Читать книгу Können wir auf Gravitationswellen surfen? - Tim Ruster - Страница 12
Der Mars: Ein Urlaub im rostigen Naturparadies
ОглавлениеBerge, die wie Titanen am Horizont thronen. Unendliche Schluchten, die die Landschaft durchziehen wie tiefe Narben. Windgepeitschte Dünen, die von gewaltigen Naturkräften erschaffen und sogleich wieder zerstört werden. Die Rede ist nicht vom Grand-Canyon-Nationalpark, sondern vom Planeten Mars! Unser Nachbarplanet ist DIE Anlaufstelle im Sonnensystem für Naturliebhaber, Wanderfreunde und Bergsteiger. Ein Urlaub auf dem roten Planeten ist allen zu empfehlen, die sich gern im Freien betätigen. Ein bekannter Reiseanbieter wirbt nicht umsonst mit dem Slogan: »Auf dem Mars rostet alles – außer Ihre Gelenke!«
Der Mars bietet viele aufregende Naturdenkmale, doch die zwei herausragendsten Landschaftsspektakel sind der Olympus Mons und das Valle Marineris. Der Olympus Mons kann mit Fug und Recht als der König aller Berge bezeichnet werden – und damit sind nicht nur alle Berge des Mars gemeint, sondern des gesamten Sonnensystems. Mit einer Gipfelhöhe von 26 Kilometern über dem umliegenden Tiefland lässt er den Mount Everest wie einen Zwerg erscheinen. Ist eine Besteigung des Olympus Mons also nur für die Reinhold Messners unter den Besuchern geeignet? Ganz und gar nicht! Denn die Schwerkraft auf dem Mars ist wesentlich geringer als auf der Erde. Bei angenehmen 38 Prozent der irdischen Gravitation können auch unerfahrene Bergsteiger die Höhen des Olympus Mons erklimmen. Zahlreiche Touranbieter offerieren geführte Bergwanderungen auf das »Dach des roten Planeten«. Angehende Gipfelstürmer sollten allerdings mehrere Tage für die Besteigung einplanen, da sich der Olympus Mons stark in die Breite erstreckt und die Steigung dafür zwar relativ flach ist, sich aber extrem in die Länge zieht. Mit einem Durchmesser von knapp 600 Kilometern gehört der Olympus Mons zu den sogenannten Schildvulkanen, von einigen lokalen Bergführern auch liebevoll »Pfannkuchenvulkane« genannt.
Touristen, die es eher in die Tiefe statt in die Höhe zieht, sollten unbedingt das Valle Marineris besuchen – den wohl spektakulärsten Canyon unseres Sonnensystems. Das Valle Marineris wirkt wie eine tiefe Narbe in der Oberfläche des Mars, die mit einer Länge von rund 4000 Kilometern und einer Tiefe von bis zu 7 Kilometern etwa 9-mal größer als der Grand Canyon ist. Die Aussage in vielen alten Reiseführern, dass der Grand Canyon eines der »beeindruckendsten Naturspektakel überhaupt« sei, muss also spätestens seit Beginn des Mars-Tourismus in Zweifel gezogen werden. Denn ebenso wie der Olympus Mons den Mount Everest wie einen kleinen Hügel erscheinen lässt, degradiert das Valle Marineris den Grand Canyon zu einem kleinen Riss im Boden. Viele Guides bieten vor Ort Touren mit geologischem Fokus an, bei denen während einer Wanderung durch die Schlucht die Entstehungsgeschichte des Valle Marineris und die unterschiedlichen Gesteinsschichten erläutert werden. Etwas anstrengend können die vielen Händler werden, die in der Schlucht ihre Stände aufgebaut haben und verkleidet in Alien-Kostümen Touristen ansprechen, um ihre meist nicht sonderlich hochwertigen Waren zu verkaufen. Als im 19. Jahrhundert die ersten Karten vom Mars erstellt wurden, gingen viele zeitgenössische Astronomen tatsächlich noch davon aus, dass Gräben wie das Valle Marineris Kanäle seien, die von Außerirdischen errichtet wurden.