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Tag 4 – Mittwoch, 2. August

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»Ich rufe jetzt die Polizei«, sagte Frau Berger.

Ich stand auf dem Balkon vor meinem Schlafzimmer, hatte das Telefon am Ohr und überblickte das, was vor einer Woche noch ein saftig grüner Rasen gewesen war. Und was mich durchaus von Frau Bergers Sorgen und Nöten ablenken konnte. Große, braune Inseln waren in der unerbittlichen Hitze auf der Wiese erblüht, und mich frustrierte dieser Anblick unsäglich: Totes, verdorbenes Zeug hatte ich durch meinen Job oft genug um mich, da musste mein Rasen nicht auch die Seiten wechseln.

»Ich brauche einen Rasensprenger«, diagnostizierte ich in den Hörer.

»Das ist Belästigung«, sagte Frau Berger, und ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht meinen Rasen meinte. Aber auch diese Flecken waren eine Belästigung, und zwar für das Auge.

»Rufen Sie bitte den Gärtner an, er soll Sprenger installieren. Heute. Spätestens morgen.«

»Er klingelt nicht mal mehr. Er hockt auf der Motorhaube und sieht aus wie ein ... Rocker.«

»Das System sollte zeitgesteuert sein. Ich möchte nicht, dass es losgeht, wann es will.«

»Frau Gerhard hat mich heute beim Bäcker gefragt, wer das wäre. Sie hat ihn gestern schon hier gesehen und sich gewundert. Das geht so nicht.«

»Es muss mit der Haussteuerung verbunden werden, und man darf es nicht sehen. Leise soll es sein, und es muss den ganzen Garten abdecken. Auch die Beete an der Einfahrt.«

»Ich kümmere mich darum«, sagte Frau Berger, wobei unklar blieb, ob sie Sam auf der Treppe oder die trockenen Rasenflächen meinte.

***

Das Telefon klingelte nach einer Stunde erneut. Ich hatte die Zeit genutzt, um den Schaden im Rasen aus der Nähe zu besichtigen, was meine Laune nicht gerade verbessert hatte.

»Kommen die heute noch?«, fragte ich, Frau Berger verneinte.

»Morgen früh. Er ist weg. Die Polizei hat ihn verscheucht.«

»Wie lange brauchen die?«

»Mit Anschluss an den Computer vier Stunden. Er hat gar nicht mit denen diskutiert, ist einfach in dieses abscheuliche Auto eingestiegen und gefahren.«

»Was kostet das?«

»Die Polizei kostet doch nichts«, entrüstete sich Frau Berger, ich verkniff mir einen Kommentar und dachte an den nicht unbeträchtlichen Anteil, den die Steuer von einer jeden entrichteten Gebühr wegknabberte.

»Dreitausend, voraussichtlich«, antwortete Frau Berger etwas verspätet auf meine Frage, ich seufzte: 'Voraussichtlich' bedeutete nach meiner Erfahrung plus ein Drittel. Und da erhoffte Sam sich, dass ich sein kleines Problem umsonst löste?

Ein leises Piepsen aus dem Telefon signalisierte einen zweiten Anruf, ich nahm ab.

»Ja?«

Schweigen.

»Sam«, sagte Sam dann, und ich hielt das Telefon erstaunt auf Abstand: Woher hatte er diese Nummer? Die benutzte nur Frau Berger und kannte auch nur Frau Berger. Niemand sonst.

»Woher haben Sie diese Nummer?«

»Beziehungen«, antwortete Sam, ich legte auf.

»Sie sind unmöglich«, sagte er, als er kurz darauf erneut angeklingelt hatte, ich legte wieder auf.

»Lassen Sie mich rein«, verlangte er beim dritten Mal.

Ich drückte ihn weg und fragte bei Frau Berger nach, ob ihr junger Verehrer abermals vor ihrer Tür stände, was sie verneinte, mit Erleichterung in der Stimme.

Ich eilte hoch in das Büro in meinem Haus. Ursprünglich hatte es die Aktenordner mit Rechnungen, Steuerunterlagen, Versicherungspapieren und anderen Kram aufnehmen sollen, doch mittlerweile war es so etwas wie eine Überwachungszentrale geworden: Dort ließ sich die Alarmanlage steuern, die mein Haus sicherte, und dort lieferten auch die auf dem ganzen Grundstück verteilten Kameras ihre zumeist menschenleeren Bilder ab.

Ich warf einen Blick auf Frau Bergers Einfahrt und fand sie leer. Ich warf einen Blick auf meine eigene Einfahrt: Ein rostiger Mustang mit billigen Felgen, silbrigen Klebestreifen auf dem verschossenen Dach und einem falschen Außenspiegel stand vor dem Tor. Schief natürlich. Ich wurde wütend. Niemand wusste, dass ich hier wohnte, denn dieses Haus gab es nicht. Dieses Haus hatte keine Hausnummer, keine Anschrift. Es stand versetzt hinter dem von Frau Berger, und auch, wenn es dreimal größer war, existierte es dennoch nicht. Es war umgeben von einer zwei Meter hohen Mauer außen herum, die jedweden Blick in den Garten verhinderte. Kurz: Es war unmöglich, dass Sam wusste, dass ich hier wohnte. Unmöglich!

»Lassen Sie mich rein«, wiederholte er, als er das vierte Mal anrief.

»Woher haben Sie diese Adresse?«

»Telefonbuch.«

»Nein.«

»Doch. Die Adresse gehört zur Handynummer.«

»Es gibt keine Verbindung zwischen Nummer und Adresse. Es gibt noch nicht mal diese Adresse. Und die Telefonnummer auch nicht.«

»Trianguliert.«

»In dieser Funkzelle stehen Dutzende von Häusern.«

Sam lachte. »Okay, Sie haben gewonnen. Ich habe ein bisschen rumgefragt. Die Nachbarn waren nicht sehr auskunftsfreudig, aber der Bengel von gegenüber hat sich für einen Zehner zu gern daran erinnert, dass er vom Dachboden in einen Garten schauen kann, in dem sich ab und zu eine Frau sonnt. Die ziemlich blond, ziemlich schön und ziemlich reich ist. Und ich hatte das Gefühl, dass er des Öfteren davon träumt, Ihnen den Rücken einzucremen.«

Ich schauderte unweigerlich, denn Kinder waren am schlimmsten. Okay, der Junge war schon pickelige fünfzehn, wenn ich Frau Bergers Bericht über die Nachbarschaft richtig im Kopf hatte, aber das machte nicht viel aus. Kinder führten mich durch Jahrzehnte, und auch wenn ihr Innenleben meist noch ebenso angenehm und sauber war wie das von Sam, brachte die schiere Flut an Informationen über ihr Restleben mich immer noch zum Kotzen. Ja, Kinder würden meine Bewährungsprobe sein, wenn ich meine Selbstbeherrschung perfektioniert zu haben glaubte, zurzeit waren sie unerträglich. Ich konnte mich ihnen nur mit starr auf den Boden gerichtetem Blick nähern, also näherte ich mich ihnen gar nicht. Ich schauderte erneut, ballte meine Wut wieder zusammen und richtete sie auf Sam.

»Ich empfange hier nicht«, sagte ich.

»Sie sollen mich ja gar nicht empfangen«, erwiderte er. »Das klingt so offiziell. Ich besuche Sie einfach nur. Mit leeren Händen, okay, aber das kann man ja ändern. Ich kann Kuchen mitbringen. Mögen Sie Kuchen? Oder Pizza? Sushi, Chinesisch, Thailändisch? Bei mir um die Ecke hat neulich ein Perser aufgemacht. Möchten Sie Persisch versuchen?«

»Ich lasse hier niemanden ein. Gehen Sie.«

»Dann sterbe ich also.«

Es klang verzweifelt und fatalistisch: armer Sam.

»Nicht unbedingt.«

»Sie haben doch gesagt, dass er ... Erfolg haben wird. Mit seinem Plan. Mich zu töten.«

»Ja, aber das war der Stand von vorvorgestern. Finden Sie heraus, wer es ist, warum er es tun will und schaffen Sie den Grund aus der Welt. Dann werden Sie leben.«

»Das ist mir nicht genug. Ich möchte das mit Ihnen zusammen machen. Wie Sie es gesagt haben: Ich denke nach, Sie überprüfen. Ich zahle auch dafür.«

Ich lachte. »Vom Saulus zum Paulus.«

»Nein.«

»Ah. Sie glauben immer noch nicht dran, wollen aber auf Nummer sicher gehen.«

»Ja.« Er sprach dieses kleine Wörtchen etwas zögernd aus, als würde er sich für diese Haltung schämen.

»Ich glaube eher, dass Sie sich vor Angst in die Hosen machen.«

»Und Sie stört das scheinbar gar nicht, oder? Sie machen mir Todesangst, und es kratzt Sie einen Scheißdreck, ob ich verrecke.«

»Solange Sie es nicht vor Frau Bergers Haustür tun – ja.«

»Sie sind unmöglich.«

»Mag sein, aber das ist unerheblich. Sie brauchen mich nicht, um Ihr Problem zu lösen, das können Sie selbst. Denken Sie einfach über Ihr Leben nach, Sam. Denken Sie darüber nach, wer Sie töten will und warum. Aber nicht hier.«

Tödliches Orakel

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