Читать книгу Was Europa von Trump lernen kann - Todd Huizinga - Страница 6

Оглавление

Vorwort

In Europa ist die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA weitgehend auf heftige Ablehnung gestoßen. Man meint, er sei ein gefährlicher Populist, ein Feind der EU und Freund Putins, und vor allem ein unberechenbarer und hemmungsloser Elefant im „Porzellanladen“ der Weltpolitik.

Trotz aller auch berechtigten Kritik an einzelnen Handlungen des neuen Präsidenten verkennen jedoch die verzerrten Schilderungen in den Medien die zentrale Stärke Donald Trumps. Effektiver als alle anderen Politiker in den USA hat er, auch wenn er seine Schwächen hat, seinen Finger an den Puls der Zeit gelegt. Er hat die Notwendigkeit erkannt, die politischen Gepflogenheiten und Strukturen in den USA grundlegend zu reformieren – viele würden sagen auszumisten – und das nicht, um radikale Neuerungen herbeizuführen, sondern um die Errungenschaften des amerikanischen Systems zu bewahren. „In order to make America great again“: Um Amerika wieder groß werden zu lassen. Eine ähnliche, ebenso notwendige Aufgabe steht Europa bevor. Auf beiden Seiten des Atlantiks stehen wir vor der Herausforderung, dass sich die Menschen wieder verantwortlich für die Politik fühlen, um die bedrohten politischen Freiheiten und Rechte sowie den Wohlstand, die wir im Westen erreicht haben, gegen eine unverantwortliche, erstarrte und abgehobene politische, wirtschaftliche und intellektuelle Elite zu sichern.

Es ist schließlich nicht so, dass vor Donald Trump die Welt in Harmonie und Frieden lebte und erst durch eine einzige Person alles aus den Fugen geraten ist. Es lag und liegt vieles im Argen. Viele Konflikte konnten trotz jahrelanger Anstrengungen nicht gelöst werden. Fronten haben sich verhärtet. Eine gähnende Weltanschauungskluft zwischen Konservativen und Progressiven, die gegenseitig ihre unterschiedlichen Wahrheitsauffassungen nicht mehr anerkennen, scheint sich immer weiter zu verbreitern. Vor diesem Hintergrund ist Donald Trump, mit seinem Anspruch, die weitgehend verlorene Volkssouveränität in Amerika wiederherzustellen, eine Antwort auf die weltanschauliche Balkanisierung unseres postmodernen Zeitalters. So stellt das Erscheinen Trumps auf der Weltbühne eine Gelegenheit dar, festgefahrene politische Dogmen neu zu bewerten und allgemeine politische Denkgewohnheiten, die von dem weit verbreiteten Relativismus unserer Zeit geprägt sind, zu hinterfragen.

Von Grund auf benötigen wir eine Rückkehr zur Freiheit, die fest in der Wahrheit verankert ist. Das sind große Worte für die westliche Welt, die reklamiert besonders frei zu sein. Was ich damit meine, ist eine Rückkehr zur zweischneidigen Wahrheit über den Menschen, dass jeder Mensch einerseits eine unantastbare Würde besitzt, dass also jeder einen unanfechtbaren Anspruch auf die gleichen Grundrechte hat; dass aber andererseits der Mensch auch fehlerhaft ist, und stark dazu neigt, Macht zu missbrauchen. Wegen dieses Hangs zur Korruption, muss es Gewaltenteilung sowie die strikte Eingrenzung der Staatsgewalten geben, um einer Machtkonzentration vorzubeugen, die im Endeffekt zur Tyrannei führen würde. Diese Kernwahrheiten bilden die unverzichtbare Basis jeder nachhaltigen Demokratie. Heute werden aber genau diese Kernwahrheiten abgelehnt. Die Freiheit wird verzerrt – umdefiniert als das Recht eines jeden, die echte, überindividuelle, man kann auch sagen: universelle Wahrheit außer Betracht zu lassen und für sich selbst zu entscheiden, was seine eigene Wahrheit ist.

Unsere gesellschaftliche Realität, die Wahrheit, die uns leiten sollte, zerfällt in Scherben. Und die postmoderne, wahrheitsaufbrechende „Toleranz“ führt zum genauen Gegenteil: die Unterdrückung der Andersdenkenden, die sich nicht von der postmodernen Elite vorschreiben lassen wollen, wie sie zu denken haben. Schon seit ein paar Jahrzehnten überschwemmt uns diese Absurdität in der Form von Identity Politics und der politischen Korrektheit, durchgesetzt durch eine postmoderne intellektuelle Elite und einen demokratisch nicht legitimierten Bürokratiestaat. Hillary Clinton machte es unbeabsichtigt klar in ihrer Abrechnung mit der „Hälfte der Trump-Wähler“, ungefähr 30 Millionen Amerikanern: Es wird immer mehr zum Normalfall, dass Menschen, die die neu behaupteten Wahrheiten der politischen Korrektheit nicht linientreu nachplappern, als xenophob, rassistisch, homophob, islamophob, rechtsextrem oder was auch immer diffamiert werden. Die Grenzen werden durch verleumderischen sozialen Druck gezogen, außerhalb derer man nicht denken darf. So werden unter dem Deckmantel einer neuen sozialen Gerechtigkeit „für alle“ die reine Unfreiheit und die dreisteste Ungerechtigkeit durchgedrückt. Das gilt für den ganzen transatlantischen Raum, für Europa sowie für Amerika.

In Europa kommt der Zwang hinzu, dem amorphen Traum von irgendeinem letztendlichen Weltfrieden durch eine übernationale Überwindung der Nationalstaaten nach EU-Vorbild anzuhängen, und sei es, dass man die EU-Gläubigkeit durch Stillschweigen über sich ergehen lässt. Tut man das nicht, wird man als erstarrter Nationalist mit rechtsextremistischen Anklängen abgestempelt.

Aber der Schleier wird gelüftet. Immer mehr Menschen spüren, dass ein ungerechter Überfall gegen ihre Freiheit im Gange ist. Und darum ging es bei der Wahl Donald Trumps, dem Kandidaten, der besser als alle anderen die Notwendigkeit verstanden hat, die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und den Bürokratiestaat wieder unter Kontrolle zu bringen. Um es spitz zu sagen: Es ging bei der Präsidentenwahl nicht um Twitter, noch um ungewöhnliche Haarschnitte, noch um irgendeine andere Nebensächlichkeit dieser Art, die die Aufmerksamkeit der selbst ernannten Bewahrer des politisch und gesellschaftlich guten Tons so dominiert haben. Es ging um die Wiederherstellung der Freiheit und der Gerechtigkeit nach amerikanischer Art.

Die Europäer könnten sehr viel Gewinn aus einer Analyse dieser amerikanischen Vorgänge schlagen. Denn auf dem Mutterkontinent der USA, in Europa, wächst eine ähnliche Sehnsucht nach der Wiedererlangung der Freiheit und Gerechtigkeit, gegen die utopischen Träumereien einer friedvollen Weltordnung nach EU-Vorbild, in der eine globale Elite über die Köpfe der Wähler hinaus regiert.

Was kann man in Europa – und Amerika – von Donald Trump lernen? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich im Rest dieses Buches zuerst das Gefühl der Entfremdung in den USA und dessen Ursachen schildern. Dann möchte ich zur postmodernen EU übergehen, um die vergleichbaren Herausforderungen in Europa aufzudecken. Nach einem Diskurs über Trumps Projekt zur Wiederherstellung einer robusten Demokratie in Amerika anhand der Beispiele von brennenden politischen Streitfragen, will ich ein paar Thesen darüber aufstellen, an welchen Punkten dieser Versuch der Wiederbehauptung der Demokratie auch für Europa relevant sein könnte.

Mein durchgehendes Plädoyer ist, für eine Rückkehr zur strikten Eingrenzung des Staates zu plädieren, für das demokratisch rechenschaftspflichtige Regieren auf der Basis eines konservativen Menschenbildes. Kurz und bündig möchte ich in diesem Buch für eine Rückkehr zu einer politischen Führung eintreten, die mit den Menschen, mit der Wählerschaft, und deren common sense verbunden ist.

Dieses Buch versucht, einem europäischen Publikum zu vermitteln, dass Trump kein Zufall, kein Unfall und keine Absurdität der Weltgeschichte ist. Er ist demokratisch legitimierter Präsident der größten Demokratie und eine Figur, die uns im Westen wieder auf unsere eigentlichen demokratischen Werte besinnen lässt. Gerade weil Donald Trump die Selbstverständlichkeiten von vielen von uns – Amerikanern wie Europäern – so sehr erschüttert, haben wir in der ehrlichen Auseinandersetzung mit seinen Thesen eine Chance zur Selbstfindung und zu neuer Stärke.

Editorische Notiz

Die Behandlung der Themen Postmoderne, Menschenrechte und Global Governance auf den Seiten 33-50 sind zum Teil an zwei frühere Werke des Autors angelehnt, und enthalten Auszüge und Zitate aus diesen Werken: Todd Huizinga: The New Totalitarian Temptation: Global Governance and the Crisis of Democracy in Europe. New York: Encounter Books, 2016; und Todd Huizinga: Christlicher Glaube und Politik in der Postmoderne, S. 147-159, in: Philipp W. Hildmann/Johann Christian Koecke (Hrsg.): Christentum und politische Liberalität: Zu den religiösen Wurzeln säkularer Demokratie, Berliner Bibliothek Religion - Kultur - Wissenschaft Band 3, Frankfurt am Main: Peter Lang Edition, 2017.

Was Europa von Trump lernen kann

Подняться наверх