Читать книгу Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet - Timo Handel - Страница 106
2. Eigenständiger Nachfilter
ОглавлениеNach anderer Auffassung handelt es sich bei den Haftungsprivilegierungen um Nachfilter.400 Hierfür wird vor allem auf die Gesetzesbegründung des EGG abgestellt:401 „Sind daher im Einzelfall die Voraussetzungen der allgemeinen Vorschriften für eine Haftung erfüllt, so ist der Diensteanbieter für die Rechtsgutsverletzung gleichwohl nicht verantwortlich, wenn er sich auf das Eingreifen der §§ 9, 10 oder 11 [jetzt §§ 8, 9 oder 10 TMG] berufen kann.“402 Diese Formulierung deutet darauf hin, dass zunächst die allgemeine Haftungsnorm zu prüfen ist und eine Prüfung der §§ 8 bis 10 TMG erst dann in Betracht kommt, wenn diese erfüllt ist. Eine Privilegierung des Diensteanbieters komme demnach erst in Betracht, wenn der Diensteanbieter überhaupt nach den allgemeinen Gesetzen haften kann.403 Die einzelnen Voraussetzungen der Haftung nach den allgemeinen Gesetzen und damit der Strafbarkeit nach einem Straftatbestand unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze, insb. des dreistufigen Verbrechensaufbaus, bleiben demnach von dem Filter unberührt.
Deshalb müssen aus den gleichen Gründen wie bei der Einordnung als eigenständiger Vorfilter auch bei einer Einordnung als eigenständiger und außerhalb der Haftungsnorm zu prüfender Nachfilter die Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen nicht vom Vorsatz (§ 15 StGB, § 10 OWiG) des Diensteanbieters umfasst sein und die Irrtumsregelungen nach §§ 16, 17 StGB und § 11 OWiG fänden keine direkte Anwendung. Ebenso würde eine Teilnahme an einer Tat des Diensteanbieters möglich sein und das Vorliegen einer Haftungsprivilegierung nicht zur Annahme eines „Defekts“ für eine mittelbare Täterschaft führen. Insoweit unterscheidet sich die Qualifizierung als außertatbestandlicher Nachfilter in ihren Folgen nicht von derjenigen als außertatbestandlicher Vorfilter. Beide Ansätze unterscheiden sich allein durch die von ihnen vorgegebene Prüfungsreihenfolge. Während eine Prüfung der Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den allgemeinen Gesetzen im Falle der Bejahung eines eigenständigen Vorfilters von vornherein ausscheidet bzw. entbehrlich ist, entfällt die zuvor nach den allgemeinen Gesetzen festgestellte Verantwortlichkeit bei Bejahung eines eigenständigen Nachfilters.