Читать книгу Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14. - Т.Б. Маколей, Томас Бабингтон Маколей - Страница 42

Dreizehntes Kapitel.
Wilhelm und Marie
Zustand der Hochlande

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Ein moderner Engländer, der in einem Tage aus seinem Club in St. James Street auf sein Jagdschloß in den Grampians gelangen kann und der in seinem Jagdschlosse alle Bequemlichkeiten und Luxusgegenstände seines Clubs findet, wird kaum glauben können, daß zur Zeit seiner Urgroßväter St. James Street mit den Grampians eben so wenig in Verbindung stand wie mit den Anden. Und doch war dem so. Im Süden unsrer Insel wußte man fast gar nichts von dem celtischen Theile Schottland’s, und was man etwa wußte, erweckte kein andres Gefühl als Verachtung und Widerwillen. Die Klippen und Schluchten, die Wälder und Gewässer waren zwar die nämlichen, welche gegenwärtig jeden Herbst von entzückten Beschauern und Landschaftszeichnern wimmeln. Der Trosachs schlängelte sich wie heute zwischen gigantischen, mit Ginster und wilden Rosen bewachsenen Felswänden hin, der Foyers kam mit demselben Hüpfen und demselben Rauschen, mit dem er noch heute dem Neßsee zueilt, durch den Birkenwald herab, und der schneegekrönte Scheitel des Ben Cruachan erhob sich, der Junisonne spottend, wie heute, über die mit Weiden bedeckten Inselchen des Awesees. Aber keine dieser Landschaften vermochte bis in die neuere Zeit einen einzigen Dichter oder Maler aus wohlhabenderen und ruhigeren Gegenden herbeizulocken. Gesetz und Polizei, Handel und Industrie haben in der That viel mehr, als Leute von romantischen Ansichten bereitwillig zugeben werden, dazu beigetragen, den Sinn für die wilderen Naturschönheiten in uns zu wecken. Ein Reisender muß frei von jeder Besorgniß sein, ermordet zu werden, oder vor Hunger umzukommen, ehe er sich an den kühnen Umrissen und an der Farbenpracht der Berge erfreuen kann. Er wird so leicht nicht über den Anblick eines steilen Abgrundes entzückt sein, wenn er in Gefahr schwebt, zweitausend Fuß tief in denselben hinabzustürzen; ebenso wenig über den Anblick kochender Fluthen eines Waldstroms, der plötzlich sein Gepäck mit fort schwemmt und ihn zwingt, sein Heil in der Flucht zu suchen; oder über den Anblick der schauerlichen Majestät eines Gebirgspasses, wo er einen Leichnam findet, den Räuber eben ausgeplündert und verstümmelt haben; oder über das Gekrächz der Adler, deren nächste Mahlzeit vielleicht eines seiner eigenen Augen sein kann. Um’s Jahr 1730 schrieb Capitain Burt, der erste Engländer, der die Gegenden besuchte, welche jetzt Vergnügungsreisende aus allen Theilen der gebildeten Welt herbeiziehen, ein Buch über seine Wanderungen. Er war unverkennbar ein Mann von umsichtigem, beobachtendem und gebildetem Geiste und würde, wenn er in unsrer Zeit gelebt hätte, ohne Zweifel mit einem Gemisch von Ehrfurcht und Wonne die Berge von Inverneßshire betrachtet haben. Da er aber mit den zu seiner Zeit allgemein vorherrschenden Ansichten schrieb, so erklärte er diese Gebirge für monströse Auswüchse. Er sagte, sie seien dermaßen mißgestaltet, daß die nacktesten Ebenen im Vergleich mit ihnen lieblich erscheinen müßten. Schönes Wetter, meinte er, mache den traurigen Anblick nur noch trauriger, denn je heller der Tag, um so unangenehmer berührten diese formlosen Massen von düstrem Braun und schmutzigem Roth das Auge. Welch’ ein Contrast, rief er aus, zwischen diesen grauenhaften Gegenden und den Schönheiten von Richmond Hill!59 Manche Leute werden glauben, Burt sei ein Mann von alltäglichem und prosaischem Geiste gewesen; aber sie werden es wohl schwerlich wagen, eine ähnliche Ansicht über Oliver Goldsmith auszusprechen. Goldsmith war einer der wenigen Sachsen, welche vor mehr als einem Jahrhunderte den Muth hatten, die schottischen Hochlande zu bereisen. Die abschreckende Wildheit der Gegenden machte einen widerlichen Eindruck auf ihn, und er erklärte, daß er die reizende Umgebung von Leyden, die weite Fläche grüner Wiesen und die Landhäuser mit ihren Statuen und Grotten, ihren sauberen Blumenbeeten und geradlinigen Alleen bei weitem vorziehe. Es ist indessen schwer zu glauben, daß der Verfasser des Traveller und des Deserted Village den Tausenden von Handlungsdienern und Putzmacherinnen, welche jetzt beim Anblick des Katrinesees und des Lomondsees in Entzücken gerathen, an natürlichem Geschmack und Sinn für Naturschönheiten nachgestanden haben sollte. Seine Empfindungen sind leicht zu erklären. Erst nachdem Straßen durch die Felsen gehauen, nachdem Brücken über die Gießbäche geschlagen, nachdem Gasthäuser an die Stelle der Räuberhöhlen getreten, nachdem man in den wildesten Pässen von Badenoch oder Lochaber eben so wenig Gefahr lief ermordet zu werden wie in Cornhill, konnten die blauen Gewässer der Seen und die über den Wasserfällen hängenden Regenbogen den Fremden bezaubern und ihn selbst an den auf den Bergspitzen lauernden Wolken und Stürmen ein feierliches Vergnügen finden lassen.

Die veränderten Empfindungen, mit denen die Bewohner des Niederlandes die Scenerie des Hochlandes betrachteten, war eng verbunden mit einer nicht minder auffallenden Veränderung der Gesinnungen, mit denen sie den hochländischen Menschenschlag betrachteten. Es ist kein Wunder, wenn die wilden Schotten, wie man sie zuweilen nannte, im 17. Jahrhunderte von den Sachsen als bloße Wilde angesehen wurden. Sonderbar aber ist es gewiß, daß sie, obgleich sie als Wilde betrachtet wurden, nicht Gegenstände des Interesses und der Neugierde waren. Die Engländer studirten damals mit übergroßem Eifer die Sitten roher, durch große Continente und Meere von unsrer Insel getrennter Nationen. Es erschienen zahlreiche Bücher, welche die Gesetze, den Aberglauben, die Hütten, die Mahlzeiten, die Trachten, die Hochzeiten und Bestattungsgebräuche der Lappländer und Hottentotten, der Mohawks und Malayen beschrieben. Die Theaterstücke und Gedichte aus jener Zeit sind reich an Anspielungen auf die Gebräuche der afrikanischen Schwarzen und der amerikanischen Rothhäute. Der einzige Barbar, nach dessen näherer Kenntniß Niemanden verlangte, war der Hochländer. Fünf oder sechs Jahre nach der Revolution veröffentlichte ein unermüdlicher Angler ein Werk über Schottland. Er rühmte sich, im Laufe seiner Wanderungen von See zu See und von Bach zu Bach kaum einen Winkel des Königreichs unerforscht gelassen zu haben. Wenn wir aber seine Erzählung näher prüfen, so finden wir, daß er sich nicht über die äußersten Grenzen der celtischen Region hinausgewagt hat. Er sagt uns, daß er selbst von den Leuten, welche dicht bei den Gebirgspässen wohnten, über die gälische Bevölkerung nichts habe erfahren können. Wenige Engländer, schreibt er, hätten Inverary je gesehen, und jenseit Inverary sei Alles ein Chaos.60 Unter der Regierung Georg’s I. erschien ein Werk, welches einen sehr genauen Bericht über Schottland zu geben behauptete und in diesem über dreihundert Seiten starken Werke waren zwei geringschätzende Paragraphen als für die Hochlande und die Hochländer genügend erachtet.61 Wir dürfen wohl zweifeln, ob im Jahre 1689 ein einziger von den zwanzig der wohlbelesenen Gentlemen, welche Will’s Kaffeehaus besuchten, wußte, daß es innerhalb des Bereichs der vier Meere und in einer Entfernung von weniger als fünfhundert Meilen von London viele Miniaturhöfe gab, in deren jedem ein kleiner Fürst, umgeben von Leibgarden, Waffenträgern, Musikern, einem erblichen Redner und einem erblichen Hofpoeten, einen rohen Hofstaat unterhielt, eine rohe Justiz ausübte, Krieg führte und Verträge schloß. So lange die alten gälischen Institutionen in voller Kraft bestanden, war kein Bericht über sie von einem zur richtigen Beurtheilung derselben befähigten Beobachter erschienen. Hätte ein solcher Beobachter die Hochländer studirt, so würde er ohne Zweifel darin ein inniges Gemisch der guten und schlechten Eigenschaften einer uncivilisirten Nation gefunden haben. Er würde gefunden haben, daß das Volk weder sein Vaterland noch seinen König liebte, daß es keine Anhänglichkeit an ein größeres Gemeinwesen als den Clan, oder an eine höhere Behörde als den Häuptling hatte. Er würde gefunden haben, daß das dortige Leben durch ein Gesetzbuch der Moral und Ehre geregelt wurde, welches himmelweit verschieden war von dem in friedlichen und prosperirenden Gesellschaften geltenden. Er würde gelernt haben, daß ein Messerstich in den Rücken oder ein Schuß hinter einem Felsblocke hervor gebilligte Wege waren, um sich für Beleidigungen Satisfaction zu verschaffen. Er würde Leute mit Stolz haben erzählen hören, wie sie oder ihre Väter an Erbfeinden in einem benachbarten Thale eine Rache ausgeübt, über welche alte Soldaten des dreißigjährigen Kriegs geschaudert haben würden. Er würde gefunden haben, daß das Räuberhandwerk für einen nicht nur unschuldigen, sondern sogar ehrenvollen Beruf galt. Er würde allenthalben, wohin er den Blick wendete, die allen Wilden characteristische Abneigung gegen eine geregelte Thätigkeit, und die Geneigtheit, den schwersten Theil der Handarbeit auf das schwächere Geschlecht zu wälzen, gesehen haben. Er würde erstaunt sein über den Anblick athletischer Männer, die sich in der Sonne wärmten, Lachse angelten oder Birkhühner schossen, während ihre greisen Mütter, ihre schwangeren Frauen und ihre zarten Töchter die dürftige Haferernte einbrachten. Und die Weiber beklagten sich nicht über ihr hartes Loos. In ihren Augen war es ganz schicklich, daß ein Mann, besonders wenn er den aristokratischen Titel Duinhe Wassel führte und seine Mütze mit einer Adlerfeder schmückte, der Ruhe pflog, wenn er nicht focht, jagte oder plünderte. Den Namen eines solchen Mannes in Verbindung mit dem Handel oder mit einer mechanischen Beschäftigung zu nennen, war eine Beleidigung. Der Landbau war zwar minder verachtet, aber es war doch für einen hochgebornen Krieger eine viel angemessenere Beschäftigung, fremdes Land zu plündern, als sein eignes zu bestellen. Die Religion des größeren Theils der Hochlande war ein rohes Gemisch von Papismus und Heidenthum. Das Symbol der Erlösung war mit heidnischen Opfern und Beschwörungsformeln verbunden. Getaufte Menschen brachten dem einen Dämon Libationen von Ale und setzten für einen andren Trankopfer von Milch aus. Seher wickelten sich in Ochsenhäute und erwarteten so die Inspiration, welche die Zukunft enthüllen sollte. Selbst unter den Minstrels und Genealogen, deren erblicher Beruf es war, die Erinnerung vergangener Ereignisse zu bewahren, würde ein Forscher nur sehr wenige gefunden haben, welche lesen konnten. Er hätte in der That von einer Küste zur andren reisen können, ohne eine Seite gedrucktes oder geschriebenes Gälisch zu entdecken. Er würde seine Kenntniß des Landes theuer haben bezahlen müssen. Er würde eben so große Beschwerden zu ertragen gehabt haben, als wenn er sich unter den Eskimos oder Samojeden befunden hätte. Hier und da im Schlosse eines vornehmen Lords, der einen Sitz im Parlamente und im Geheimen Rathe hatte und der einen großen Theil seines Lebens in den Städten des Südens zuzubringen pflegte, würde er wohl Perrücken und gestickte Leibröcke, Silbergeschirr und feines Leinzeug, Spitzen und Juwelen, französische Speisen und französische Weine gefunden haben. In der Regel aber hätte er sich mit ganz anderen Quartieren begnügen müssen. In vielen Wohnungen würden die Möbeln, die Kost, die Kleidung, ja selbst das Haar und die Haut seiner Wirthe seine Philosophie auf eine harte Probe gestellt haben. Er würde sich zuweilen mit einer Hütte haben begnügen müssen, in der jeder Winkel von Ungeziefer wimmelte. Er würde eine mit Torfrauch geschwängerte und durch hunderterlei ekelhafte Dünste verpestete Luft eingeathmet haben. Zum Abendessen würde ihm Korn, das nur zu Pferdefutter taugte, nebst einem Napfe voll Blut von einer lebenden Kuh vorgesetzt worden sein. Einige seiner Tischgenossen würden mit Hautausschlägen bedeckt, andere mit Theer beschmiert gewesen sein wie die Schafe. Sein Lager würde der nackte Erdboden gewesen sein, trocken oder naß, je nach dem Wetter, und er würde sich von diesem Lager halb vergiftet durch den Gestank, halb blind vom Torfrauch und halb wahnsinnig vor Jucken erhoben haben.62

Dies ist gewiß kein anziehendes Bild. Und doch würde ein einsichtsvoller und vorurtheilsfreier Beobachter in dem Character und den Sitten dieses rohen Volks etwas gefunden haben, was wohl Bewunderung und gute Hoffnungen erwecken konnte. Sie besaßen einen Muth, der sich seitdem durch Heldenthaten in allen vier Welttheilen erprobt hat. Ihre treue Anhänglichkeit an ihren Stamm und an ihren Patriarchen war zwar vom politischen Gesichtspunkte ein großes Uebel, hatte aber doch etwas von dem Character einer Tugend. Das Gefühl war irregeleitet und regellos, aber es war dennoch heroisch. Es muß eine gewisse Seelengröße in einem Menschen wohnen, der die Gesellschaft, welcher er angehört und den Führer, dem er folgt, mit einer Zuneigung liebt, welche stärker ist als die Liebe zum Leben. Es ist wahr, der Hochländer machte sich kein Gewissen daraus, das Blut eines Feindes zu vergießen, aber nicht minder wahr ist es, daß er hohe Begriffe von der Pflicht der Treue gegen Bundesgenossen und der Gastfreundschaft gegen Gäste hatte. Seine räuberischen Gewohnheiten waren allerdings für das Gemeinwesen von großem Nachtheil; aber Diejenigen irrten sehr, die da glaubten, daß er irgend eine Aehnlichkeit mit den Schurken hatte, welche in reichen und wohlgeordneten Staaten vom Diebstahle leben. Wenn er die Heerden von Niederlandsfarmern vor sich her den Paß hinauf trieb, der in seine heimathliche Schlucht führte, hielt er sich eben so wenig für einen Dieb, wie ein Raleigh oder Drake sich für einen Dieb hielt, wenn er die Ladungen der spanischen Galeonen theilte. Er war ein Krieger, der die rechtmäßige Beute des Kriegs in Besitz nahm, eines Kriegs, der während der fünfunddreißig Generationen, welche vorübergegangen waren, seitdem die teutonischen Eroberer die Kinder des Bodens in die Gebirge getrieben hatten, niemals unterbrochen worden war. Daß er zum Schutze des friedlichen Gewerbfleißes mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft wurde, wenn man ihn bei einem Raube nach solchen Grundsätzen ergriff, war vollkommen gerecht. Ungerecht aber war es, ihn in moralischer Beziehung in eine Kategorie mit den Taschendieben, welche im Drurylanetheater ihr Unwesen trieben, oder mit den Straßenräubern zu werfen, welche auf Blackheath die Reisewagen anfielen. Sein maßloser Geburtsstolz und seine Verachtung der Arbeit und des Handels waren zwar große Schwächen und hatten weit mehr als die Rauhheit des Klima’s und die Unfruchtbarkeit des Bodens dazu beigetragen sein Vaterland arm und uncultivirt zu erhalten. Doch auch dafür gab es einen Ersatz. Um gerecht zu sein, muß man anerkennen, daß die patrizischen Tugenden unter der Bevölkerung der Hochlande nicht minder weit verbreitet waren als die patrizischen Fehler. Wie es keinen andren Theil der Insel gab, wo die Leute trotz dürftiger Kleidung, Wohnung und Nahrung den müßigen Schlaraffengewohnheiten einer Aristokratie in einem so hohen Grade fröhnten, so gab es auch keinen Theil der Insel, wo diese Leute in einem so hohen Grade die besseren Eigenschaften einer Aristokratie, Anmuth und Würde des Benehmens, Selbstachtung und jenes edle Zartgefühl besaßen, welches die Entehrung mehr fürchtet als den Tod. Ein Gentleman dieser Art, dessen Kleider von jahrelangem Schmutze besudelt waren und in dessen Hütte es ärger roch als in einem englischen Schweinestall, machte häufig die Honneurs dieser Hütte mit einem vornehmen Anstande, welcher des glänzenden Hofzirkels von Versailles würdig gewesen wäre. Obwohl er eben so wenig Büchergelehrsamkeit besaß, wie der einfältigste Ackerknecht England’s, so würde es doch ein grober Irrthum gewesen sein, hätte man ihn auf eine Stufe der Intelligenz mit diesen Ackerknechten stellen wollen. Mit einer Wissenschaft kann der Mensch allerdings nur durch Lesen genau bekannt werden. Aber die Künste der Poesie und der Beredtsamkeit können in einem Zeitalter wo Bücher gänzlich oder doch fast gänzlich unbekannt sind, der absoluten Vollkommenheit nahe gebracht werden und einen großen Einfluß auf den Volksgeist ausüben. Der erste große Lebens- und Sittenmaler hat mit einer Lebendigkeit, welche keinen Zweifel zuließ, daß er die Natur treu copirte, den Eindruck geschildert, den Beredtsamkeit und Gesang auf Zuhörer machten, die nicht einmal das Alphabet kannten. Es ist wahrscheinlich, daß bei den Berathungen der Hochländer Männer, welche dem Amte eines Dorfgerichtsschreibers nicht gewachsen gewesen waren, Fragen über Krieg und Frieden, über Tribut und Huldigung mit einem eines Halifax und Caermarthen würdigen Scharfsinn erörterten, und daß bei den Banketen der Hochländer Minstrels, die nicht lesen konnten, zuweilen Rhapsodien vortrugen, in denen ein verständiger Kritiker Stellen gefunden haben würde, die ihn an die lieblichen Verse Otway’s oder an die kräftigen Strophen Dryden’s erinnert hätten.

Es gab daher schon damals Beweise genug für die Rechtfertigung des Glaubens, daß der Celte durch keine natürliche Inferiorität dem Sachsen weit nachstand. Man hätte mit Gewißheit voraussagen können, daß, wenn eine energische Polizei es dem Hochländer unmöglich gemacht hätte, ihm zugefügtes Unrecht durch Gewalt zu rächen und sich seine Bedürfnisse durch Raub zu verschaffen, wenn seine Anlagen durch den bildenden Einfluß der protestantischen Religion und der englischen Sprache entwickelt würden, wenn er die Zuneigung und Achtung, mit denen er sein kleines Gemeinwesen und seinen kleinen Fürsten betrachten gelernt hatte, auf sein Vaterland und dessen rechtmäßige Obrigkeit übertragen könnte, das Königreich einen großen Zuwachs an Kraft für alle Zwecke des Friedens wie des Kriegs erlangen würde.

So würde ohne Zweifel der Ausspruch eines unterrichteten und unparteiischen Richters gelautet haben. Aber einen solchen Richter gab es damals nicht. Die von den gälischen Provinzen weit entfernt wohnenden Sachsen konnten nicht gut unterrichtet sein, und die in der Nähe dieser Provinzen wohnenden Sachsen konnten nicht unparteiisch sein. Zwischen Grenzbewohnern sind nationale Feindschaften jederzeit am heftigsten gewesen, und die Feindschaft zwischen den Grenzbewohnern des Hochlandes und denen des Niederlandes längs der ganzen Grenze war das Erzeugniß von Jahrhunderten und wurde durch beständige Reibungen immer frisch erhalten. Einmal wurden ganze Quadratmeilen Weideland von bewaffneten Räubern aus dem Gebirge verwüstet. Ein andermal hingen ein Dutzend Plaids in einer Reihe an den Galgen von Crieff oder Stirling. Es wurden zwar auf dem streitigen Gebiete Jahrmärkte zum nothwendigen Austausch von Waaren gehalten. Aber zu diesen Jahrmärkten kamen beide Theile kampfgerüstet, und der Tag endete oftmals mit Blutvergießen. So war der Hochländer ein Gegenstand des Hasses für seine sächsischen Nachbarn, und von seinen sächsischen Nachbarn erfuhren die weiter von ihm entfernt wohnenden Sachsen das Wenige, was sie über seine Sitten und Gewohnheiten zu erfahren wünschten. Wenn die Engländer sich einmal herabließen, an ihn zu denken – und dies geschah selten – so betrachteten sie ihn als einen schmutzigen, gemeinen Wilden, als einen Sklaven, einen Papisten, einen Halsabschneider und Räuber.63

Diese geringschätzende Abneigung erhielt sich bis zum Jahre 1745, worauf derselben für kurze Zeit eine heftige Furcht und Wuth folgte. Das ernstlich besorgte England bot seine ganze Macht auf und die Hochländer wurden rasch, vollständig und für immer unterworfen. Eine kurze Zeit lang schnaubte die englische Nation, noch erhitzt von dem neuerlichen Kampfe, nichts als Rache. Das Gemetzel auf dem Schlachtfelde und auf dem Schaffote genügte nicht, um den öffentlichen Blutdurst zu stillen. Der Anblick des Tartan reizte den Pöbel von London zu einem Hasse, der sich durch unmännliche Mißhandlungen an wehrlosen Gefangenen äußerte. Eine politische und sociale Umwälzung fand in der ganzen celtischen Region statt. Die Macht der Häuptlinge wurde gebrochen, das Volk entwaffnet, der Gebrauch der alten Nationaltracht verboten, den alten räuberischen Gewohnheiten wirksam Einhalt gethan, und kaum war diese Veränderung durchgeführt, so begann ein sonderbarer Umschwung der öffentlichen Meinung. Mitleid trat an die Stelle des Widerwillens. Die Nation verwünschte die an den Hochländern verübten Grausamkeiten und vergaß, daß sie selbst für diese Grausamkeiten verantwortlich war. Die nämlichen Londoner, welche, so lange der Marsch Derby’s noch in frischem Andenken war, die gefangenen Rebellen verhöhnt und mit Steinen geworfen hatten, gaben jetzt dem Fürsten, der den Aufstand niedergeworfen, den Spottnamen des „Schlächters“. Die barbarischen Institutionen und Gebräuche, die kein Sachse zur Zeit ihres Bestehens einer ernsten Prüfung werth gehalten und von denen er nie anders als mit Verachtung gesprochen, hatten nicht sobald aufgehört zu existiren, als sie Gegenstände der Neugierde, des Interesses und selbst der Bewunderung wurden. Kaum waren die Häuptlinge einfache Grundherren geworden, so begann man auch schon gehässige Vergleiche zwischen der Habgier des Grundherrn und der Nachsicht des Häuptlings anzustellen. Man schien vergessen zu haben, daß das alte gälische Staatswesen für unvereinbar mit der Autorität des Gesetzes befunden worden war, das Fortschreiten der Civilisation gehemmt und mehr als einmal den Fluch des Bürgerkriegs über das Land gebracht hatte. Wie man früher nur die abschreckende Seite dieses Staatswesens gesehen hatte, so sah man jetzt nur die anziehende Seite desselben. Das alte Band, sagte man, sei ein verwandtschaftliches gewesen, das neue sei ein rein commercielles. Könne es etwas Beklagenswertheres geben, als daß der Häuptling eines Stammes um eines geringfügigen Pachtrückstandes willen Pächter vertreibe, die sein eigen Fleisch und Blut seien und deren Vorfahren oftmals auf dem Schlachtfelde mit ihren Leibern seine Vorfahren gedeckt hätten? So lange es gälische Räuber gab, waren sie von der sächsischen Bevölkerung als hassenswerthes Ungeziefer betrachtet worden, das ohne Gnade vertilgt werden müsse. Sobald aber die Vertilgung bewerkstelligt, sobald das Vieh in den Engpässen von Perthshire eben so sicher war als auf dem Markte zu Smithfield, wurde der Freibeuter zu einem Romanhelden verherrlicht. So lange die gälische Tracht getragen wurde, hatten die Sachsen sie für häßlich, für lächerlich, ja sogar für höchst unanständig erklärt. Bald nachdem dieselbe verboten worden, machten sie die Entdeckung, daß sie das anmuthigste Gewand von Europa war. Die gälischen Bauwerke, die gälischen Gebräuche, der gälische Aberglaube, die gälischen Dichtungen, seit vielen Jahrhunderten geringschätzend vernachlässigt, begannen von dem Augenblicke an, wo die gälischen Eigenthümlichkeiten zu verschwinden anfingen, die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich zu ziehen. Dieser Impuls war so stark, daß, wo die Hochlande im Spiele waren, einsichtsvolle Männer unbewiesenen Geschichten bereitwillig Glauben schenkten und Männer von Geschmack ganz werthlosen Compositionen einen überspannten Beifall zollten. Epische Gedichte, welche jeder geübte und vorurtheilsfreie Kritiker auf den ersten Blick als fast gänzlich modern erkannt haben würde und die, wenn sie als moderne Erzeugnisse veröffentlicht worden wären, sofort den ihnen gebührenden Platz neben Blackmore’s Alfred und Wilkie’s Epigoniad gefunden haben würden, wurden für funfzehnhundert Jahr alt erklärt und allen Ernstes der Iliade zur Seite gestellt. Schriftsteller von ganz andrer Art als die Betrüger, welche diese Fälschungen fabrizirten, sahen ein, welcher gewaltige Eindruck durch geschickte Schilderungen des früheren Hochlandlebens hervorgebracht werden könnte. Alles Widerwärtige wurde gemildert, alles Schöne und Edle mit besonderem Nachdruck hervorgehoben. Einige dieser Werke waren mit so bewundernswerthem Geschick abgefaßt, daß sie, wie die historischen Stücke Shakespeare’s, die Geschichte ersetzten. Die Phantasiegebilde des Dichters wurden für seine Leser zu Wirklichkeiten, die Orte, welche er beschrieb, wurden geheiligte Stätten und das Ziel von Tausenden von Pilgern. Bald war die Phantasie des Volks so ausschließend beschäftigt mit Plaids, Tartschen und Claymores, daß die meisten Engländer die Namen Schotte und Hochländer als gleichbedeutend betrachteten. Nur wenige schienen zu wissen, daß zu einer noch nicht fernen Zeit ein Macdonald oder ein Macgregor in seinem Tartan einem Bürger von Edinburg oder Glasgow das war, was ein indianischer Jäger in seinem Kriegsschmucke einem Bewohner von Philadelphia oder Boston ist. Künstler und Schauspieler stellten Bruce und Douglas in gestreiften kurzen Röcken dar. Eben so gut hätten sie Washington den Tomahawk schwingend und mit einer Reihe Skalpen umgürtet darstellen können. Endlich erreichte diese Mode einen Punkt, der nicht leicht überschritten werden konnte. Der letzte britische König, der in Holyrood residirte, glaubte keinen glänzenderen Beweis von seiner Achtung vor den Gebräuchen, welche vor der Union in Schottland geherrscht hatten, geben zu können, als indem er sich in einen Anzug kleidete, den vor der Union neun Schotten unter zehn für die Tracht eines Banditen erklärt haben würden.

So ist es gekommen, daß die alten gälischen Institutionen und Sitten nie in dem einfachen Lichte der Wahrheit dargestellt worden sind. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden sie durch ein falsches Medium gesehen; seitdem sind sie durch ein andres gesehen worden. Früher schimmerten sie nur undeutlich durch den verdunkelnden und entstellenden Nebel des Vorurtheils, und dieser Nebel hatte sich kaum zerstreut, so erschienen sie glänzend in den reichsten Farben der Poesie. Die Zeit, wo ein vollkommen treues Bild hätte entworfen werden können, ist jetzt vorbei. Das Original ist längst verschwunden, eine authentische Copie existirt nicht und Alles was noch möglich, ist die Herstellung einer unvollkommenen Aehnlichkeit mit Hülfe zweier Portraits, von denen das eine eine plumpe Karrikatur, das andre ein Meisterstück der Schmeichelei ist.

59

„Soll ich Sie mit einer Schilderung dieses unfruchtbaren Landes langweilen, wo ich Sie über Berge, ganz braun von Haidekraut, oder durch Thäler führen muß, welche kaum Futter genug für ein Kaninchen enthalten? … Jeder Punkt des Landes bietet die nämliche reizlose Landschaft dar. Kein Gehölz oder Bach erfreut den Fremden durch seine trauliche Musik.“ – Goldsmith an Bryanton, Edinburg, 26. September 1753. In einem bald nachher aus Leyden an den ehrwürdigen Thomas Contarine geschriebenen Briefe sagt Goldsmith: „Ich war ganz versunken in das Anschauen der Gegend. Nichts kann der Schönheit derselben gleichkommen. Wohin ich den Blick wendete, überall zeigten sich schöne Häuser, anmuthige Gärten, Statuen, Grotten und Fernsichten. Schottland bildet mit diesem Lande den grellsten Contrast: dort versperren Hügel und Felsen jede Aussicht; hier ist Alles eine ununterbrochene Ebene.“ Siehe den Anhang C. zum ersten Bande von Mr. Forster’s Life of Goldsmith.

60

Northern Memoirs, by R. Franck Philanthropus, 1694. Der Verfasser hatte etwas von der Scenerie der Hochlande gesehen, und er spricht davon fast ganz so wie Burt unter der folgenden Generation: „Es ist ein verwahrloster Theil der Schöpfung, Schutt, der beim Prachtbau der Welt bei Seite geworfen wurde, und eben so arm an Form und Gestalt wie die Eingebornen an Moral und guten Sitten.“

61

Journey through Scotland, by the author of the Journey through England, 1723.

62

Fast alle diese Umstände sind Burt’s Briefen entlehnt. Bezüglich des Theers ist meine Quelle Cleland’s Poesie. In seinen Versen über den „Highland Host“ sagt er:

„Dieweil sie sind beschmiert mit Theer,

Der ihren Kopf und Hals beschützt,

Ganz wie bei ihren Schafen.“


63

Ein schlagender Beleg für die Meinung, welche der Bewohner des Niederlandes von dem Hochländer hegte und die sich von jenem auch den Engländern mittheilte, findet man in einem Bande Miscellanies, von Afra Behn im Jahre 1685 herausgegeben. Eines der interessantesten Stücke dieser Sammlung ist ein rohes und profanes schottisches Gedicht betitelt: „Wie der erste Hochländer gemacht wurde.“ Wie und aus welchen Stoffen er gemacht wurde, wage ich nicht zu erzählen. Das unmittelbar auf seine Schöpfung folgende Gespräch aber wird, wie ich hoffe, hier ohne großen Anstoß einen Platz finden dürfen.

Spricht Gott zum Hochlandsmann: „Wohin willst Du?“

„Ich will ins Niederland hinab, o Herr, zu stehlen eine Kuh.“

„Pfui!“ sagt St. Peter, „wirst ein arger Sünder werden,

Wenn Du schon stehlen willst, kaum angelangt auf Erden.“

„Hm!“ drauf der Hochlandsmann mit einem Schwure spricht,

„So lang ich stehlen kann, arbeit’ ich nicht.“


Ein andrer schottischer Niederländer, der tapfre Oberst Cleland, beschreibt den Hochländer um die nämliche Zeit in gleicher Weise

Ein einz’ges ihr mißfäll’ges Wort

Kann treiben sie zu einem Mord.

Und wollt Ihr wissen was sie thut?

Sie lebt nur von gestohlnem Gut.


Ganz in ähnlichem Sinne sind die wenigen Worte, welche Franck Philanthropus (1694) den Hochländern widmet: „Sie leben wie große Herren und sterben wie Taugenichtse, hassen die Arbeit und haben keinen Kredit, um zu borgen; sie unternehmen Raubzüge und bestehlen ihre Nachbarn.“ In der 1690 in Edinburg gedruckten History of the Revolution in Scotland kommt folgende Stelle vor: „Die schottischen Hochländer sind Elende, die sich nur in so weit um Ehre, Freundschaft, Gehorsam und Regierung kümmern, als sie sich durch eine Aenderung in den Angelegenheiten oder durch eine Revolution in der Regierung Gelegenheit verschaffen können, ihre Grenznachbarn zu bestehlen oder auszuplündern.“

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.

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