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Alan Turing

Vater der Computertechnologie und Codeknacker


* 23.06.1912 † 07.06.1954

Anfang des Jahres 1938 saß ein junger Mathematiker in einem englischen Kino und sah den ersten abendfüllenden Zeichentrick-Kinofilm von Walt Disney: Schneewittchen. Es war Alan Mathison Turing, damals 25 Jahre alt, und er war von diesem Film vollkommen fasziniert. Zwei Jahre später, während des Zweiten Weltkriegs, wurde Turing zu einem der größten Codeknacker, die es je gegeben hat. Und während er in einem Geheimversteck verschlüsselte Funksprüche der deutschen U-Boote knackte, sang er immer wieder ein Lied aus diesem Schneewittchen-Film. Aber noch etwas anderes aus dem Film sollte in Alan Turings Leben eine wichtige Rolle spielen: der vergiftete Apfel.

Schulzeit und Universität

Alan Turing war ein hochintelligenter Mensch. Er besaß ungeheure geistige Fähigkeiten. Schon als Kind löste er gerne Rätsel und brachte sich selbst das Lesen bei. Er war geradezu besessen davon, zu lernen, zu grübeln und zu forschen. Als Alan 1926 mit 14 Jahren auf eine höhere, allerdings weit entfernte Schule wechseln durfte, streikte die Eisenbahn. Alan war entsetzt. Er erhoffte sich, endlich spannendes Lernmaterial zu bekommen, und nun fuhr kein Zug! Er schwang sich also auf sein Fahrrad und radelte los. Am nächsten Morgen erreichte er pünktlich die Sherborne School in Dorset. Sie lag ganze 100 Kilometer von seiner damaligen Heimatstadt Southampton entfernt.

Turing war nicht nur interessiert an den Naturwissenschaften wie Mathematik, Physik und Chemie, er war darin genial. Da er aber für die Geisteswissenschaften kaum lernte, war sein Notendurchschnitt nie besonders gut. Deshalb konnte Alan auch nur auf dem zweitklassigen King’s College in Cambridge studieren. Auf seine mathematischen Fähigkeiten wurde man trotzdem aufmerksam. 1938 ging er für zwei Jahre in die USA und erwarb dort an der Princeton University einen Doktortitel.

Die Turing-Maschine

Turing konnte große und schwierige Probleme besonders gut in kleinere, einfacher zu lösende Teile zerlegen. Um ein mathematisches Problem für einen Wettbewerb zu lösen, erdachte er 1936 eine Maschine: Sie zerlegt jedes mathematische Problem in kleine Rechnungen, die leicht zu lösen sind. Was Alan Turing da aufgeschrieben hatte, war der einfachste und erste programmierbare Computer der Welt. Mit Speicher, Lese- und Schreibkopf wie bei einer Festplatte und mit Programmcode, der Werte verändern und somit rechnen konnte. Aber die Turing-Maschine existierte nur auf dem Papier. Es war die Beschreibung eines Ur-computers, eine grandiose Gedankenkonstruktion, die lange Zeit noch gar nicht gebaut werden konnte. Heute finden sich Nachbauten nicht nur in Museen, sondern mit Lego oder Fischertechnik auch auf YouTube.

Moderne Hochleistungscomputer beruhen alle auf Turings grundlegender Idee. Sie arbeiten allerdings effizienter und wesentlich schneller. Alle Probleme, die Supercomputer heute für uns lösen, lassen sich auch mit einer Turing-Maschine lösen – nur eben viel, viel langsamer.

Das Entziffern der ENIGMA-Verschlüsselung

Während des Zweiten Weltkriegs (1939 –1945) arbeitete Turing in Bletchley Park, 70 km nordwestlich von London. In streng geheimen Labors versuchten dort die allerbesten Wissenschaftler Englands, verschlüsselte Funksprüche der Deutschen zu knacken. Teamwork war dabei wichtig. Alan Turing wirkte jedoch auf seine Mitmenschen, wie viele andere hochintelligente Menschen auch, oft ein wenig sonderbar. So kettete er seine Teetasse im Büro jeden Abend an der Heizung fest. Er hatte Angst, sie könnte sonst geklaut werden. Die anderen Mitarbeiter waren natürlich sauer, weil er ihnen den Diebstahl überhaupt zutraute. Aber die Gefühle seiner Kollegen spielten in Turings Überlegung keine Rolle. Für ihn war eine Kette mit Vorhängeschloss einfach die simpelste und logischste Lösung für sein Problem, dass die Teetasse verschwinden könnte.

Turing war maßgeblich daran beteiligt, die ENIGMA zu knacken. Das war eine superstarke Geheimschriftmaschine, die besonders auf den gefürchteten deutschen U-Booten eingesetzt wurde. Jeden Tag veränderten die Deutschen die Einstellung der ENIGMA. Damit änderte sich auch der Schlüssel, eine Art Passwort, mit dem die Nachrichten codiert wurden.

Turing arbeitete an einer Maschine mit, die Bombe genannt wurde. Sie war in der Lage, an einem Tag alle möglichen Schlüssel einer ENIGMA durchzuprobieren. So lange, bis der richtige Code gefunden war. Das funktionierte nur, weil Turing durch logische Schlussfolgerungen und Mathematik viele der zig Millionen Schlüssel von vorneherein ausschließen konnte. Diese musste man also gar nicht erst versuchen. Die verbliebenen 1.054.560 Möglichkeiten konnte die von Turing gebaute Bombe an einem Tag durchtesten. Für eine elektromechanische Maschine ist das eine enorme Leistung.

Die erste Bombe wurde 1940 fertiggestellt und bis Kriegsende 1945 wurden über 200 solcher Maschinen gebaut. Liefen sie parallel, konnte ein abgefangener Funkspruch in knapp sechs Minuten entziffert werden. Man wusste also fast sofort, was der Feind vorhatte, und dieser Wissensvorsprung war Gold wert. Man schätzt, dass Turing und seine Kollegen dadurch den Zweiten Weltkrieg um etwa zwei bis vier Jahre verkürzt haben. Das hat Tausenden Soldaten das Leben gerettet. Turing erhielt dafür einen hohen Orden. Auszeichnungen waren für ihn jedoch unwichtiges Zeug, weshalb er den Orden in seinem Werkzeugkasten aufbewahrte.

Wirklich wahr!


Manchmal fuhr Turing mit Gasmaske auf dem Fahrrad durchs Dorf. Es war Krieg und die Leute bekamen Panik, weil sie dachten, dass es einen Gasangriff gäbe. Aber Alan Turing wollte sich nur vor Pollen schützen. Er litt nämlich unter Heuschnupfen.

Der Turing-Test

Eines der interessantesten und jüngsten Forschungsfelder in der modernen Informatik ist die Künstliche Intelligenz (KI). Frühere Computerprogramme konnten nur genau das tun, was der Programmierer vorher festgelegt hat. Eine KI soll jedoch in der Lage sein, selbst eine Entscheidung zu treffen. Und zwar für ein Problem, das bei der Programmerstellung noch gar nicht bekannt war. Das geht nur, wenn das Computerprogramm neue Dinge lernt und auch aus Fehlern schlauer wird. Je besser das gelingt, desto menschenähnlicher können sich Computer und Roboter in Zukunft verhalten.

Schon 1950 hatte Alan Turing eine Idee, wie man feststellen kann, ob eine Maschine wie ein Mensch denken kann, also intelligent ist. Um das zu testen, stellt ein Mensch über eine Tastatur und einen Bildschirm Fragen. Diese Fragen beantwortet jeweils ein Computer sowie ein anderer Mensch. Beide sind aber hinter einer Wand verborgen. Der Fragesteller weiß also nicht, welche Antwort von wem ist. Kann er nach vielen Fragen nicht eindeutig sagen, welche Antworten von der Maschine und welche vom Menschen stammen, hat der Computer den Turing-Test bestanden. Turing lehrte zu dieser Zeit schon an der Universität Manchester und galt als einer der besten Mathematiker Englands.

Verurteilung und Zwangsbehandlung

Die letzten Jahre in Alan Turings Leben waren jedoch tragisch. 1952 wurde er festgenommen, weil herauskam, dass er seit Jahren eine Liebesbeziehung mit einem Mann hatte. Das war damals in vielen Ländern noch eine Straftat und man hielt es sogar für eine Krankheit. Heute weiß man, dass das nicht stimmt. Mittlerweile können hierzulande problemlos Männer Männer und Frauen Frauen heiraten. Diese Erkenntnis kam für Alan Turing jedoch viel zu spät.

Ein Richter verurteilte Turing wegen »grober Unzucht«. Er stellte ihn vor die Wahl, entweder ins Gefängnis zu gehen oder die Gefühle zu seinem Partner mit Medikamenten zu unterdrücken. Turing wählte die Medikamente, obwohl sie ihn dick machten und ihm seine Lebensfreude nahmen. Aber er wollte nicht ins Gefängnis, sondern unbedingt weiterforschen und -arbeiten. Doch daraus wurde nichts. Nach der Gerichtsverhandlung verlor Turing seine Arbeitsstelle, weil er trotzdem als »verurteilter Straftäter« galt. Für Alan war das eine Katastrophe.

Turings Tod und der Schneewittchen-Apfel

Etwa zwei Jahre später, am 07. Juni 1954, wurde Alan Turing tot in seinem Bett gefunden. Im Zimmer roch es nach dem hochgiftigen Zyanid und es war bekannt, dass Alan bei der Arbeit gerne ein paar Strophen aus dem Schneewittchen-Film gesungen hatte:

»Tauch den Apfel tief hinein, bis das Gift wird in ihm sein. Der Apfel färbt sich strahlend rot, lockt Schneewittchen in den Tod.«


Als die Polizisten dann auch noch einen angebissenen Apfel auf dem Nachtkästchen fanden, war für sie der Fall schnell klar. In ihren Augen hatte sich Turing mit einem vergifteten Apfel selbst getötet. Allerdings hat die Polizei schlampig gearbeitet. Sie hat es sogar versäumt, den Apfel auf das Gift zu untersuchen. Auch ein Unfall ist deshalb durchaus möglich. Turing könnte bei einem chemischen Experiment versehentlich giftige Dämpfe eingeatmet haben.

Es wird wohl nie zweifelsfrei geklärt werden, was wirklich passiert ist. Die Geschichte mit dem Selbstmord durch den vergifteten Apfel hält sich jedoch hartnäckig und gilt als wahrscheinlich.

Würdigung und Ehre nach dem Tod

Alan Turing gilt heute als der einflussreichste Theoretiker in der Informatik. Er schuf die Grundlagen der modernen Informatik und wird als Vater der Computertechnologie bezeichnet. Seine Gedanken, Ideen und Überlegungen waren ihrer Zeit weit voraus. Am Turing-Test beißen sich heute noch die besten Computerprogramme die Zähne aus – noch hat kein Programm den Test bestanden.

Zu Ehren Alan Turings trägt die höchste Auszeichnung in der Informatik seit 1966 seinen Namen. Der Turing-Award ist in der Informationstechnologie das, was für andere Wissenschaften der Nobelpreis ist.

2009 entschuldigte sich die britische Regierung für die entwürdigende Verfolgung Turings als Homosexuellen. »Es tut uns leid. Sie hätten es so viel besser verdient«, sagte der damalige Premierminister Gordon Brown. Aber erst am 24. Dezember 2013, fast 60 Jahre nach seinem Tod, nahm die britische Königin Elizabeth II. Turings Verurteilung offiziell in einem Gnadenakt zurück. Das hatten zwar viele Bürger gefordert, aber nicht alle fanden es auch gut. Denn es wurde nur Turing begnadigt und nicht auch weitere Leidensgenossen.

Alan Turings Erfolg mit der ENIGMA blieb bis 1970 streng geheim. Bis dahin kannte kaum jemand seinen Namen. Heute steht im Sackville Park in Manchester eine Statue von ihm. Dort sitzt er als Bronzefigur auf einer Parkbank. Nun kann sich jeder neben ihn setzen und ihm so die Solidarität zeigen, die Alan Turing zu Lebzeiten verwehrt wurde. Und in seiner rechten Hand hält Alan einen Apfel.


Wenn Du folgende Längen- und Breitengrade bei Google-Maps eingibst, findest Du die Statue: 53.476735, -2.235962

Wirklich wahr!


Auf der Rückenlehne der Bank von Turings Statue stehen die Zeichen IEKYF RQMSI ADXUO KVKZC GUBJ, sie sollen ein ENIGMA-Code für »Founder of Computer Science« sein.

Das kann aber nicht stimmen, da eine ENIGMA niemals einen Buchstaben auf sich selbst verschlüsselte. An Position 14 steht aber sowohl im Code als auch im Klartext ein U.

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