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»Natürlich erkenne ich die guten Absichten hinter dem Internationalen Abkommen zu den unberührten Zonen an und ich habe das ganze Unternehmen auch öffentlich immer wieder unterstützt. Doch diese Unberührtheit kann nicht wiederhergestellt werden. Wie erfolgreich diese Orte auch sein mögen – und das wird nur die Zeit zeigen können –, sie sind immer noch ein Teil dieser Welt, die von der Menschheit gründlich zerstört wurde.«

Anthony Keyse, Green World Alliance

Jenn liebte die kameradschaftliche Spannung zwischen diesen sieben Personen, die sich schon viele Male zuvor zusammen vorbereitet hatten. Das Geräusch der Ausrüstung, die überprüft und gepackt wurde, der Geruch von Sonnenmilch und Mitteln gegen Wundreiben, das süße Aroma eines nahrhaften Frühstücks, das auf dem Campingkocher brodelte, das Glucksen von Wasser in Flaschen und Rucksacktrinkblasen und das nervöse und aufgeregte Geplapper, leiser als gewöhnlich, als würde ein zu lautes Sprechen das angenehme Gleichgewicht stören, das sie gemeinsam gefunden hatten.

Sie liebte auch das Gefühl von Gefahr. Das taten sie alle. Darum waren sie hier und hatten ihr Zuhause, ihre Familien und Arbeitsstellen zurückgelassen. Sie waren sich einig, dass dies die vielleicht gefährlichste Sache war, die sie jemals gewagt hatten.

Um sie herum murmelten Waldgeräusche – das Rascheln der Blätter in der Brise, Vogelzwitschern, das leise Knacken von Zweigen, während kleine Tiere ungesehen ihren morgendlichen Routinen nachgingen. Es war eine erfrischende Abwechslung zum Rattern und Dröhnen des Flugzeugs und Jenn fühlte sich gestärkt und lebendig.

»Dreißig Minuten«, sagte die Frau. Sie nannte sich Pocahontas, oder kurz Poke. Jenny hatte gelacht, als sie sich vorgestellt hatte, doch Pokes strenger Blick hatte das Lächeln ersterben lassen. In diesem Blick lagen Erfahrung und Wissen und das musste Jenn respektieren. Ganz egal wie sie sich nannte.

»Sie sehen nicht aus wie eine Pocahontas«, bemerkte Cove, während er seinen eingerollten Schlafsack an seinem Rucksack befestigte.

»Und wie zum Teufel sehe ich aus?«, fragte Poke. Sie saß auf einem umgestürzten Baum, rauchte eine stinkende Zigarette und sah ihnen bei der Vorbereitung zu. Ihr Vater hatte gesagt, Poke sei die beste Führerin, die er je getroffen hatte.

Jenn fand sie faszinierend. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal jemanden rauchen gesehen hatte. Es freute sie zu sehen, dass die alte Frau lächelte, und ihre dunkle, faltige Haut, schlanke Gestalt und funktionelle Kleidung deuteten darauf hin, dass sie sich hier draußen absolut zu Hause fühlte. Der Goldschmuck an ihren Fingern und Ohren verriet, dass sie sich immer noch für die schönen Dinge im Leben interessierte. Ihr Haar war schneeweiß und eng an die Kopfhaut geflochten. Sie hatte Narben. Jenn fragte sich, was für Geschichten hinter jeder einzelnen steckten.

»Vielleicht eine Mildred«, sagte Cove.

»Oder eine Whitney«, schlug Jenn vor.

Poke lachte laut auf, warf den Kopf in den Nacken und hustete Zigarettenrauch in den Himmel. »Ich schätze, nachdem Eden euch verschlungen hat, werde ich mir wohl einen anderen Namen zulegen.« Sie stand auf, ging in einem weiten Kreis um sie herum und sah ihnen bei der Arbeit zu.

Nur eine halbe Stunde nachdem der Pilot seine Maschine gelandet und sie auf der alten Straße abgesetzt hatte, war er überraschend wieder eingestiegen und hatte sich davongemacht. Jenn hätte gedacht, dass er vorher zumindest das Flugzeug überprüfen würde, doch er schien es ziemlich eilig zu haben. Poke, die aus den Bäumen aufgetaucht war, sobald sie ausgestiegen waren, hatte gesagt, dass seine Maschine beschlagnahmt werden würde, wenn man ihn erwischte, und sie sei seine einzige Einkommensquelle. Denn er schmuggelte nicht nur Menschen.

Sie hatte sie durch den Wald zu einer Lichtung geführt, wo sie alles für ihre Ankunft vorbereitet hatte. Der Eintopf über dem Lagerfeuer ließ Jenn das Wasser im Mund zusammenlaufen und sie freute sich schon darauf, dass er die morgendliche Kälte vertreiben würde. Sie hatte sich entschlossen, nicht nachzufragen, was für ein Fleisch darin war.

»Fünfundzwanzig Minuten«, sagte Poke.

»Es ist eine sechsstündige Wanderung zur Grenze«, entgegnete Cove.

»Und?« Poke blieb bei Cove stehen und versuchte, ihren Zigarettenstummel anzuzünden. Sie schielte auf die Flamme, die die Spitze küsste.

»Warum der Countdown?«

Poke musterte ihn von oben bis unten, grinste dann nur und umkreiste ohne Antwort weiter die Gruppe. Cove warf Jenn einen fragenden Blick zu. Er war derjenige unter ihnen, der am meisten auf Ausrüstung vertraute. Auf seiner Kleidung, dem Rucksack und seinen restlichen Sachen prangten teure Labels und er hatte für diese Expedition wahrscheinlich mehr ausgegeben als der Rest von ihnen zusammen. Sie wollte Poke sagen, wie erfahren Cove war, doch es war nicht ihre Aufgabe, ihn zu verteidigen. Normalerweise fiel es ihm nicht schwer, sein eigenes Lob zu singen.

»Poke hat einen straffen Zeitplan für uns«, sagte Jenns Vater. »Hört auf sie. Sie weiß, was sie tut.«

Jenn bemerkte, dass Poke stehen geblieben war und sie anstarrte.

»Was?«, fragte Jenn.

»Nichts.« Poke trat ihre Kippe aus und zog eine weitere Zigarette aus ihrer Hemdtasche. »Hab mich nur gefragt, wo der Rest eurer Ausrüstung ist.«

»Lucy heult bereits ihren kostbaren Gadgets hinterher«, grinste Gee. Lucy warf ihm von dort, wo sie neben dem kleinen Stapel Ausrüstung stand, den sie zurückließen, einen wütenden Blick zu. Eden war ein unbefleckter Ort, die älteste und wildeste der dreizehn unberührten Zonen der Welt, und Dylan hatte darauf bestanden, dass sie ihn mit angemessenem Respekt behandelten. Diese Expedition war so weit auf das Wesentliche reduziert, wie sie es noch nie gewagt hatten – keine Tablets oder Netzimplantate, kein GPS, keine Satellitentelefone, überhaupt keine elektronischen Geräte. Es hieß sie gegen Eden und darin lag eine Reinheit, die Jenn überaus verführerisch fand.

»Du weißt schon«, sagte Poke. »Wissenschaftszeug. Messinstrumente und so ’n Scheiß.«

»So was haben wir nicht«, erklärte Selina.

»Waagen und Reagenzgläser. Probenbeutel. Dieser ganze Mist.«

»Wir haben alles, was wir hier brauchen.« Gee war wie immer als Erster fertig. »Ausrüstung zum Wandern, Rennen und Klettern. Trockennahrung. Wasserreiniger. Sonnenschutzmittel und Erste-Hilfe-Kasten. Ein paar kleine Zelte, Messer, Regenschutz, falls der Wetterbericht falsch ist, und Wechselkleidung. Aber nicht viel, weil wir es so lieben, streng zu riechen.«

»Und ihr wollt euch Essen suchen?«

»Ja, Früchte und Nüsse, aber wir werden nichts töten, um es zu essen, außer wir müssen. Wir laufen auf einem Kaloriendefizit und wenn man zwölftausend pro Tag verbrennt, kann man einfach nicht genug Proviant mitschleppen.« Gee nickte zu Cove. »Und einige von uns können es sich auch leisten, etwas Speck zu verlieren.«

Cove zeigte ihm den Mittelfinger und Gee lachte. Der Kanadier, ein dünner, kleiner Mann, war wahrscheinlich die entschlossenste Person, die Jenn kannte. In den sechs Jahren, die er mit ihrem Vater und ihr reiste, hatte sie nie erlebt, dass er sich vor einer Herausforderung gedrückt oder aufgegeben hatte. Sie hatte gesehen, wie er als Einziger von ihnen frei eine Felswand hinaufgeklettert war und wie er sich auf einem Boot in Frankreich drei rassistischen Mistkerlen entgegengestellt hatte. Sie waren weggegangen und er weggehumpelt, doch in Jenns Augen hatte er dennoch gewonnen. Er war zwar nur zwei Jahre jünger als ihr Vater, dennoch kam ihr Gee wie eine Art Bruder vor. Seine Entschlossenheit oder positive Einstellung hatte jedoch nichts mit der Tatsache zu tun, dass er nur eine Hand hatte. Er hatte nie angedeutet, dass er es überhaupt als Behinderung empfand. Tatsächlich schien er es sogar zu mögen. In einem hohlen Finger hatte er zwei Joints versteckt.

»Wie zum Teufel siehst du denn aus?«, fragte Poke.

»Wie dein Stecher«, antwortete Gee. Er trat einen Schritt näher.

»Ich versohl dir den Arsch«, schoss Poke zurück.

Gee zuckte grinsend mit den Schultern. Keiner von ihnen zweifelte an ihren Worten. Sie zündete sich ihre Selbstgedrehte an und inhalierte den Rauch.

»Ich habe Ihnen doch erklärt, warum wir hier sind«, sagte Dylan.

»Ich hab nicht geglaubt, dass jemand so dämlich ist.« Wieder sah sie zu Jenn und runzelte die Stirn.

»Tja, wir schon«, erwiderte Dylan.

»Und gegen wen tretet ihr an?«, fragte Poke.

»Noch niemanden. Wir wollen die Ersten sein. Sie kennen diesen Ort, Sie wissen, warum.«

Poke blinzelte ihn nur durch eine Rauchwolke hinweg an.

»Statistisch und historisch gesehen ist Eden die gefährlichste Zone der Welt«, erklärte Dylan. »Sie hat im Laufe der Jahre schon viele Menschen verschluckt.«

»Ja.«

Als Dylan weitersprach, sah er sich um und schien erfreut, jedermanns Aufmerksamkeit zu haben. Sie hatten diese Geschichte alle schon mal gehört, aber noch nicht von jemandem wie Poke. Jemandem, der die Dinge, die er sagte, bestätigen konnte.

»Andere Abenteurer haben es versucht. Einige verschwanden. Andere sind aus Eden geflohen und haben versucht, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Es ist, als hätte ihnen dieser Ort ihre Abenteuerlust genommen. Mit der Zeit hat er den Ruf als einer der atemberaubendsten Orte der Erde bekommen, absolut menschenfeindlich.«

Die Brise ließ nach, selbst die Blätter und Vögel verstummten und lauschten.

»Solange mir nichts anderes geraubt wird«, scherzte Gee, um die Stille zu vertreiben.

»Ihr wollt also die erste Gruppe Arschlöcher sein, die Eden durchquert.« Poke schüttelte den Kopf.

»Rennend, kletternd, schwimmend, gehend, selbst kriechend, wenn wir müssen«, bestätigte Cove. »Man nennt es ein Adventure Race.«

»Abenteuer.« Sie sprach das Wort aus, als würde es einen seltsamen Geschmack in ihrem Mund hinterlassen.

»Wollen Sie uns begleiten?«, fragte Gee.

»Ich will leben«, erwiderte Poke. Zum ersten Mal klang sie ernst.

»Wir leben doch«, sagte Lucy. »Das ist das volle Leben.«

»Hast du einen Job, Kleine?«

»Ich arbeite an meiner Doktorarbeit.«

»Familie?«

»Meine Eltern leben in London.«

»Hm.« Schweigend drehte Poke eine weitere Runde um sie und rauchte dabei, während die Gruppe ihre Vorbereitungen beendete. Doch immer wieder sah die alte Frau zu Jenn.

»Was?«, fragte Jenn erneut. So langsam verlor sie die Geduld. Poke mochte die beste Führerin sein, die ihr Vater kannte, sie mochte die Expeditionsgruppe durch die Grenzkontrollen und nach Eden bringen, aber sie war auch eine ziemliche Nervensäge.

»Hab nur gedacht, wie schade es ist«, sagte Poke.

»Was ist schade?«, fragte Selina.

»Euch alle hier so zu sehen, fit und gesund, und dann soll ich euch an einen Ort bringen, der euch verschlingt und wieder ausspuckt. Oder vielleicht auch nicht ausspuckt. Ihr seid echt total irre.«

»Und warum bringen Sie uns dann hin?«, erkundigte sich Jenn.

Poke nickte in Richtung ihres Vaters. »Gute Bezahlung.« Damit trat sie ihre Zigarette aus, warf einen Blick auf ihre Uhr und nahm den Deckel vom Eintopf. »Und hier ist die gute Nachricht«, sagte sie über ihre Schulter. »Das Frühstück ist fünfzehn Minuten früher fertig. Das ist ein Puffer für alles Unvorhergesehene.«

Eden

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