalb wollten sie mir auf den Zahn fühlen und mich ein oder zwei Energiestufen herabdrücken.
Ich spulte einen Haufen Fakten über Wellen und Teilchen herunter und versuchte, den Anschein zu erwecken, dass ich meine Materie beherrschte, bis eine von ihnen die Hand hob, um meinem Geschwafel Einhalt zu gebieten, und sehr liebenswürdig fragte: »Ist ein Elektron nun ein Teilchen oder eine Welle?«, bevor sie sich wieder zurücklehnte und zusah, wie ich ins Schwimmen geriet. Ich bin über diese Erfahrung zwar keineswegs verbittert, aber ehrlich gesagt, hatte sie mir eine unbeantwortbare Frage gestellt.
Das Rätsel, dass sich Elektronen und Photonen anders verhalten, wird als »Welle-Teilchen-Dualismus« bezeichnet – ein Begriff, der von dem französischen Adligen Louis-Victor Pierre Raymond, 7. Herzog von Broglie (kurz: Louis de Broglie) geprägt wurde. Louis diente während des Ersten Weltkriegs im Militär und bestand darauf, hinterher eine Ausbildung sowohl in Geschichte als auch in Physik zu erhalten, was er für entscheidend für das Verständnis der Vergangenheit und Zukunft der Menschheit hielt.
Als er bereits in seinen Zwanzigerjahren stand, war die Quantentheorie das große Thema in der Naturwissenschaft. Also beschloss er, seine Doktorarbeit über dieses zentrale Rätsel zu schreiben. War es möglich, dass Dinge im Universum weder Teilchen noch Welle waren und diese Erscheinungsformen nur annahmen, je nachdem, welches Experiment wir durchführten? Sprangen Elektronen und Photonen irgendwie zwischen diesen beiden Zuständen hin und her? Waren unsere schwachen Schimpansengehirne überhaupt in der Lage, mit dem zurechtzukommen, was die Natur auf der Quantenebene wirklich tut?
Wenn wir uns Wellen vorstellen, können wir anhand ihrer Frequenz (wie viele Wellen pro Sekunde auf Sie treffen) und ihrer Wellenlänge (wie weit entfernt jeder Wellengipfel vom anderen ist) berechnen, wie viel Energie sie mit sich führen.
Da wir ebenfalls die Energie eines sich bewegenden Teilchens anhand seiner Masse und Geschwindigkeit berechnen können, stellte de Broglie folgende Frage: Warum sollte man diese beiden Energien nicht gleichsetzen? Wenn wir die Eigenschaften von etwas im Sinne eines Teilchens kennen, können wir seine Energie berechnen und unser Gehirn dann umschalten, um es uns als Welle vorzustellen, deren Energie wir gerade berechnet haben. Energie dient als Übersetzungseinheit zwischen der Wellen- und Teilchenphysik.
Ursprünglich stieß dieser Vorschlag auf Skepsis. Sollten wir ernsthaft sagen, dass jedes Teilchen eine Wellenlänge und jede Welle eine Masse besitzt? Zum Glück für de Broglie gefiel diese Idee Albert Einstein sehr, und er begann sie in seinen Vorlesungen zu befürworten (was nie schadet).
Der Ansatz de Broglies besagt, dass man jedes beliebige Teilchen nehmen und seine mit ihm »verknüpfte Wellenlänge« berechnen kann. Sobald man das getan hat, kann man einen Doppelspalt geeigneter Größe konstruieren und das Teilchen darauf schießen, was auf der anderen Seite ein Interferenzmuster erzeugt. Auch wenn wir vielleicht nicht in der Lage sind, uns visuell vorzustellen, wie etwas gleichzeitig ein Teilchen und eine Welle sein kann, können wir doch gewiss Berechnungen mit ihnen vornehmen und zuverlässige Daten erhalten.
Und das funktioniert auch. Im Jahr 1944 benutzte Ernest Wollan de Broglies Theorie, um Neutronen, die Tausende Male schwerer als Elektronen sind, durch ein Kochsalzkristall abzulenken.18 Protonen können ebenfalls auf dieselbe Weise abgelenkt werden, obwohl es überraschenderweise keine Aufzeichnungen darüber gibt, wer dieses Experiment als Erster durchführte. Im Rückblick hätte ich wahrscheinlich in jenem Bewerbungsschreiben für die Uni nicht behaupten sollen, dass ich es war.