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2.1 Antike: Natur und Bildung 2.1.1 Legenden von Begabten

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Prometheus

Für die alten Griechen waren Mythen eine Form, sich die Welt zu erklären. Über die Jahrhunderte häufig erzählt und vielfach variiert wurde etwa die Geschichte vom Titanen Prometheus, dem, wie der Name sagt, Weitsichtigen, Vorausdenkenden. Heute könnte man versucht sein, ihn als Prototypen eines Hochbegabten zu deuten, etwa so, wie die Dichter des Sturm und Drang in ihm das schöpferische, unabhängige, nonkonforme Genie zu erkennen meinten, klassisch in Goethes 1774 entstandenem Poem Prometheus. Das sind allemal zeitgeisthaltige Lesarten, die dem „Original“, wenn man davon in diesem Fall überhaupt sprechen kann, niemals vollauf gerecht werden. Aber immerhin können sie sich auf gewisse Züge des Ursprungsstoffs berufen.

Ein hochbegabter Titanensohn

Schon die Antike sah im vorwitzigen Sohn eines entmachteten Göttergeschlechts, der Zeus die Stirn bot, ein genuines Unabhängigkeitsstreben am Werk. Hesiod (um 700 v. Chr.) schildert Prometheus in der Theogonie (Vers 510ff.) als blitzgescheit und erfindungsreich, bestückt mit unerklärlichen Tugenden, die umso glänzender leuchteten, weil sein als dumpf und einfältig geschildeter Bruder Epimetheus keine davon vorzuweisen hatte. Zu nichts Geringerem als zum Menschenschöpfer fühlte sich der eigenwillige Titanenspross bemächtigt. Erst schenkte er den Menschen das Leben, dann flößte er den Geschöpfen mit Unterstützung Athenes, der Göttin der Weisheit, Geist ein und schließlich vermittelte er ihnen noch Verstand und Kunstfertigkeit – einen vollständigeren Menschheitsbildner hat die Welt noch nicht gesehen. Diese sagenhafte Tat erregte gleichwohl den Zorn der göttlichen Obrigkeit, die sich übergangen und missachtet fühlte und sich mit einer perfiden Strafe an ihm rächte. Man ließ den eigenmächtigen Geist an einen entlegenen Felsen binden, wo ihm Tag für Tag, Jahr für Jahr ein Raubvogel die Leber aus dem Leib zerrte, die ihm stetig über Nacht nachwuchs. Ein Symbol der Abschreckung, ein Exempel der Herrschenden zur Warnung, sich der Hybris zu enthalten? Sollte das die anfängliche Absicht gewesen sein, dann hat sie sich in den überlieferten Schriften, die sich des Themas annahmen, ins direkte Gegenteil verkehrt. Prometheus wurde – nachzulesen etwa in der Aischylos (525–456 v. Chr.) zugeschriebenen Tragödie Der gefesselte Prometheus – als kulturstiftender Märtyrer verehrt, gefeiert: ein Triumph der tatkräftigen, menschenfreundlichen Klugheit über die bornierten Götter.

Außergewöhnliche Gaben

Von exzeptionellen Geistesgaben, auch wenn sie von weniger weltbewegender Bedeutung waren, berichten viele antike Sagen und Legenden, die von Mund zu Mund übermittelt und in Werken wie der Naturalis historie aufgezeichnet wurden. Der Perserkönig Cyrus zum Beispiel war dafür bekannt, dass er jeden seiner Soldaten beim Namen rufen konnte – 30000 an der Zahl. Mithridates VI. soll sämtliche Sprachen seines Reiches beherrscht haben – nicht weniger als 20. Als ein Meister der Mnemotechnik machte sich Metrodorus von Skepsis einen Namen: Unter Anwendung eines speziellen Trainingsprogramms nahm seine Gedächtnisleistung derart zu, dass er samt und sonders wiederzugeben vermochte, was ihm einmal zu Ohren gekommen war. Wieviel Wahrheit diese Anekdoten enthalten, steht dahin. Allein der Umstand, dass sie für Wert befunden wurden, festgehalten und überliefert zu werden, zeugt von Bewunderung und Verblüffung über die nicht alltäglichen Fälle intellektueller Bravour.

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