Читать книгу Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet - Timo Handel - Страница 94
4. Konsultations- und Informationspflichten
Оглавление§ 3 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 TMG bestimmt, dass die Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip nach § 3 Abs. 5 Satz 1 TMG nur zulässig sind, wenn die gemäß Art. 3 Abs. 4 lit. b und Abs. 5 ECRL erforderlichen Verfahren, also Konsultations- und Informationspflichten, eingehalten werden. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 TMG bleiben davon jedoch gerichtliche Verfahren einschließlich etwaiger Vorverfahren und die Verfolgung von Straftaten einschließlich der Strafvollstreckung und von Ordnungswidrigkeiten unberührt. Mithin sind die Konsultations- und Informationspflichten dem TMG zufolge in diesen Verfahren nicht einzuhalten.
Grundsätzlich hat der Mitgliedstaat gem. Art. 3 Abs. 4 lit. b ECRL vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung, den Mitgliedstaat, in dem der Diensteanbieter seine Niederlassung hat, und die Europäische Kommission zu konsultieren und informieren. Anders als in der deutschen Umsetzung sind Strafverfahren von dieser Pflicht nicht ausgenommen, denn die Formulierung „unbeschadet“ bedeutet nicht „mit Ausnahme von“, sondern „ohne Rücksicht auf“ und „ohne Schaden, ohne Nachteil für“.313 Noch deutlicher wird die englische Sprachfassung der ECRL, die ausführt, dass die Konsultations- und Informationspflichten „without prejudice to court proceedings [...]“ vorzunehmen sind.
Allerdings sieht Art. 3 Abs. 5 Satz 1 ECRL die Möglichkeit einer Abweichung von den in Art. 3 Abs. 4 lit. b ECRL genannten Pflichten in dringlichen Fällen vor, wobei die Dringlichkeit nachzuweisen ist.314 Die Mitgliedstaaten werden in dringlichen Fällen aber nicht völlig von den Pflichten entbunden. Vielmehr müssen sie die Maßnahmen und die Gründe für die Annahme eines dringlichen Falls so bald wie möglich der Kommission und dem Niederlassungsstaat mitteilen (Art. 3 Abs. 5 Satz 2 ECRL).315
Im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens nach Art. 3 Abs. 4 lit. b ECRL wird man bei der Notwendigkeit eines Straf- und Bußgeldverfahrens regelmäßig von einem dringlichen Fall ausgehen können. Spätestens mit Beendigung des Verfahrens ist sodann aber die Mitteilung nach Art. 3 Abs. 5 Satz 2 ECRL vorzunehmen.316 Da § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG eine solche Pflicht nicht enthält, liegt damit ein Verstoß gegen die Vorgaben der ECRL vor, der durch eine richtlinienkonforme Auslegung zu beseitigen ist. Danach gilt der Ausschluss des § 3 Abs. 5 Satz 2 TMG nicht für die Mitteilung an die Kommission und den Niederlassungsstaat nach Beendigung des Strafverfahrens.317