Читать книгу Vergisst mich Gott, wenn ich Gott vergesse? - Tim van Iersel - Страница 10
Die frühe Kirche
ОглавлениеSo naheliegend die Frage auch ist, warum ist es eigentlich so wichtig, eine Antwort darauf zu finden?, überlegt der genannte Theologe John Swinton.13
Ist es nicht verwunderlich, dass Christen die Liebe und die Macht Gottes infrage stellen? Dass die Welt geschaffen ist, bedeutet doch, dass das Leben einen Grund und ein Ziel hat. Uns gibt es nicht einfach so. Wir sind nicht aus Zufall hier, sondern mit einer Bestimmung. Gott setzt sich dafür ein. Er hat seinen Sohn gesandt, damit wir in Liebe leben, in Liebe zu Gott, zueinander und zu uns selbst.
Es passt zu unserer Kultur nach der Aufklärung anzunehmen, dass jedes Problem durch intellektuelles Denken und wissenschaftliche Erkenntnis gelöst werden kann. So kommt es auch zu der Frage nach dem Warum. Eigentlich ist es eine verblüffende Reihenfolge: Zuerst überlegen wir rational, ob Gott vertraut werden kann, und dann fangen wir an, uns auf Gott zu verlassen. Dann hat man einen Gott, den man voll und ganz mit dem Verstand begreifen und fassen kann.
Man kann aber auch fragen, ob „Warum?“ wirklich eine gute Frage ist.
Nach Swinton dachte die frühe Kirche anders.14 Die frühen Christen suchten nicht nach einer rationalen Erklärung für das Leiden. Ihre Antwort auf die Warum-Frage war nicht eine Infragestellung der Allmacht und der Liebe Gottes. Ihre Antwort war die Gründung von Gemeinschaften. In diesen Gemeinschaften wurden der Glaube und das Leben miteinander geteilt, das Leiden gemeinsam getragen und ihm widerstanden. Man erwartete gemeinsam Jesu Wiederkunft.
Ich finde, wir können viel von diesen frühen Christen lernen. Ihr Umgang mit der Warum-Frage war mehr praktisch als philosophisch. Es ging ihnen um die Beziehung zwischen Gott und Mensch und nicht um einen abstrakten und distanzierten Gott, über den man gepflegt philosophieren kann wie David Hume. Sie glaubten an einen persönlichen Gott, der sich hat ansprechen und anrühren lassen und der sich noch immer berühren lässt. Es geht um Gott, den Vater, der uns seinen Sohn aus Liebe gegeben hat. Und der uns seinen Geist schenkt, um jeden Tag bei uns, ja sogar in uns zu sein. Näher kann er uns nicht kommen. Näher kommt uns niemand.