Читать книгу Rebeccas Schüler - Tira Beige - Страница 9
Kapitel 3
ОглавлениеEndlich Wochenende. Obwohl für Anfang März nicht ungewöhnlich, hatte es in der Nacht von Freitag auf Samstag ununterbrochen geschneit, sodass sich über der Einfahrt und den Garten eine dicke Schicht Schnee gelegt hatte.
Rebecca wünschte sich nichts sehnlicher, als dass die Tage wieder länger wurden und sie endlich auf der Terrasse im Garten sitzen konnte. So aber musste sie mit der Couch und Paul neben sich vorliebnehmen, nachdem sie vom Schneeschieben nach drinnen gekommen war.
Ihr Freund hatte seinen Laptop auf dem Schoß stehen und surfte gelangweilt durch das Netz. Normalerweise hatte Rebecca so viel mit der Unterrichtsvorbereitung zu tun, dass ihr gar nicht in den Sinn kam, Langeweile zu empfinden. Doch das Schneeschieben hatte sie ausgelaugt.
Außerdem durchflutete sie ein gutes Gefühl bei der Vorstellung, am Sonntag alles zu schaffen und dafür heute nichts machen zu müssen. Paul schaute sich auf einer Baumschul-Website Kiefern an. Da Rebecca wenig an seinen Gartenvorstellungen interessiert war, lag sie auf der anderen Seite des Sofas und sah ihrem Partner, der nur ein verschwitztes Unterhemd und eine löchrige Jeans trug, dabei zu, wie er auf die Tastatur seines Laptops einhämmerte.
Manchmal schaute Paul etwas interessierter, wenn er meinte, ein passendes Formgehölz gefunden zu haben. Er rieb sich dabei über die grauen Bartstoppeln seines Kinns und murmelte unverständliche Worte vor sich hin. »Was für ein Wucher!«, platzte es aus ihm heraus. »Und das immer am Anfang des Jahres, wenn …« Rebecca war in Gedanken bei ihrem Schüler und ihrer erotischen Fantasie von vor wenigen Tagen. Doch solange sich Paul in ihrer Nähe befand, wollte es ihr trotz geschlossener Augen nicht gelingen, sich erotische Positionen mit Lou vorzustellen.
Noch in Gedanken versunken, wurde sie jäh durch das Klingeln des Telefons aufgerüttelt. Paul hatte schon den Hörer gegriffen. In den wenigen Sekunden der Pause schaute er zu Rebecca auf.
»Hallo, Tom«, sagte er. Wieder entstand eine Stille, in der Paul mehrmals nickte. Dann sagte er: »Ja, Zeit hätten wir. Wann passt es euch?« Erneut Ruhe. »Gut, bis dann.«
Paul legte den Hörer wieder auf die Vorrichtung des Telefons. »Tom war dran. Er hat uns für heute Abend zum Essen bei sich und Lydia eingeladen. Ich habe zugesagt.«
Unfassbar, wie sie bei der Entscheidungsfindung übergangen wurde. »Ist doch in Ordnung, oder?«
Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern: »Ja, geht klar. Haben sowieso nichts vor.«
Sie schaute Paul teilnahmslos an. Der Blickkontakt zwischen ihnen: emotionslos, kalt. Schweigen umfing sie wie eine leere Hülle, in der sie seit Jahren eingeschlossen waren.
»Welche Zeit sollen wir da sein?«
»Halb sechs.«
Erneutes Schweigen. Die Standuhr auf dem Kamin zeigte noch nicht einmal vier Uhr an.
»Was machen wir solange?«
In den Rechner schauend, murmelte er: »Hast du nichts für die Schule vorzubereiten?«
Wollte er sie wie ein nerviges Anhängsel loswerden, um seine Ruhe zu bekommen? »Doch. Keine Lust. Eigentlich reicht es, wenn ich mich morgen darum kümmere.«
»Fang doch heute schon an.« Das sagte der Richtige! Paul handelte immer getreu dem Motto: »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe stets auf morgen.« Selbst jetzt war ihm das Surfen im Internet wichtiger, als sich mit ihr zu unterhalten.
»Weißt du, mal sagst du, ich soll nicht so viel für die Schule machen und jetzt ermunterst du mich dazu, etwas zu tun? Wie absurd ist das eigentlich?«, fragte Rebecca perplex, als sie darüber nachsann, wie er sie gerade loswerden wollte. Doch Paul reagierte nicht.
Genervt rollte Rebecca mit den Augen, als sie erkannte, dass in diesem Moment die Webseite der Baumschule wichtiger für ihn war als sie.
»Duschen?«, fragte sie, um Paul auf andere Gedanken zu bringen.
»Keine Lust«, antwortete er.
»Du willst doch nicht so bei unseren Freunden erscheinen, in diesem verlotterten, verschwitzten Zustand und mit diesem …«, Rebecca verzog angewidert das Gesicht, »… diesem Hemd.«
Paul hob provokant seinen rechten Arm und schnupperte an seiner Achsel. Obwohl er selbst kurz den Mund verzog, gab er spöttisch zurück: »Riecht nicht mehr so frisch.«
»Komm. Wir gehen jetzt duschen, Paul.« Rebecca setzte ein verführerisches Gesicht auf. »Danach könnten wir doch ein wenig kuscheln.« Sie warf die Decke, in die sie eingewickelt war, beiseite, robbte zu Paul herüber, schmiegte sich an ihn und hoffte, dass er die Einladung zum Sex verstand.
»Ja, gut«, sagte er knapp, ohne jedoch viel Begeisterung zu zeigen.
»Fein«, gab Rebecca freudig zurück und ging Richtung Bad.
An der Tür angekommen, merkte sie, dass Paul ihr nicht folgte. »Was ist? Kommst du? Ich dachte, wir duschen gemeinsam?«, hakte sie erneut ins Wohnzimmer rufend nach.
»Ja, gleich«, brüllte er mit einem leicht gereizten Unterton in ihre Richtung.
Selbst als Rebecca nackt war, fehlte von Paul jede Spur. Er saß noch immer wie parallelisiert über dem Bildschirm des Laptops.
»Kommst du jetzt oder muss ich allein duschen?«, fragte sie gereizt.
Widerwillig trottete Paul Richtung Schlafzimmer, zog sich aus und erschien danach nackt vor der Dusche. Rebecca ließ bereits das feuchte Nass über ihren Körper rieseln und wanderte dabei mit ihrem Blick an Paul auf und ab. Seit ihrem Kennenlernen hatte er sich optisch verändert: Der Bauch war dicker geworden, was vor allem daran lag, dass er nicht mehr allein wohnte und regelmäßig Sport treiben konnte. Bei einem Haus kamen Verpflichtungen dazu, denen man sich nicht entziehen konnte. Hätte sie geahnt, dass der Garten und das Haus solch eine Arbeit machen, hätte sie dem Hausbau vielleicht weniger euphorisch zugestimmt. Wie naiv sie damals gewesen war!
Rebecca übergab Paul den Duschkopf und seifte sich mit einer wohlriechenden Lotion ein. Dabei drehte sie ihm den Rücken zu und spürte, wie sich der Strahl des Wassers an ihrem Po ergoss. Sie trat näher an ihren Freund heran, sodass das Wasser über ihren Körper lief. Paul rieb ihr von hinten die Seife und den Schaum vom Oberkörper, knetete die Brüste sanft und berührte zärtlich ihren Schambereich. Die Berührungen durch seine Hände fühlten sich warm, weich und bekannt an.
Während er die Streicheleinheiten fortsetzte und das angenehme Wasser über seinen und ihren Körper floss, verringerte Paul die Distanz zwischen ihnen. Seine Hände wurden fordernder und Rebecca spürte seine Härte an ihrem Po.
Er umfasste ihre Hüfte und presste seine Eichel gegen ihre Schamlippen. Die erregenden Berührungen durch seine Schwanzspitze ließen Rebecca feucht werden. Sie stöhnte auf.
Dabei stellte sie sich vor, wie Elouans Penis über ihre Spalte rieb. Während sie die Augen geschlossen hielt, erkannte sie Lous wunderschönes, ebenmäßig jugendliches Gesicht. Rebecca spürte nicht Pauls männlich herben Körper mit der Brustbehaarung und dem untersetzten Leib, sondern die gleichmäßige Haut ihres Schülers sowie seinen muskulösen, schlanken Körper mit der unbehaarten Brust.
Er hängte den Duschkopf in die Halterung ein und ging abgetrocknet in die Schlafstube. Als Rebecca kam, lag er auf der Seite. Seine unvorteilhaften Kurven und die Ansätze der Schwimmringe am Bauch stachen ihr ins Auge. Pauls herber, von Männlichkeit übersäter Körper war wenig attraktiv, fast ekelerregend. Seine Schambehaarung war mittlerweile so lang, dass es sie anwiderte, mit ihm zu schlafen.
Aber er hatte sie in der Dusche dermaßen heiß gemacht, dass in diesem Moment das Aussehen zweitrangig war.
Als Rebecca auf das Bett glitt, rollte sich Paul auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Das war die Einladung dazu, sich auf ihn zu setzen und zu reiten. Unelegant schwang sie ihr linkes Bein über Pauls Schoß und setzte sich auf ihn. Mühelos glitt sein Glied in sie hinein, da sie feucht von den Berührungen unter der Dusche war.
Er umfasste sie mit den Händen an der Hüfte und schob sie wie eine Gummipuppe über sein Becken. Ihre Brüste wippten bei jeder Bewegung auf und ab.
Aber der uninspirierte Sex langweilte sie schon nach kurzer Zeit und ihr Blick schweifte aus dem Fenster des Schlafzimmers hinaus. Das Winterwetter hatte sich beruhigt, da lediglich vereinzelte Flocken vom Himmel fielen und sie nicht mehr nach draußen gehen musste, um in der Einfahrt Schnee zu schieben.
Während sie weiter von ihrem Freund vor und zurück geschoben wurde, merkte Rebecca, wie ihre Lust abnahm. Gleichzeitig hörte sie an Pauls Stöhnen, dass er nicht mehr lange brauchte. Gleich war es geschafft! Von der Leidenschaft, die sie unter der Dusche gefühlt hatte, war nichts mehr übrig geblieben.
Er schob sie zunächst weiter über seinen Unterleib. Dann rollte er sie kurzerhand auf den Rücken und drang hart in sie ein.
Die Missionarsstellung raubte ihr jegliches Verlangen. Standardsex. Er würde noch wenige Male zustoßen, dann kurz aufstöhnen, ein kleines »Ah« aushauchen und wie ein Mehlsack auf das Bett fallen. Jetzt noch selbst Hand an sich zu legen, wo Rebecca doch wusste, dass es gleich vorbei war, wollte sie nicht.
Paul pumpte, während sie keine Begierde mehr nach ihm verspürte und nur noch wollte, dass er endlich von ihr abließ. Die Bewegungen schmerzten. Es half nichts mehr, die Augen zu schließen und sich Elouan vorzustellen, weil Pauls Stöhnen immer unnachgiebiger in ihr Ohr drang. Sein Höhepunkt passte zum drögen Sex.
Kurz verharrte er über ihr, bevor er abgekämpft auf das Bett plumpste. Mit einem emotionslosen, kurzen Kuss rollte er sich von ihr weg und schloss die Augen, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben. Das Zeichen war unmissverständlich: Paul wollte jetzt seine Ruhe haben, liegen bleiben, eindösen.
Wie ein brunftiger Hirsch, der soeben eine Horde Hirschkühe begattet hatte, lag er neben ihr. Sein Brustkorb hob und senkte sich nach dem anstrengenden Koitus. Rebecca robbte vom Bett herunter und begab sich schleunigst ins Bad, um seinen Samen unter der Dusche auszuspülen. Glibberig lief die Soße heraus, an ihrem Bein herunter.
Der Wasserstrahl, der gegen ihren Unterleib drückte, erregte Rebecca. Die ungewohnten Empfindungen auf ihrem Kitzler verursachten eine unbeschreiblich heftige Lust. Die Feuchtigkeit der Spermien, der Druck der Brause und ihre Finger, die ihr Lustzentrum umkreisten, trieben sich unaufhaltsam Richtung Höhepunkt.
Rebecca stellte sich vor, wie Elouan gemeinsam mit ihr unter der Dusche steht. Sein göttlicher Körper zeichnet sich vor ihrem inneren Auge ab. Sie lässt ihren Blick zu seinem stattlichen Penis wandern, den sie mit ihrer Hand massiert, während er mit den Fingern über ihre Klit reibt. Fester knetet sie seine Hoden, reibt am Schaft auf und ab. Er ist so verflucht hart und gleichzeitig butterweich. Seine feuchten Finger verstärken wiederum den Druck auf ihre Klitoris. »Ah!«, stöhnt sie.
Mit ungeahnter Wucht rollte der Orgasmus über Rebecca. Ihre Scheidenwände zogen sich zusammen, kontrahierten. Noch einmal das Gefühl erleben! Erneut schloss Rebecca sie die Augen, stützte sich mit der linken Hand an der Duschkabine ab, sieht wieder Elouan vor sich, wie er stöhnt, während er seinen inzwischen zum Zerbersten angeschwollenen Schwengel über ihre Spalte reibt. Sie will ihm helfen, kniet sich nach unten, berührt seine pralle Eichel mit ihrer Zungenspitze, saugt zärtlich daran. Dann umspannt sie immer fester sein Glied mit ihren Lippen und seinen Arsch mit ihren Händen, lässt die Zunge an der Eichel kreisen. Er keucht heftig auf. »Gleich«, raunt er über ihr und wirft den Kopf in den Nacken, um sich den Empfindungen vollends hinzugeben. »Gleich«, hört sie ihn erneut gequält stöhnen. Dann lässt sie von ihm ab, kniet noch immer vor ihm, während er seinen Penis umfasst und sich auf ihrer Brust ergießt.
Zum zweiten Mal erlebte Rebecca, wie sie die Erregung durchschüttelte. Sie krallte sich an der Wand der Duschkabine fest, presste die Oberschenkel zusammen, um die Nachbeben des Orgasmus zu fühlen. »Mehr«, stöhnte sie. Plötzlich stand Paul vor der Dusche und sah sie ungläubig an.
Kurz vor sechs Uhr saßen Rebecca und Paul im Auto, unterwegs zu Tom und Lydia. Er fuhr schweigsam. Obwohl die Strecke nur fünfzehn Kilometer betrug, wirkte sie angesichts der nichtssagenden Mimik ihres Freundes wie eine Tagesetappe.
»Du scheinst mehr Spaß mit der Dusche zu haben als mit mir«, sagte Paul unvermittelt.
»Und du wohl mit dem Rechner.« Chapeau.
»Was meinst du?« Rebecca lächelte vor sich hin. Eine Erklärung war unnötig.
»Das Internet war dir auch wichtiger, als das Duschen und der Sex mit mir. Ich bin dir doch egal.«
»Das ist doch Quatsch, Rebecca!«
Statt »Beccy« zu sagen, nannte er sie beim ganzen Namen. Das tat er immer, wenn er dem Gesagten mehr Ernsthaftigkeit verleihen wollte.
»Ich hatte eben etwas Nettes gesehen. Da unterbreche ich nicht meine Suche!« Rebecca schaute betreten aus dem Fenster, während das Schweigen im Auto Gestalt annahm. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, um den Status ihrer Beziehung zu hinterfragen. Aber es passierte nichts. Den Rest der Strecke schwiegen sie sich an – wie ein altes Ehepaar, das schon fünfzig Jahre verheiratet war und keine Geheimnisse mehr voreinander hatte.
Tom und Lydia waren vor drei Jahren in ein kleines, verschlafenes Dorf umgezogen, in dem sie sich ein Häuschen errichtet hatten. Tom schob gerade den Schnee aus der Einfahrt, als Paul und Rebecca das Grundstück ihrer Bekannten erreichten.
Paul und Tom sahen sich regelmäßig, da sie in der gleichen Firma arbeiteten. Sie umarmten sich freundschaftlich. Nachdem Rebecca ausgestiegen war, gab Tom ihr die Hand. Sie kannte ihn zwar gut, hätte ihn aber nicht als engen Freund bezeichnen wollen.
Bevor sie in das Haus traten, schaute sich Rebecca den Außenbereich des Häuschens an. Was ein typisches, spießbürgerliches Wohngebäude: Die Fassade war von außen verklinkert und mit einem kleinen Garten versehen, der von der Straße zur Hälfte einsehbar war. Vor der Tür hatte Lydia einen Strauß Tannenzweige aufgestellt, der liebevoll mit Strohsternen behangen war. Daneben stand eine grinsende Katze aus Holz. Das Klingelschild aus Metall besaß den eingravierten Familiennamen. Tom und Lydia waren seit zwei Jahren verheiratet. Im vergangenen Herbst kam ihre Tochter Lea zur Welt.
Tom begleitete seine Freunde zur Haustür, schloss auf und ließ sie nach drinnen eintreten. Wohlige Wärme umfing Rebecca, denn die Fußbodenheizung umschmeichelte ihre Füße. Lydia kam ihnen aus der Küche tretend entgegen. Auf dem Arm trug sie ihre Tochter, die mit ihren sechs Monaten noch nicht laufen konnte.
Rebecca schossen Gemälde in den Kopf, auf denen die Mutter Maria mit dem Jesuskind abgebildet war. Genauso idyllisch und verklärt erschienen ihr gerade Lydia und ihr Baby.
Die Hausherrin umarmte Rebecca so gut sie es mit dem Kind auf dem Arm konnte. Sie trug einen weiten, rosafarbenen Pullover und graue, schlabberige Jogginghosen. Ihre strohblonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. An den Seiten standen einige Härchen ab, sodass die erst Mitte Dreißigjährige viel älter wirkte. Genauso stellte sich Rebecca das Mutterdasein vor: keine Zeit für das Aussehen zu haben, da man stets mit dem Kind beschäftigt war.
Die Kleine starrte die Eintretenden schüchtern an. Als Rebecca sie zart an der Wange berührte, vergrub sie das Gesicht in das Brustbein ihrer Mutter.
»Schön, dass ihr uns mal wieder besuchen kommt«, sagte Lydia höflich und bat ihre Freunde ins Wohnzimmer hinein. Irgendetwas stimmte nicht! Das Strahlen in ihren Augen fehlte. Lydias grüne Pupillen wirkten blass, fast bedrückt. Rebecca verkniff sich eine Nachfrage und schaute sich stattdessen im Flur um.
Tom stand noch immer an der halb geöffneten Haustür und klopfte sich den Schnee von seiner Hose ab. Dann kam er hinein. Ein Duft von Auflauf hing wie ein unsichtbares Band in der Luft.
Alles an der Einrichtung im Hausflur war spießbürgerlich kitschig: An den Wänden befanden sich Bilderrahmen mit Fotos der Familienmitglieder. Oma und Opa mit Lea, ein Hochzeitsfoto von Tom und Lydia, Lea als Neugeborene. Auf einem der Rahmen stand sogar »Family« drauf. Außerdem gab es rechts vom Eingangsbereich ein langes Schuhregal, das fein säuberlich aufgestellt unter anderem Pantoffel und Stiefel enthielt. Darüber hing eine bunte Zeichnung des Wohnorts. Auf dem Schrank standen kleine Kistchen aus Bast, in denen Lydia diversen Krimskrams verstaute.
Der Flur wurde zum Wohnzimmer und zur Küche hin breiter und gab auf der linken Seite den Blick auf das Badezimmer frei. Hier erinnerte vieles an eine Wohnung, die liebevoll eingerichtet wurde, um inneres Chaos durch äußere Ordnung auszugleichen.
Eine Veränderung gab es: Ihr letzter Besuch lag fast ein halbes Jahr zurück. Damals war Lea gerade einen Monat alt gewesen. Die Wohnzimmereinrichtung jetzt glich einem Schlachtfeld. Auf dem Teppich befanden sich Autos, Plüschtiere und anderes Spielzeug. Dass sogar das Sofa Chaos verbreitete, wunderte Rebecca, denn sonst war Lydia immer auf Ordnung bedacht – und zwar in sämtlichen Angelegenheiten, was auch die spießbürgerliche Einrichtung im Hausflur verdeutlichen sollte.
»Tut mir furchtbar leid, dass es so wild aussieht«, sagte Lydia leicht gequält, als ob sie Rebeccas Gedanken hatte lesen können. »Wir kommen nicht mehr zum Aufräumen, seitdem die Kleine krabbelt und alles durch die Gegend wirft.« Sie sah die Schuldgefühle in Lydias Augen aufblitzen.
»Und wie läuft es bei euch?«, fragte Tom, um vom Thema abzulenken.
»Du weißt ja, in meiner Abteilung ist immer viel los. Erst letzte Woche musste ich wieder mit einer Kollegin ein Personalgespräch führen, nachdem sie mir gesagt hatte, dass sie vorhat, weniger Stunden arbeiten zu wollen.« Wie gesprächig Paul mit einem Male war!
In seiner Position als Abteilungsleiter einer Firma, die sich mit Finanzen beschäftigte, hatte er immer viel mit Menschen zu tun und musste ständig mit seinen Angestellten sprechen. Mit Rebecca hatte er aber offenbar nicht mehr viel zu bereden.
Tom, der genau wie Paul auch in seiner Abteilung der Leiter war, hakte sofort nach. Dann tauschten sie sich über beruflichen Kram aus, während Lydia und Rebecca daneben saßen und den Männern beim Plaudern zuhorchten. Tom sprach weniger gestresst von der Arbeit, als es Paul tat. Er meckerte nicht so viel, schien ausgeglichener zu sein, trotz des Stresses zu Hause. Gerade mit Kind.
Lydia hatte nicht viel zu der Konversation beizutragen. Vor ihrer Schwangerschaft und Elternzeit hatte sie im Krankenhaus als Assistenzärztin in der Urologie gearbeitet. Als feststand, dass sie schwanger war, hatte sie die Arbeit sofort an den Nagel gehängt, um das Kind in ihrem Bauch nicht zu gefährden.
Lydia war vor ihrer Schwangerschaft eine äußerst lebenslustige, gesellige junge Frau gewesen. Tom und sie waren oft auf Partys unterwegs gewesen oder hatten Bekannte besucht. Rebecca kannte sie als Frau, die gern lachte und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hatte. Jetzt wirkte sie in sich gekehrter, reifer, abgeklärter. Sie beugte sich über das Baby, das neben ihr zu quengeln begann und streichelte zärtlich über die Wange des Mädchens. Wie liebevoll sie die Kleine umsorgte.
Lydia führte genau das Leben, von dem Rebecca träumte und um das sie ihre Freundin beneidete: verheiratet, Kind, Haus, Liebe.
Nach dem Essen zogen sich Paul und Tom mit einem Bier auf die Couch zurück. Lydia musste Lea zu Bett bringen und fragte Rebecca, ob sie sie begleiten wollte. Sie spürte, dass Lydia etwas auf dem Herzen hatte und mit ihr allein sein wollte. Rebecca vermutete, dass ihre ungewöhnliche, introvertierte Art, die sie so gar nicht an ihr kannte, einen Grund haben musste.
Im Kinderzimmer des Babys befand sich rechts neben der Tür die Wickelkommode, auf deren Ablage bunte Bärchen abgebildet waren. Lydia legte als Erstes Lea dort drauf und begann damit, der Kleinen neue Windeln anzulegen.
Rebecca schaute sich im Kinderzimmer um. In der Mitte stand das Gitterbett. Auf der linken Seite hatten die Eheleute einen grün-rosa lackierten Schrank aufgestellt. Die komplette Einrichtung wirkte sehr friedlich. Die Tapete mit den Sternen, dem lachenden Mond und der Sonne unterstrich diesen Eindruck perfekter Harmonie. Gleichzeitig fand Rebecca das Zimmer furchtbar spießbürgerlich; wie alles in diesem Haushalt.
Lydia legte Lea ins weißlackierte Babygitter und setzte sich auf einen Stuhl daneben. Die Mutter streichelte das Mädchen, sang ein Gutenachtlied, während sie den Kopf schräg über das Gitter neigte. Trotz dieses so ursprünglichen Bildes, das eine Ruhe sondergleichen ausstrahlte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass Lydia mit ihren Gedanken gar nicht bei der Kleinen war.
Lea war schon vor einigen Minuten eingeschlafen, doch Lydia streichelte sie noch immer. Plötzlich sah Rebecca in Lydias Auge eine Träne aufblitzen, die sich den Weg die Wange hinunter bahnte. »Was hast du?«, fragte sie sorgenvoll und streckte die linke Hand nach der Schulter ihrer Freundin aus.
Lydia drehte sich zu ihr herum, dann begann sie leise: »Ich weiß nicht, wem ich meine Gefühle anvertrauen kann, Beccy.«
Weil Lydia schluchzte, nahm Rebecca sie in den Arm, um sie zu trösten, ihr das Gefühl zu geben, bei ihr zu sein. Als sie sie losließ, begann sie leise: »Ich glaube …« Das Sprechen fiel ihr sichtlich schwer. »… Tom hat … eine Affäre.« Wie bitte? Das konnte nicht sein! Er machte stets den Eindruck eines liebevollen Vaters, der wie ein Löwe für seine Familie einstand. Was Lydia jetzt sagte, schockierte sie bis ins Mark.
»Wie kommst du denn darauf? Hat er es dir gesagt?« Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, aber …« Lydias Lippen bebten und ein heftiges Schluchzen suchte sich einen Weg aus ihrem Mund. »Aber es ist … etwas vorgefallen.«
Nur schwer fand Lydia die Worte wieder. »Die Abteilung, in der Tom arbeitet, hat erst im Januar die Weihnachtsfeier nachgeholt, weil Tom ja in den ersten Monaten Babyurlaub genommen hat.« Lydia senkte den Kopf, rang um die richtige Wortwahl.
»Zu dieser Weihnachtsfeier waren auch die Ehegatten und Freunde eingeladen, es sollte in einem größeren Rahmen stattfinden, weißt du?« Rebecca nickte. »Lea haben wir an diesem Abend bei meiner Mutter abgegeben. Es war das erste Mal, dass wir sie bei jemand anderem gelassen haben. Du kannst dir gar nicht ausmalen, welche Gedanken mir an diesem Abend durch den Kopf gingen. Ständig war ich besorgt, ob alles klappt, ob sich die Kleine fürchtet, wenn sie spürt, dass ihre Eltern nicht da sind. Trotzdem musste ich unbedingt das Haus verlassen und bin zur Weihnachtsfeier mitgefahren. Wir kamen mit Verspätung an, da wir ja Lea noch fortgeschafft haben. Tom suchte sich sofort einen Platz nahe seinen Arbeitskollegen. Aber seltsamerweise nicht neben irgendeinem männlichen Kollegen, sondern neben seiner Sekretärin Denise. Schon beim ersten Kennenlernen mit ihr spürte ich, wie vertraut sich beide sind, Tom und sie. Ich kann es schlecht beschreiben, eine Ehefrau merkt, wenn ihr Mann sich zu einer anderen Frau hingezogen fühlt. Es lag ein Kribbeln in der Luft, wenn sich beide so angesehen haben.«
»Hat Tom dir gegenüber diese Frau schon einmal erwähnt?« Lydia atmete schwer aus.
»Ich weiß schon, dass er seit dem vergangenen Sommer eine neue Sekretärin hat. Er hat mir aber nie gesagt, dass sie so jung und blond ist und noch dazu eine Bombenfigur hat. Vermutlich hat er es verschwiegen, weil er wusste, dass mich das eifersüchtig macht. Ich war ein Kotzbrocken in der Schwangerschaft, war wegen allem beleidigt oder wehleidig.«
»Und was ist auf der Weihnachtsfeier passiert? Ich meine, irgendwas muss dich ja zum Nachdenken gebracht haben. Affäre. Das ist ein ganz schön heftiger Vorwurf.« Lydia wirkte nachdenklich, kniff die Augenbrauen zusammen.
»Die Sekretärin saß die ganze Zeit über neben Tom. Ich habe links von ihm, sie auf der rechten Seite gesessen. Nicht, dass er neben irgendeinem seiner männlichen Kollegen, von denen es so viele in der Abteilung gibt, gesessen hätte. Nein! Er musste sich ausgerechnet neben seine attraktive Sekretärin setzen.« Lydia senkte erneut den Blick.
Von Eifersucht zernagt redete sie weiter: »Er hat sich mehr mit ihr unterhalten, als sich um mich zu kümmern. Wenn nicht dieser vertraute Blickkontakt zwischen ihnen gewesen wäre. Und wie sie miteinander gelacht haben. Nicht eine Sekunde lang hat er seine Tochter vermisst.«
Bei dem letzten Satz brach Lydia erneut in bittere Tränen aus. Rebecca versuchte sie zu trösten und sagte: »Er wollte bestimmt bloß einen netten Abend haben. Da vergisst man schnell alles um sich herum.«
»Aber …«, unterbrach sie Rebecca.
Unter Tränen und mit zitternder, lauterer Stimme sagte sie: »Es war das erste Mal, dass wir einen Abend gänzlich ohne Lea hatten! Ich habe sie schon im Auto vermisst und Tom hat nicht einmal über unser Baby gesprochen. So als gäbe es gar keine Tochter für ihn. Findest du das nicht komisch?«
Lydia schaute Rebecca mit ihren roten, verheulten Augen an. »Wenn ihm was an seinem Kind liegt, würde er sie genauso schrecklich vermissen, wie ich es tue, und nicht mit seiner Sekretärin in Anwesenheit seiner Ehefrau flirten.« Sie klang gereizt und wütend.
»Kann es nicht sein, dass du zu viel hineininterpretierst? Dass du seine Freundlichkeit ihr gegenüber als sexuelle Anziehung missverstehst?«
Lydia schaute Rebecca ungläubig an, zog die Stirn in Falten. »Meinst du im Ernst, Tom geht fremd und setzt sich neben seinen Seitensprung? Ein Mann würde das doch unter allen Umständen verhindern und es so aussehen lassen, als ließe sie ihn absolut kalt.« Lydia hielt kurz inne, überlegte, ob es nicht doch so sein konnte, wie Rebecca sagte.
Scheinbar unbeeindruckt von den Worten gab Lydia noch mehr Details preis: »Wenn es nur die Gespräche gewesen wären. Am späten Abend wurde auch getanzt. Die Weihnachtsfeier fand in einem größeren Saal einer Gaststätte statt. Anstatt mich zum Tanzen aufzufordern, hat er mit Denise getanzt. Dieses … Flittchen … hat sich an ihn herangemacht! Wie nah sie ihm war und wie sie miteinander gelacht haben. Erst später hat er mit mir getanzt, aber weit weniger zärtlich und innig als mit Denise.«
»Das muss doch aber noch lange nicht heißen, dass die beiden miteinander schlafen.«
Lydia lief eine dicke Träne die Wange hinab, was Rebecca tiefes Mitgefühl empfinden ließ. »Was soll ich bloß tun, Beccy? Ich sehe furchtbar aus! So unförmig. Meine Haare sind fettig, die Haut ist unrein.« Lydia rieb sich die Stirn, als säße dort ein Teufel, den sie abschütteln wollte.
»Aber was das Schlimmste ist: Ich kann nicht mehr mit Tom schlafen, weil ich mich so unwohl bei dem Gedanken fühle, dass er mich widerlich und abstoßend findet.«
Lydia schüttelte resigniert den Kopf, bevor sie einen letzten, bedeutungsschwangeren Satz aussprach: »Ich wünschte, ich könnte mit ihm über alles reden.« Rebecca horchte auf. Bisher dachte sie, Tom und Lydia würden eine durch und durch harmonische Beziehung führen, könnten über ihre Gefühle sprechen und nur sie und Paul wären eine Ausnahme.
Lydia hielt kurz inne, bevor sie zerknirscht und mit verheultem Gesicht sagte: »Nach der Weihnachtsfeier habe ich Tom gefragt, ob er sich zu Denise hingezogen fühlt. Er ist dem Gespräch aus dem Weg gegangen. Er hat noch nicht einmal versucht zu dementieren, verstehst du? Die Frage, ob er mit ihr eine Affäre hätte, hat er nicht verneint!«
»Und du schließt daraus, dass er die Beziehung zu ihr verheimlicht? Vielleicht kann er es nur nicht verstehen, dass du ihm so etwas unterstellst. Denn …« Rebecca machte eine kleine Kunstpause, atmete noch einmal tief durch, um ihrer Freundin Mut zuzusprechen: »Wie er mit Lea umgeht, das macht doch kein Mann, der seiner Familie untreu wird.«
Lydia schaute Rebecca mit ihren großen, hochroten Augen an. Dann sagte sie mit fester Stimme: »Das ist deine Meinung. Ich traue Tom ein Doppelleben zu. So spät, wie er manchmal nach Hause kommt, befürchte ich, dass er sich den Sex, den ich ihm schon seit fast einem Dreivierteljahr entziehe, woanders sucht.« Sich diese Tatsache einzugestehen, musste Lydia nicht leicht gefallen sein. Sie betrachtete ihre schlafende Tochter. Ohne den Kopf zu heben, sagte sie: »Wenn Tom mich wirklich betrügt, dann werde ich …«
Lydia kämpfte wieder mit den Tränen. »Zum Wohle unserer Tochter würde ich ihn nicht verlassen. Ich liebe Tom. Lea braucht einen Vater.«
Rebecca rückte näher an ihre Freundin heran und protestierte energisch: »Lydia, nein! Das kannst du dir nicht ernsthaft auferlegen wollen! Deine Tochter braucht einen Vater, der ehrlich mit dir ist und keinen, der ein Doppelleben führt. Du kannst doch nicht den Rest deiner Tage unglücklich sein wollen!«
Gequält presste sie hervor: »Und was wird aus dem Leben, das wir uns aufgebaut haben? Was wird aus dem Haus? Wir bezahlen es beide ab, und das noch auf viele Jahre.« Genau wie sie und Paul!
Rebecca hatte gehofft, Lydia von ihren eigenen chaotischen Gefühlen erzählen zu können. Aber das brachte sie nicht übers Herz. Ihre naiven Emotionen kamen ihr unbedeutend und geradezu lächerlich vor gegenüber der sich anbahnenden Ehekrise ihrer Freunde.
»Lydia?« Tom stand unten im Hausflur und rief nach seiner Frau. Seine Stimme kam Rebecca mit einem Schlag viel kälter vor. Sie beschloss, Paul diskret zu befragen und ihre Freundin nicht weiter zu belasten. »Lydia? Wo seid ihr denn?«, ertönte es erneut. »Ich dachte, wir wollten noch einen Wein zusammen trinken?«
»Gleich!«, rief Lydia zurück.
Sie wischte sich mit dem weiten Pulloverärmel die Tränen aus dem Gesicht. »Ich sehe verheult aus, richtig?« Rebecca nickte. »Geh runter und sage Tom, dass die Kleine nicht einschlafen will. Ich komme nach, sobald ich mich beruhigt habe.« Rebecca nahm Lydia fest in den Arm und drückte sie an ihre Brust, bevor sie nach unten ging.
Tom stand noch immer am Treppenaufgang. »Wo ist Lydia?«, fragte er beinah herrisch, als Rebecca das Hausflur erreichte.
»Die Kleine schläft nicht ein. Lydia muss noch ein Schlaflied singen.«
Er setzte ein skeptisches Gesicht auf. »Komisch, warum hat Lea nicht geweint? Wenn sie nicht einschlafen kann, weint sie in der Regel.« Er erwartete eine Antwort.
»Sie … war bereits eingeschlafen … und nun ist sie aufgewacht … als du gerufen hast.«
Verwundert zog Tom den Kopf nach hinten und sagte langsam: »Verstehe.« Dann begleitete er Rebecca ins Wohnzimmer, wo Paul lässig auf der grauen Couch saß.
Inzwischen waren die Männer zum Wein übergegangen. Tom setzte sich leger neben seinen Freund, während Rebecca etwas abseits von Paul Platz nahm. Sie beobachtete die beiden beim Reden, während sie selbst an einem Glas Weißwein nippte.
Tom und Paul waren beide Anfang Vierzig. Lydias Mann war etwas schlanker als ihr Freund, dafür hatte Paul mehr Haare auf dem Kopf. Bei Tom konnte sie erste graumelierte Strähnen erkennen. Zusammen mit seinem Dreitagebart ging er als ganz ansehnlicher Mann durch, der sicherlich gut bei jüngeren Damen ankam. Im Anzug, den er für gewöhnlich auf Arbeit tragen musste, machte er bestimmt keine schlechte Figur.
Welche Liebschaften er aber vor Lydia hatte, wusste Rebecca nicht. Ob er einer Affäre mit seiner Sekretärin offen gegenüberstehen würde?
»Ach so, Paul. Und dann hat Denise noch gesagt, dass sie uns gern mal besuchen würde. Sie möchte unbedingt meine Tochter kennenlernen. Sie liebt Kinder.« Paul nickte.
Mit welch einer Leidenschaft Tom von seiner Sekretärin sprach! In Anwesenheit seiner Ehefrau hätte er garantiert nicht so inbrünstig von ihr geschwärmt.
Nach einer Viertelstunde erschien Lydia. Sie setzte sich wortlos neben Rebecca und schaute nach unten auf den Teppich. Nach wenigen Minuten sagte sie: »Ich gehe das Geschirr aufräumen«, und verschwand in der Küche.
»Geht es deiner Frau nicht gut?«, fragte Paul, der ja nicht ahnen konnte, was für ein Drama sich im oberen Stockwerk abgespielt hatte.
»Ach was. Ist halt alles stressig mit der Kleinen.« Rebecca aber dachte sich ihren Teil.
Es war weit nach 21 Uhr, als Rebecca und Paul das Haus von Tom und Lydia verließen. Paul war angetrunken, weshalb Rebecca fuhr. Sie beschäftigte noch immer, was ihr ihre Freundin anvertraut hatte. »Sag mal, was hat dir Tom eigentlich über Denise erzählt?«
Nachdem Paul Alkohol getrunken hatte, war er deutlich gesprächiger als sonst. »Nichts weiter. Nur, dass sie irgendwann vorbeikommen will, um seine Tochter zu sehen.«
»Ja, das weiß ich, da war ich dabei«, sagte Rebecca gereizt. »Aber ihr habt doch schon vorher über sie gesprochen, als Lydia und ich oben waren.« Paul überlegte kurz.
»Nicht viel. Sie ist seine neue Sekretärin. Er hat ein wenig über ihr Privatleben erzählt. Wieso fragst du?«
»Du hast sie doch bestimmt schon gesehen, oder? Sieht sie gut aus?«
Wieder zögerte Paul kurz. »Schlecht sieht sie nicht aus. Um die Zwanzig, ziemlich durchtrainiert und mit langen blonden Haaren.«
Rebecca hörte den anerkennenden Unterton in der Stimme ihres Freundes mitschwingen. »Meinst du, Tom steht auf sie?« Paul gab keine Antwort.
Da es zu finster war, konnte Rebecca auch keine Reaktion in seinem Gesicht erkennen. Die Pause dauerte ihr zu lange. »Hat dir Tom irgendwas gesagt? Findet er sie gut, wie versteht er sich mit ihr?« Wieder blieb Paul ihr die Antwort schuldig.
Rebecca atmete schwer aus.
»Worauf willst du denn hinaus, Beccy?«, platzte es aus ihm heraus.
Sie lachte auf. Als ob er das nicht wüsste! »Traust du Tom zu, dass er Lydia betrügt?«
»Tom soll fremdgehen? Das glaube ich nicht«, sagte Paul schnell. Rebecca hörte trotzdem einen seltsamen Unterton in seiner Stimme. »Ich meine … Tom ist ein Mann … Er hat mir erzählt, dass er Denise … Aber er würde Lydia doch nicht … Nein, ich meine …«
Offenbar wusste Paul mehr, als er Rebecca gegenüber eingestehen wollte. Er beendete das Thema, indem er einfach die angefangenen Satzbrocken nicht mehr fortsetzte. Er schwieg, bis sie zu Hause ankamen.