Читать книгу Mentoring - im Tandem zum Erfolg - Tinka Beller - Страница 13
Mentoring – ein Erfahrungsbericht
von Heiko Panning, Bank-/Diplom-Kaufmann und Mediator
ОглавлениеDer Begriff Mentoring steht allgemein für einen Ansatz in der Personalförderung, die berufliche und persönliche Entwicklung einer Nachwuchskraft mittels eines Wissens- und Erfahrungstransfers durch eine erfahrene Führungskraft zu unterstützen. Ich habe in meiner Praxis erfahren, dass Mentoring mehr als diese im Wesentlichen auf den Mentee ausgerichtete Perspektive zu bieten hat. Mentor und Mentee bauen durch ihre Gespräche und das empathische Miteinander eine vertrauensvolle Beziehung auf und profitieren voneinander – nicht selten auch generationenübergreifend. So hatte ich als Mentor die Chance, die von mir praktizierte und aus meiner Erfahrung bewährte Führungsphilosophie anhand der Realität des Mentees zu reflektieren. Der Mentee hatte wiederum die Gelegenheit, unbefangen seine Beobachtungen sowie Neues und Fremdes im Gespräch mit mir als Mentor zu hinterfragen.
Meine Motivation
In vielen Gesprächen mit MitarbeiterInnen und KollegInnen, die ich in meiner Funktion als Führungskraft mit unterschiedlichster Verantwortung in der Kreditwirtschaft geführt habe, ging es um deren eigene, persönliche Entwicklungsziele. Es galt, Bedenken aufzunehmen, Unsicherheiten zu betrachten, zu Reflexionen einzuladen oder Wege aufzuzeigen.
Die anfängliche Befangenheit der GesprächspartnerInnen löste sich meist schnell, wenn deutlich wurde, dass ihre persönlichen Belange im Mittelpunkt standen und nicht meine Interessen als Bereichsleiter. Diese vertraulichen Gespräche schafften stabile Kontakte auch über längere Zeiträume, sodass ich auch in späteren Phasen um Rat gebeten oder als Sparringspartner gesucht wurde. Gerade KollegInnen, die am Anfang ihrer Karriere als Führungskraft standen, sprachen Fragen zur Führung von MitarbeiterInnen an.
Ich habe diese Verbindungen für mich als sehr wertvoll empfunden. Sie machten mir aber auch deutlich, dass die Teilnahme der Nachwuchskräfte an (innerbetrieblichen) Führungsseminaren nicht alle deren Ausbildungsbedarfe abzudecken vermochte. Der naheliegenden Erwartung, die KandidatInnen könnten sich über diese Wahrnehmungen mit ihren direkten Vorgesetzten austauschen, standen nicht selten Vorbehalte, sich zu offenbaren, gegenüber. Insofern kann das vom Führungsnachwuchs gesuchte Gespräch mit einem Außenstehenden einen hohen Stellenwert bekommen.
Erste Berührungspunkte
Vor diesem Hintergrund lag es für mich in der Endphase meines beruflichen Weges nahe, meine Erfahrungen für andere nutzbar zu machen und mich als Mentor einzubringen. Das erste externe Mentoring-Projekt, für das ich mich vor einigen Jahren bewarb, wurde initiiert und getragen von der zentralen Verwaltung eines gemeinnützigen Verbundes mit zahlreichen, im Außenauftritt selbstständigen Einrichtungen. In dieser Zeit erfuhr das Mentoring als Förderungsinstrument für den Führungsnachwuchs in diesem Segment eine besondere Aufmerksamkeit. Und so war die Auftaktveranstaltung neben den TeilnehmerInnen und der Programmleitung auch mit Sponsoren aus der Verwaltungsspitze besetzt. Nach einer kurzen persönlichen Vorstellungsrunde und allgemeinen Informationen zum Ablauf des Projektes stand die Zusammenstellung der Teams auf dem Programm. Unter den anwesenden sechs Mentees und vier MentorInnen war ich der einzige männliche Teilnehmer. Mittels eines »Speed-Datings« hatten MentorInnen und Mentees nun die Gelegenheit, sich gegenseitig vorzustellen und Profile und Anliegen näher zu erläutern.
Die anschließende Pärchenbildung im freien Spiel der Kräfte erinnerte mich sehr an meine erste Tanzstunde: Mit Mut und werbender Entschlossenheit ging ich auf meine Wunsch-Mentee zu – und hatte Glück! Während wir bald unser Miteinander auf diesem Weg beschlossen hatten und uns bereits Gedanken über die Ausgestaltung machten, nahmen wir bei den anderen, noch suchenden TeilnehmerInnen zunehmend Unsicherheiten und Frustrationen wahr. Es stellte sich heraus, dass einige Anliegen der Mentees besser durch Coachingmaßnahmen oder einen Erfahrungsaustausch im Netzwerk hätten aufgefangen werden können. Andere Vorstellungen blieben eher diffus. Im Ergebnis nahmen zwei Mentee-Mentor-Tandems ihre Arbeit auf. Die auf sechs Monate bemessene Laufzeit des Programms reichte nicht aus, um einen sachgerechten Abschluss zu finden. Auch kam das nach drei Monaten anberaumte Zwischentreffen aufgrund der geringen Resonanz nicht zustande. So gestalteten wir unsere Mentoring-Beziehung weitgehend losgelöst von der ursprünglichen Programmstruktur und kamen nach 15 Monaten zu einem erfolgreichen und von beiden Seiten gut akzeptierten Ende.
Professionelles Mentoring
Anfang 2014 hatte ich die Gelegenheit, als Mentor bei kontor5, einem auf die Durchführung von Cross-Mentoring-Programmen spezialisierten Dienstleister, mitzuwirken. In der Zwischenzeit hatte sich das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen TeilnehmerInnen deutlich in Richtung Gleichgewicht entwickelt. Vor der Teilnahme am Mentoring standen intensive Einzelgespräche der Geschäftsführerin, Frau Gabriele Hoffmeister-Schönfelder, mit Mentees und MentorInnen. Auf Grundlage der daraus gewonnenen Eindrücke wurden Vorschläge für die Bildung der Zweierteams zusammengestellt, gegebenenfalls wurden den Mentees ergänzende oder alternative Formen der Mitarbeiterförderung angeboten oder empfohlen.
Gerade die unternehmensübergreifende Zusammenstellung gewährleistete den anonymen Rahmen, auch interne Problemstellungen offen ansprechen zu können, ohne sich um etwaige Rückwirkungen sorgen zu müssen. Meine Bedenken, mit Betriebsinterna aus mir unbekannten Branchen konfrontiert zu werden, waren bald verflogen. Schnell bestätigte sich, dass sich die spezifischen Situationen und Fragestellungen der Mentees übergreifend gleichen.
Im Erstgespräch lernen MentorIn und Mentee sich kennen, sie verständigen sich über Inhalte und über die Abfolge ihrer Gespräche. Regelmäßig stehen Fragen des Mentees beziehungsweise Fragen an den Mentee zu folgenden Themenfeldern im Mittelpunkt:
• Wo stehe ich gerade?
• Welche Ziele und Erwartungen habe ich?
• Was sind meine persönlichen Neigungen?
• Sind mein persönliches und das Wertesystem meines Unternehmens kompatibel?
• Mitarbeiterführung – wie geht das?
• Wohin möchte ich mich entwickeln?
• Wie könnte ein nächster Entwicklungsschritt aussehen?
• Welche Handlungsoptionen habe ich?
Die Ergebnisse dieses Findungsprozesses werden in einer Mentoring-Vereinbarung verbindlich niedergelegt, Beginn und Beendigung der Mentoring-Beziehung werden benannt. Ergänzend habe ich darauf Wert gelegt, die Themenfelder, die nicht inhaltliche Bestandteile der Gespräche sein sollen, abzugrenzen. Für den Fall, dass MentorIn und Mentee in dieser Phase persönlich nicht zueinanderfinden können, werden individuelle Lösungen angeboten. Dieser sensiblen Fragestellung sollte besondere Beachtung eingeräumt werden, will man spätere Frustration vermeiden.
Die übersichtlich gestalteten Unterlagen zum Programmablauf und zu den Teilnehmern machten einen sehr professionellen Eindruck auf mich. Von Beginn an wurden wir von der Projektverantwortlichen, Frau Tinka Beller, eng begleitet; die Feedbacks eröffneten die Möglichkeit, zusätzliche Akzente in die Gespräche aufzunehmen. Die Einladungen von kontor5 zu übergreifenden Treffen waren regelmäßig angereichert mit interessanten fachlichen Vorträgen. Der unprätentiös ausgestaltete Rahmen dieser Veranstaltungen förderte den Austausch der MentorInnen und Mentees untereinander. So boten sich uns gute Möglichkeiten, persönliche Netzwerke aufzubauen und zu pflegen.
Mentoring-Gespräche
Im Mittelpunkt der Mentoring-Beziehung standen unsere persönlichen, etwa zweistündigen Treffen. Einige Telefonate oder die elektronische Kommunikation ergänzten, ersetzten aber nicht unseren persönlichen Kontakt. Durch eine gewisse Regelmäßigkeit entwickelte sich unsere Beziehung stetig und verlässlich. Die Gespräche im unmittelbaren beruflichen Umfeld des Mentors oder des Mentees zu führen mag praktisch erscheinen. Das Zusammentreffen an einem neutralen Ort erleichtert es dagegen, Abstand zu bekommen und etwaige Störungen durch die berufsalltägliche Inanspruchnahme zu vermeiden. Ich habe daher gerne großzügige Lokalitäten oder Hotels gewählt, die einen vertraulichen Rahmen und zudem angemessene kleine Bewirtungsmöglichkeiten bieten.
Innerhalb dieser Rahmenbedingungen entfaltet die Mentoring-Beziehung ihre Wirkungskraft durch das Gespräch, die Auswahl der behandelten Themen und die Art des Dialogs. So wird es weder auf alle Fragen des Mentees Antworten geben, noch werden sämtliche erworbenen Ehren und Erfolge des Mentors den Mentee voranbringen. Das Umgehen mit eigenen Schwächen und Eigenreflexionen gibt sicher mehr Authentizität als ein belehrendes Mentoring oder theoretisierendes Dozieren. Persönliches hat seinen Platz, sollte aber nicht die Behandlung der verabredeten Themen dominieren. Ein formales Protokollieren der Gespräche halte ich für hinderlich. Zur Orientierung reicht es meist, die Inhalte und Ergebnisse kurz zu skizzieren.
Wegen der Intensität der Gespräche ist es sinnvoll, ausreichend Zeit für die Vor- und Nachbereitung einzuplanen. Ein etwa vierwöchiger Rhythmus für die Treffen kann diesen Gegebenheiten gut gerecht werden. In regelmäßigen Abständen haben wir Bilanz gezogen: Haben wir die richtigen Inhalte behandelt, können die Gespräche dem Mentee eine Hilfe sein, wie fühlen sich Mentee und Mentor in der Gesprächssituation, welche Erwartungen sind unerfüllt …? Das Ende der Mentoring-Beziehung haben wir jeweils verbindlich verabredet, um beiden Beteiligten die Möglichkeit zu geben, loszulassen. In nachfolgenden Kontakten habe ich es vermieden, in die Mentorenrolle und damit verbundene Verhaltensmuster zurückzufallen.
Werdegang im Fokus
Die Gespräche mit meinen Mentees, die alle bereits in einer Führungsaufgabe waren oder sich auf die Übernahme einer Führungsaufgabe vorbereiteten, befassten sich im Schwerpunkt mit der Ausgestaltung des beruflichen Werdegangs. Die Bandbreite der von mir wahrgenommenen Eigenbilder der Gesprächspartner zeigte sich dabei so bunt wie das Leben: von großen Selbstzweifeln über eine unbestimmte Entschlossenheit bis hin zu einem überzeugten Zutrauen bezüglich der eigenen Eignung. Durch aktives Zuhören und Empathie gelang es mir, einen Zugang zu den Gesprächspartnern zu finden und so die relevanten Fragen gemeinsam und vertraulich zu betrachten, beispielsweise:
• Wie gehe ich mit meiner Enttäuschung um, wenn ein anderer die Vorgesetztenstelle bekommt, um die ich mich beworben habe?
• Was kann ich tun, wenn ich feststelle, dass meine KollegInnen deutlich mehr verdienen als ich?
• Manchmal fühle ich mich mit meiner öffentlichen Darstellung unwohl. Was kann ich tun, um mehr Sicherheit zu erlangen?
• Gestern noch Kollege, heute Vorgesetzter: Werde ich akzeptiert?
• Wie sage ich »Nein«, ohne das Verhältnis zum Fragenden zu beschweren?
• Warum fällt es mir schwer, mir zuzugestehen, Fehler machen zu können?
Die entwickelten Antworten auf diese Fragen waren so individuell wie die dahinterstehenden Zusammenhänge. Sie waren das Ergebnis eines Dialogs, der meine Erfahrungswelt mit den Welten der Mentees immer wieder ein Stück weit zusammenwachsen ließ. Bei der Ableitung von Strategien achtete ich stets darauf, den Szenarien mehrere Handlungsoptionen gegenüberzustellen. Ein besonderes Anliegen war mir, dass die Mentees sich in ausreichendem Maße um sich selbst sorgen und die Gefahren andauernder Überbelastungen gegebenenfalls frühzeitig wahrnehmen.
Mitunter zeichnen sich in den Mentoring-Gesprächen relevante Veränderungen im unmittelbaren Arbeitsumfeld der Mentees ab. Die Auswirkungen geplanter Reorganisationen, Aufgabenumverteilungen oder die Einbindung des Mentees in relevante Projekte lassen dann den ursprünglich abgestimmten Themenkatalog in den Hintergrund treten. Statt schrittweiser Karriereplanentwicklung gilt es nun, sich neu zu orientieren und zu positionieren. Mit meinen eigenen Restrukturierungserfahrungen im Gepäck habe ich in solchen Situationen gemeinsam mit dem Mentee Strategien zur Begrenzung persönlicher Beeinträchtigung erarbeitet. Genauso wichtig war es mir, auch die Chancen für den Mentee zu benennen, die solchen Veränderungsprozessen regelmäßig innewohnen.
Gerade in Phasen von Verunsicherung können die MentorInnen durch das Wahrnehmen und Erklären von Verhaltensmustern zu einer Stabilisierung des Mentees beitragen und etwaige Überreaktionen vermeiden helfen. Aufeinander einzugehen und gemeinsam Strategien zu entwickeln macht das Mentoring lebendig und gibt diesem anspruchsvollen Instrument die besondere, individuelle Note.
In vielen Gesprächen mit Mentees geht es um das Themenfeld innerbetrieblicher Konflikte. Zunächst stehen die Wahrnehmung von Konflikten und deren Anerkennung im Vordergrund. Gerade wenn Mentees erste Führungsverantwortung übernommen haben oder kurz davorstehen, sehen sie sich mit Situationen konfrontiert, in denen sie plötzlich zum Feindbild ihrer Mitarbeiter werden. Darüber hinaus wird von ihnen erwartet, die Interessen ihres Verantwortungsbereichs zu vertreten und dafür gegebenenfalls auf Konfrontationskurs zu gehen. Eine Hilfestellung in der Konflikthandhabung kann es sein, wenn die MentorInnen die Mentees anregen, den Konflikt nicht nur aus der Sicht eines Beteiligten zu betrachten. Die in den Konflikt involvierten Parteien, deren Interessen sowie auch mutmaßliche Profiteure des Konflikts zu benennen weitet den Blick und vermag den Weg für kreative Lösungen zu bereiten. Ergänzend ist die Anleitung zu einem wertschätzenden Kommunikations- und Konfliktverhalten, das sich an den Interessen der Konfliktbeteiligten ausrichtet und die spezifische Unternehmenskultur berücksichtigt, ein wichtiger Beitrag zur persönlichen Weiterentwicklung der Mentees.
Fazit
Lassen sich Mentor und Mentee darauf ein, die eigenen Erfahrungen und Wertvorstellungen auf Augenhöhe auszutauschen, ergeben sich für beide Beteiligten beste Voraussetzungen für persönliches Wachstum. Mich begeistern die Vielfalt der Themen, die vertrauensvolle Offenheit und die Intensität in den Begegnungen.
Während die Einbindung der Mentees in dieser Rolle wohl einmalig bleiben und Spuren hinterlassen dürfte, stellt sich bei den MentorInnen die Frage: Wie viel Mentoring geht? Sicher können MentorInnen im Zeitablauf mehrmals eine solche Aufgabe übernehmen und damit auch eine gewisse Routine aufbauen. Ich halte eine parallele Tätigkeit in mehr als einer Verbindung wie auch zeitlich eng aneinandergereihte Mentorings dagegen für problematisch, will man die Exklusivität nicht der Gefahr einer gewissen Beliebigkeit aussetzen.
So ist Mentoring für mich ein wertvolles Instrument, die Entwicklung individuell bestimmter Führungsnachwuchskräfte gezielt zu fördern – und damit für mich als Mentor jedes Mal neu eine Herausforderung, die ich gerne annehme. Denn es gibt mir die Chance, im Verständnis der Notwendigkeit eines lebenslangen Lernens meinen Horizont nicht kleiner werden zu lassen …
Nicht jedes Programm, das als »Mentoring« beschrieben wird, ist tatsächlich ein Mentoring-Programm. Und nicht für jede Problemstellung ist Mentoring das richtige Instrument. Um unter der Vielzahl von Personalentwicklungsmaßnahmen die richtige Wahl zu treffen, müssen Zielgruppe und Ziele sorgfältig geklärt werden. Die Implementierung einer ungeeigneten Maßnahme führt zu hohen Kosten, eventuell Frustration der TeilnehmerInnen und Enttäuschung bei der Projektgruppe.
Die Anwendung der Qualitätsmerkmale der Deutschen Gesellschaft für Mentoring ist eine gute Orientierung für die Durchführung eigener Programme. Es ist Unternehmen, die eigene Mentoring-Programme durchführen, möglich, diese Programme zertifizieren zu lassen. Alternativ ist eine professionelle Begleitung von Mentoring-Programmen durch DGM-zertifizierte Unternehmen garantiert. Mentoring-Anbieter, die nach den Qualitätsstandards der DGM arbeiten, und weitere Informationen bezüglich der Zertifizierung finden Sie unter: www.dg-mentoring.de.