Читать книгу Mentoring - im Tandem zum Erfolg - Tinka Beller - Страница 11
Der (ideal-)typische Ablauf eines Mentoring-Programms
ОглавлениеAbhängig von der Art des Programms, ob es sich nun um ein internes (Kapitel 3) oder ein Cross-Mentoring-Programm (Kapitel 4) handelt, und von den jeweiligen Zielgruppen, die im Fokus stehen, unterscheidet sich die Durchführung eines Mentorings in einigen Aspekten. Das heißt, dass nicht alle der im Folgenden genannten Maßnahmen für alle Programme gültig sind, sondern nur eine Orientierungshilfe darstellen können. Der folgende Prozessablauf ermöglicht einen ersten Überblick über die Parameter, die als Grundlage für die einzelnen Programme angesehen werden und individuell adaptiert werden können.
Nach der Entscheidung für ein Mentoring-Programm steht die Frage an, welche Form die optimale Lösung ist: ein (firmen-)internes oder ein Cross-Mentoring-Programm. Zu berücksichtigen sind dabei die Rahmenbedingungen wie Unternehmensgröße, Zielgruppe oder Zielsetzung des Programms. Während für ein internes Mentoring-Programm sowohl eine Mindestunternehmensgröße als auch eine Mindestanzahl an Mentees und MentorInnnen gegeben sein sollten, ist es im Cross-Mentoring auch möglich, einzelne MitarbeiterInnen des Unternehmens an der Maßnahme teilnehmen zu lassen.
In beiden Fällen gilt, dass alle beteiligten Personengruppen frühzeitig und umfassend informiert werden. Für Cross-Mentoring-Programme ist aufgrund der Voraussetzungen (externe MentorInnen, Netzwerk mit anderen Mentees, Workshops usw.) die Zusammenarbeit mit externen ExpertInnen nötig, die über entsprechende Fähigkeiten und Kontakte verfügen. Bei internen Mentoring-Programmen ist eine Durchführung durch die Personalabteilung die Regel. Die Vorgehensweise ähnelt hier der Zusammenarbeit mit externen ExpertInnen.
Die grundsätzliche Information der Zielgruppe über die geplante Maßnahme kann auf unterschiedliche Art erfolgen: Die Projektgruppe (im Unternehmen für das Mentoring zuständige Personen aus Personalwesen und Fachabteilungen oder Diversity-Beauftragte sowie unter Umständen externe ExpertInnen) kann potenzielle TeilnehmerInnen per Mail oder über eine firmeninterne Software über die Einführung des Programms informieren. Nach dieser ersten Auskunft sollte alles Weitere im persönlichen Kontakt stattfinden, etwa durch eine Informationsveranstaltung für alle Interessierten. Auf dieser Veranstaltung werden Fakten wie Dauer des Programms, Voraussetzungen für die Teilnahme, das Auswahlverfahren, begleitende Workshops und mögliche Ziele vorgestellt.
Die potenziellen Mentees haben hier die Möglichkeit, die Projektverantwortlichen kennenzulernen und Fragen zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt kann und sollte bereits auf das persönliche Engagement, das von allen Teilnehmenden erwartet wird, hingewiesen werden. Der positive Effekt ist deutlich: Es bewerben sich tatsächlich nur diejenigen, die ein vertieftes Interesse an einer Teilnahme haben. Eine »zufällige« Teilnahme nicht genügend motivierter Mentees ist durch diese Vorgehensweise ausgeschlossen.
Nach der Informationsveranstaltung und dem persönlichen Austausch erhalten die MitarbeiterInnen auf Wunsch weitere Unterlagen, in denen der Programmablauf erklärt ist. Auch diese Informationen helfen zu entscheiden, ob es sich um den richtigen Zeitpunkt handelt, für Mentoring geeignete Themen vorhanden sind und ob eine Teilnahme gewünscht wird. Sowohl die Zeit, die die Mentees mit den Gesprächen verbringen, als auch die Vor- und Nachbereitung der Termine, Netzwerktreffen und begleitende Workshops müssen mit dem bestehenden Kalender – und dem Privatleben – vereinbar sein.
Ein wichtiger Aspekt ist das Auswahlverfahren unter den potenziell Interessierten. Dies kann beispielsweise durch ein Assessment-Center gestaltet werden. Da es der Praxis der Autorinnen entspricht, gehen wir im Folgenden von einem schriftlichen Bewerbungsverfahren aus.
Besteht nach der Informationsveranstaltung grundsätzliches Interesse, erhalten die möglichen TeilnehmerInnen neben den weiteren Informationen zum Programm Hinweise darauf, was für eine Bewerbung nötig ist. Bewährt hat sich das Anfordern von Unterlagen durch die BewerberInnen selbst. Jede noch so geringe Anforderung ermöglicht eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema und der eigenen Motivation. Die Anforderungen an die Bewerbungen sollten der Zielgruppe angepasst sein. Für potenzielle Führungskräfte gelten andere Standards als zum Beispiel für SchülerInnen der achten Klasse. Die Bewerbung sollte eine erste Herausforderung, aber keine Überforderung darstellen. Auf die genauen Parameter und die Besonderheiten der Bewertung von Bewerbungen gehen wir in den jeweiligen Kapiteln detailliert ein.
Für eine größtmögliche Neutralität der Bewerbungen empfiehlt es sich, mit standardisierten Instrumenten wie Bewertungsbögen zu arbeiten. So können die Inhalte und Eignungen der Bewerbungen optimal abgeglichen und Entscheidungen transparent dargestellt werden. Dies ist für die professionelle Implementierung und Begleitung des Programms von großem Wert. Diese Form der Bewertung ermöglicht das Erstellen einer Benchmark.
Die BewerberInnen, die aufgrund ihrer schriftlichen Darstellung überzeugen konnten, werden zu einem Interview mit den externen ExpertInnen oder der Projektgruppe eingeladen. In diesem Gespräch können die Themen der Bewerbung sowie die Motivation der BewerberInnen besprochen werden und der erste Eindruck lässt sich verifizieren beziehungsweise falsifizieren. Auch hier sollte großer Wert auf Transparenz und Vergleichbarkeit gelegt werden, damit auch dritte, nicht direkt beteiligte Personen wie etwa der Vorstand nachvollziehbare Entscheidungen treffen können. Dies ist beispielsweise durch das Erstellen eines Profilbogens möglich, der auch als Grundlage für ein späteres Matching mit den MentorInnen dienen kann. Hier werden unter anderem potenzielle Themen, Besonderheiten oder Auffälligkeiten des Gesprächs vermerkt.
Nach dem persönlichen Gespräch wird anhand verschiedener Kriterien entschieden, ob die potenziellen Mentees an der Maßnahme teilnehmen können. Solche Kriterien sind – zum Beispiel – geeignete Themen, Bereitschaft der Mentees zur Reflexion des eigenen Verhaltens und zeitliche Verfügbarkeit. Sollten diese Voraussetzungen erfüllt sein, beginnt die Auswahl geeigneter MentorInnen. Die Identifikation potenzieller MentorInnen kann auf verschiedene Arten stattfinden, beispielsweise durch das Festlegen von Parametern wie einer bestimmten Führungsebene, die Nennung von per se geeigneten Personen oder die aktive Ansprache potenzieller MentorInnen durch die Personalabteilung. Außerdem ist es möglich, dass sich interessierte Führungskräfte bei der Personalabteilung oder Projektgruppe melden und ihren Wunsch, teilzunehmen, artikulieren. Die Aufgabe der MentorInnen setzt zwar Führungserfahrung voraus, geht aber darüber hinaus. Deswegen ist es umso wichtiger, auch die Auswahl der MentorInnen nach objektiven Bewertungskriterien vorzunehmen. Nicht jede Führungskraft verfügt über die notwendige Empathie und Geduld, die zeitlichen Ressource oder die Bereitschaft, das eigene Wissen zu teilen. Ob diese Fähigkeiten im nötigen Ausmaß vorhanden sind, wird in einem persönlichen Interview geklärt. Hier wird zusammen mit den potenziellen MentorInnen erörtert, in welchen Bereichen sie über besonderes Wissen verfügen, das sie gerne weitergeben möchten, und welche Erwartungen sie an die Mentees und das Programm stellen.
Durch Auswerten der Interviews, Abgleichen der, ebenfalls für die MentorInnen erstellten, Profilbögen und im Gespräch entstandene persönliche Eindrücke stellen die Personalverantwortlichen oder die Mentoring-ExpertInnen unter Berücksichtigung der Ziele der Mentees die Tandems zusammen. Dieser Prozess des »Matchings« ist die große Herausforderung und ein wesentlicher Bestandteil eines erfolgreichen Mentoring-Programms. Die Details dieses Prozesses, wie etwa Ausschlusskriterien, werden ausführlich in Kapitel 2 beschrieben. Die vorläufigen Tandems werden in einem persönlichen Gespräch der Projektgruppe vorgestellt. Sollte es aus Sicht der Projektgruppe Hinderungsgründe geben, können oder müssen die entsprechenden Tandems neu zusammengestellt werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, zu jedem »perfect match«, den als optimal identifizierten MentorInnen, immer noch eine Alternative zu überlegen. Trotz der Abfrage bei Mentees und MentorInnen, wer nicht als Tandem-PartnerIn infrage kommt, können aus Sicht der Personabteilung oder der Projektgruppe Änderungen in der Zusammenstellung sinnvoll sein. Dies kann dann der Fall sein, wenn Personalentscheidungen oder Umstrukturierungen geplant sind, von denen die Beteiligten noch nichts wissen, die aber beispielsweise zu einer engeren Zusammenarbeit führen würden. Sollte es trotz intensiver Bemühungen nicht möglich sein, einen adäquaten Ersatz für die MentorInnen zu finden, die nicht in Betracht kommen, sollte eine Alternative, etwa Cross-Mentoring, in Erwägung gezogen werden. Es ist deutlich von einem Matching abzuraten, das nicht den Qualitätsstandards entspricht oder das den Überzeugungen der Projektgruppe entgegensteht. Ein Tandem, das unter solchen Bedingungen startet, ist gegenüber den anderen Paaren deutlich benachteiligt. Hier sind ein offenes Gespräch und die Nennung möglicher Alternativen die bessere Alternative.
Für den (weitaus häufigeren) Fall, dass die Projektgruppe mit der Zusammenstellung der Tandems einverstanden ist, werden Mentees und MentorInnen über ihre Teilnahme am Programm informiert. Die Information, mit wem das Mentoring stattfindet, bekommen die TeilnehmerInnen jedoch erst auf der Auftaktveranstaltung. So soll verhindert werden, dass bereits im Vorfeld Informationen eingeholt werden und kein unbefangenes Kennenlernen mehr möglich ist. Das heißt, dass Mentees und MentorInnen sich erst auf der Auftaktveranstaltung kennenlernen, wo sie auch alle weiteren Informationen, wie Kontaktdaten, Termine für Workshops usw. erhalten. Die Tandem-Beziehung steht im Mittelpunkt des Mentoring-Programms, unterstützt werden sollte jedoch sowohl die Vernetzung der Mentees als auch die der MentorInnen untereinander.