Читать книгу Il Maestro - Tim Siegler - Страница 4

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Die Sonne stand schon früh hoch am Himmel an diesem frühlingshaften Tag irgendwo in der Toskana. Das Licht tauchte die Landschaft in einen pastellfarbenen Ton, welcher die hügelige Vegetation mit ihren Zypressen und kleinen gemauerten Häuschen künstlerisch erscheinen ließ. Vereinzelt tanzten Wolken am sonst ruhigen Himmel und es roch nach frisch gerösteten Espressobohnen. Diese entfachten ihr wahrhaftes Aroma in dem kleinen Espressokocher des Maestros, der dort vor einem kleinen Bauernhaus auf einer Bank saß um die frische Luft um seine Nase tanzen zu lassen. Der Kocher war ein Geschenk eines treuen Zuhörers in den Anfangsjahren seiner Karriere. Es musste in Paris gewesen sein, dachte er ganz bei sich selbst. Die Zeit schien still zu stehen, denn beim Betrachten dieses Szenarios konnte man beim besten Willen das Jahr, sogar das Jahrzehnt nicht definieren. Der sonst karge Boden war vereinzelt mit Feldfrüchten bestellt worden. Woanders wiederum sprossen schon die Gräser des Getreides aus der Erde. Diese ließen sich vom unmerklichen Wind verwöhnen und wogten hin und her in ungleichem Takt. Der Mann auf der Bank schenkte sich eine Tasse ein. Er liebte den heißen Espresso, welcher zu Beginn eines jeden Tages sein treuer Begleiter war.

Diese Ruhe, dachte er und lehnte sich zurück. Doch es war kein entspanntes Zurücklehnen, sondern das Sitzen eines Mannes, der unzufriedener mit sich und der Welt nicht sein konnte. Gewiss, er war gesund und finanziell konnte er sich sein tägliches Leben auch leisten, aber es war etwas anderes was ihn an diesem Morgen, wie am letzten Morgen und all den Anderen der vergangenen Jahre verzweifeln ließ.

Maestro, bravo, ancora una volta! , hallte es noch in seinen Ohren nach. Die Plakate die zu einem seiner Konzerte einluden prangten an den Mauern aller Städte Italiens und den großen Opernhäusern der Welt. Er, der große Tenor, würde sich die Ehre geben für das begeisterte Volk zu singen. Die Scala in Mailand war sein Wohnzimmer, das Publikum lag ihm zu Füssen. Bravo! nach dem ersten Vorhang, Bravissimo! nach dem Zweiten und der tosende Applaus verstummte nach dem Dritten und Vierten immer noch nicht. Ihm flogen Rosen entgegen, Frauen kreischten und man behandelte ihn wie einen dieser modernen Popstars, auf die er nur neidisch blickte, weil er den Ruhm vermisste. Wie titelten die Gazetten nach seinen Konzerten: „Verdi ist tot, aber seine Werke waren ein Geschenk an den Maestro!“, „Puccini ist erst nach der Maestro-Interpretation verstanden!“, „ Viva il Maestro!“. Loblieder ließen seine Ohren klingen, nirgendwo konnte er sich unbemerkt aufhalten. Tagtäglich flatterte ihm Fanpost zu oder junge Komponisten ließen ihm Auszüge ihrer Werke zukommen, damit er sie doch gerne interpretieren würde. Das Publikum schien ab dem ersten Ton seines Gesanges in einer Traumwelt gefangen und nicht selten kullerten Tränen über die Wangen auf die samt bezogenen Opernsessel. Ausverkauft, ausverkauft! , zierte die meisten Plakate schon wenige Stunden nach Ankündigung. Selbst der Schwarzmarkt handelte seine Tickets zu aberwitzig hohen Preisen. New York, Paris, London waren nur einige Spielstätten seiner Konzerttourneen und jedes Mal volles Haus. Ja, das waren sie. Und jetzt? Weit über fünfzig und weit vom damaligen Ruhm entfernt fristete er sein Dasein in diesem kleinen Bauernhaus, in diesem kleinen Dorf, in diesem großen Landstrich den man einst Toskana getauft hatte. Er beobachtete in der Ferne eine Schafherde, während er in langsamen Zügen seinen Espresso genoss. Hin und wieder bekam er Besuch von einer alten Magd. Sie brachte ihm die Tageszeitung sowie frisches Obst und Gemüse. Und natürlich, wie konnte er das vergessen, ihre herrliche selbstgemachte Pasta. Dies waren jetzt die Höhepunkte seiner Tage. Nicht mehr die Signierstunden in den alten Wiener Kaffeehäusern, die Empfänge in den Schlössern der Loire oder die Benefizbälle in Berlin. Er hatte nur noch sich, die Toskana, seinen Espresso und die Erinnerungen. Es waren viele Erinnerungen. An Freud und Leid, an Glück und Unglück. Und an die Liebe. Es gab in seinem Leben nur einmal die große Liebe abgesehen von der Liebe zur Musik. Lisabella!










Il Maestro

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