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Die Frage

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Auch wenn sie regelmäßig gestellt wird, ist es sinnvoll, einmal zu überlegen, woher diese Frage kommt und ob es eine gute Frage ist.

Zunächst: Wo kommt diese Frage her? Nach dem Theologen John Swinton7, der sich lange damit beschäftigt hat, ist es vor allen Dingen eine moderne Frage, eine Frage der Aufklärung, jener Zeit und Strömung des 18. Jahrhunderts, die bis heute unser Denken bestimmt.

In der Aufklärung rückt das Individuum in den Mittelpunkt des Interesses. Nicht länger werden die Gemeinschaft, der soziale Verband oder Gott als Zentrum der Welt angesehen, vielmehr kommt jetzt das autonome Individuum in den Blick. Das ist eine Entwicklung, die bitter nötig war. Denn das Individuum wurde in der Zeit davor einfach übergangen oder von einer alles bestimmenden Elite dominiert. Endlich durfte jeder selbst entscheiden, was für ihn oder sie gutes Leben bedeutete. Das war eine enorme Verbesserung.

In der Zeit der Aufklärung nahm auch die Bedeutung des Denkens zu. Der Philosoph Descartes hat das in seinem berühmten Satz „Ich denke, also bin ich“8 auf den Punkt gebracht. Dadurch, dass wir denken können, sind wir Mensch. Denkend bewältigen wir unser Leben. Das ist im Sinne der Aufklärung der angemessene Weg. Das Denken bestimmt unser Menschsein und alle Fragen können denkerisch, rational gelöst werden.

Auch mit Gott wird so verfahren. Gott, so meint man, kann man vor allen Dingen denkend näherkommen. Die Frage nach dem Leiden, nach Krankheiten, nach dem „Warum“ meint man vor allen Dingen argumentativ beantworten zu können.

Wie können wir von einem allmächtigen und liebevollen Gott sprechen, wenn es gleichzeitig Leiden und Böses in der Welt gibt? Der berühmte Philosoph David Hume hat es im 18. Jahrhundert brillant formuliert:

Wenn Gott den Willen hat, Leiden zu verhindern, und er kann es nicht: dann ist Gott ohnmächtig. Wenn Gott Macht hat, Leid zu verhindern, aber er will es nicht: dann ist Gott böswillig. Wenn Gott sowohl die Macht als auch den Willen hat, Leid zu verhindern: Warum gibt es dann Leiden in der Welt?9

Ja warum? Warum ich? Oder sogar: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“10

Christa, die so früh dement wird und schon eine Tochter verloren hat, stellt diese Frage im Blick auf ihr Leben. Als die Interviewerin sie fragt: „Denken Sie manchmal: Warum ich?“, antwortet Christa: „Natürlich, immer wieder. Ich finde es sehr ungerecht. Schon der Tod meiner Tochter hat mir gereicht. Und jetzt noch das. Ich kann es nicht fassen.“

Wie gerne hätten wir für Christa, für viele andere und auch für uns selbst eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Warum.

Vergisst mich Gott, wenn ich Gott vergesse?

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