Читать книгу Aareschwimmen - Tony Dreher - Страница 11
Kapitel 6
Оглавление»Du hättest Larry vergessen sollen, wie Branson es befahl. Weißt du, was die aus uns macht, wenn sie herausfindet, dass wir zum Flughafen fahren?«
»Wir sind um fünf Uhr losgefahren, bevor die Morgenschicht in der Botschaft antrat. Und sollte sie uns vermissen, offiziell sind wir unterwegs, um einem heißen Tipp nachzugehen, den wir zum Waffenschmuggel erhalten haben. Wer behauptet denn, wir seien auf der Suche nach Larry?«
Rick sah David im Licht des Armaturenbretts und des Morgengrauens schmunzeln.
»Wie machst du das, so ruhig zu bleiben, wenn du die Regeln zu deinen Gunsten dehnst?«
»Erfahrung im Feld, Rick. Das kommt mit der Zeit, genauso wie das Gespür, ob jemand mehr weiß, als er zugibt. Du bist erst wenige Monate hier in Bern, und das ist dein erster Einsatz nach der Ausbildung in Washington. Das kommt mit der Zeit, weißt du?«
»Wie lange bist du denn schon operativ tätig?«
»Ich war bis vor drei Jahren Nachrichtenoffizier in der Army. Dann wechselte ich zur Agency. Nun bin ich schon bald zwei Jahre hier in Bern stationiert.«
»Ich hoffe, du hast recht und Branson vernimmt nichts von unserem kleinen Ausflug!«
»Larry hat ein Transportunternehmen am Flughafen genannt, das involviert ist. Ich will dessen Angestellte möglichst früh sehen. Nachher sind sie zu beschäftigt, um in Ruhe mit uns zu sprechen. Wir werden lediglich einige Fragen stellen. Bevor uns jemand in der Botschaft vermisst, sind wir wieder zurück.«
David konzentrierte sich auf einen Lastwagen, der ohne zu blinken plötzlich vor ihm auf seine Spur wechselte. Er hupte und schlug mit der Hand auf das Steuerrad. »Das ist ja fast wie bei uns zu Hause in Boston! Wenn wir in Zürich abfliegen wollten, wären wir schon längst zu spät.«
»Hoffentlich schaffen wir es noch, bevor die Frühschicht beginnt!«
»Die Schweizer und ihre ewigen Baustellen auf der Autobahn! Stundenlange Staus, und trotzdem bauen sie die Autobahnen nicht richtig aus.« David schüttelte den Kopf.
»Da kannst du fahren, wann du willst, es ist immer dasselbe.«
»Es dauert nicht mehr lange, dort ist bereits die Ausfahrt zum Flughafen signalisiert.«
Sie verließen die Kolonne der Wagen, die zu den Abflug- und Ankunftsterminals fuhren, und drehten rechts ab zu den Frachthallen.
»Kein Parkplatz frei, egal wo«, beklagte sich Rick.
»Unsere Diplomatennummern sind unser Parkplatz«, lächelte David und stellte den schwarzen Chevrolet SUV mit den getönten Fensterscheiben in einer Parkverbotszone ab.
David zeigte auf eine Gruppe Männer, die über die Straße zum Frachtgebäude schlenderten und laut miteinander redeten. Alle trugen Leuchtwesten mit der Aufschrift ›SST Swiss Shipping and Trading‹.
»Da kommen die Mitarbeiter schon.«
David und Rick hörten die Männer lachen.
»Schau, je näher sie dem Gebäude kommen, desto langsamer werden sie. Jeder will noch möglichst lange seine Zigarette genießen«, schmunzelte Rick.
»Auf dem Flughafenareal ist striktes Rauchverbot, da müssen sie die letzte Chance nutzen. Komm, das ist auch unsere Chance!« David ging auf die Männer zu.
»Morgen, Jungs«, begrüßte er sie. Die Männer musterten misstrauisch seinen dunklen Anzug und seine Krawatte, dann schauten sie zu Rick, der gleich angekleidet war. Bei der Arbeit wurden sie von Männern in Anzügen nur angesprochen, wenn diese etwas von ihnen wollten, und es waren dann meistens Vorgesetzte. Vorgesetzte, die häufig kritisierten und die am Schreibtisch in ihren klimatisierten Büros zu wissen glaubten, wie Fracht verladen werden sollte.
»Hallo«, brummten zwei der Männer hörbar unfreundlich.
»Wer von euch ist denn heute Morgen der Schichtleiter?«
»Die sprechen Deutsch wie Amis, Mann«, knurrte einer der Männer mit einer langen Narbe über der Stirne und warf seinen Zigarettenstummel David und Rick vor die Füße. »Was wollen Sie?«
»Wir vertreten eine neue Import- und Exportfirma und suchen ein Logistikunternehmen für Warentransporte. Es geht um ein lukratives Geschäft.«
»Da müssen Sie schon ins Hauptgebäude und mit unseren Verkäufertypen verhandeln. Aber da sind Sie noch viel zu früh, denn die arbeiten ja nicht vor neun Uhr.«
»Nein, wir möchten mit jemandem sprechen, der weiß, was es wirklich heißt, Ware zu verladen. Die Herren dort in ihren gemütlichen Büros mit ihren dicken Salären haben doch keine Ahnung, wie wirklich gearbeitet wird, oder ist es etwa nicht so?«, mischte sich Rick ein und punktete bei den Männern mit seiner Einstellung.
Ein Mann, noch keine 30, mit dunklen Haaren und einem Dreitagebart nahm einen Schritt auf David und Rick zu. »Ich bin Nikola Petrovic, ich bin der Schichtleiter. Was kann ich für Sie tun?«
»Hätten Sie einen Moment Zeit für uns?«, fragte David.
Petrovic wandte sich an seine Männer. »Geht schon mal, ich komme gleich nach.«
Die Männer schlenderten weiter zur Eingangspforte in das Flughafenareal. Rick und David schauten ihnen nach, wie sie ihre Ausweise zogen und das Sicherheitstor passierten. Als sie außer Reichweite waren, schaute sich David um. Sie standen alleine, und niemand konnte ihr Gespräch mithören.
»Herr Petrovic, wir sind von der amerikanischen Botschaft. Vor einigen Tagen hat uns jemand angerufen und Ihre Firma und Kunstschmuggel im selben Satz erwähnt. Was wissen Sie über den Schmuggel von Kunstgegenständen hier am Flughafen Zürich?«
Petrovic reagierte gelassen und blickte zur Sicherheitspforte ins Flughafenareal.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Auf Wiedersehen.«
Er begann zu gehen, doch David stellte sich provokativ vor ihn.
»Der Mann, der anrief, hatte große Angst. Jemand hatte soeben versucht, ihn umzubringen. Vorgestern sollten wir uns treffen, er ist aber nicht erschienen. Ich frage Sie ein letztes Mal höflich, was wissen Sie über den Kunstschmuggel hier?«
»Wie bereits gesagt, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Vielleicht sollten wir Ihre Vorgesetzten dort im Hauptgebäude fragen.«
Petrovic schaute David und dann Rick lange an, dann lehnte er sich zu ihnen und sprach leise.
»Nehmen wir an, ich wüsste etwas. Was wäre Ihnen meine Antwort denn wert?«
Rick antwortete: »Das kommt auf den Inhalt Ihrer Antwort an.«
Jetzt war es Petrovic, der sich umschaute, um sicher zu sein, dass niemand ihn hören konnte.
»Sie sind also von der amerikanischen Botschaft, was? Da hätte ich nämlich eine Idee. Mein Bruder lebt seit einigen Jahren in Chicago. Um legal arbeiten zu können, braucht er Papiere, eine Green Card.«
Petrovic blickte die Amerikaner erwartungsvoll an und wartete auf eine Reaktion, die nicht kam.
»Wenn Sie meinem Bruder helfen, so kommen wir möglicherweise ins Geschäft.«
»Das ist ein hoher Preis für Antworten, die vielleicht nichts wert sind«, erwiderte David kalt.
»Ihr Risiko, mein Deal. Wenn Sie daran interessiert sind, so kommen Sie heute um 17 Uhr in das Flughafengebäude. Ich werde in der Halle im Terminal drei vor den Restaurants zehn Minuten auf Sie warten. Ich bin zwar kein Schweizer, aber ich weiß, pünktlich zu sein. Wenn Sie den Deal wollen, dann schauen Sie am Nachmittag genau auf Ihre Uhren.«
»Vielleicht sind Ihre Antworten ja nichts wert.«
Die Sonne war inzwischen über den Gebäuden aufgestiegen und schien auf das ganze Areal mit einem warmen Sommer-Morgenlicht. Petrovic schaute hoch zu einer der ersten abhebenden Maschinen. Im Takt startete eine nach der anderen.
»Motivieren Sie vielleicht die Worte ›Hercules C-130‹, meinen Deal positiv zu betrachten?«
Er drehte sich um und verließ die beiden Agenten.
Rick folgte David zurück zu ihrem SUV, wo David ein Satellitentelefon aus dem Handschuhfach holte.
»Ich schalte auf laut«, erklärte er und wählte eine Nummer.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die verschlüsselte Verbindung stand.
»Sam? Dave hier. Ich brauche einen Gefallen. Kontaktiere Washington und verlange eine Analyse von Satellitenbildern des Flughafens Zürich der letzten vier Wochen. Jemand hat hier soeben von einer Hercules C-130 gesprochen. Möglicherweise wurde sie für den Transport von Schmuggelware benutzt. In Washington sollen sie auf allen verfügbaren Satellitenbildern von Zürich nach ihr suchen. Vielleicht haben wir Glück.«
»So etwas muss Branson absegnen, das weißt du, Dave.«
»Sorry, aber Branson darf nichts davon erfahren. Ich weiß, dass du für einen solchen Auftrag keine Genehmigung hast. Erfinde einen Grund! Ich brauche deine Hilfe!«
»Das wird nicht einfach sein, aber ich werde es versuchen. Du schuldest mir was, einmal mehr!«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Washington hat übrigens nichts über deinen fehlenden Mann Larry gefunden. Die Telefonnummer, die er benutzte, als er dich anrief, war tatsächlich gestohlen, und ohne seine echte Telefonnummer oder Namen oder E-Mail-Adresse kommen sie in Washington nicht weiter. Wir wissen also noch nichts über Larry.«
»Das ist schlecht für uns. Ich hoffe aber weiterhin, dass er sich noch einmal bei mir meldet. Ich habe ihn noch nicht aufgegeben. Rufe mich sofort an, wenn Washington doch etwas finden sollte.«
»Okay, Dave. Bis später.«
David verstaute das Telefon im Handschuhfach.
»Wie machst du das? Wenn Sam erwischt wird, wie sie in Washington Satellitenbilder für dich analysieren lässt, ist sie ihren Job los. Wir übrigens auch!«
»Glaube mir, Rick, es muss sein. Jetzt haben wir Zeit bis fünf. Komm, wir fahren ins Konsulat in die Stadt. Kennst du die beiden Mädels dort im Büro?«
»Nein.«
»Dann schuldest du mir ein Sixpack Bier dafür, dass ich sie dir vorstellen werde. Komm, du wirst es nicht bereuen.«
David zeigte Rick sein wärmstes Lächeln und startete den Motor.
Petrovics Drohung, nur zehn Minuten auf sie zu warten, war den beiden Agenten eingefahren. Sie waren um 16.45 Uhr bereits in der Flughafenhalle und beobachteten vom Geländer der Terrasse des zweiten Stocks herab das hektische Treiben unter ihnen. Tausende von Menschen kamen und gingen, gestresst von der Anreise zum Flughafen oder gestresst vom Flug nach Zürich. Gepäck wurde getragen, gezogen oder auf Wagen gefahren. Tausende Augen blickten mit Sehnsucht auf die Tafeln mit den Abflug- und Ankunftszeiten, und regelmäßig erklangen die Ankündigungen über Lautsprecher, gesprochen von einem seelenlosen Computer, der nie selbst reisen würde.
Pünktlich um 17 Uhr sahen sie Petrovic die Halle betreten und sich vor dem Restaurantbereich auf eine Bank setzen. David und Rick eilten hinunter und setzten sich links und rechts neben ihn.
»Und, wie sieht es für meinen Bruder aus?«, begann Petrovic das Gespräch ohne Einleitung und schaute David an.
»Ich kann Ihnen versichern, wir können etwas drehen. Aber nur wenn Ihre Informationen es wert sind.«
»Das ist der Deal, take it or leave it, wie Sie so sagen.« Petrovic begann aufzustehen.
»Warten Sie, setzen Sie sich!« David zog ihn an der Schulter wieder auf die Bank. »Wir kommen schon klar miteinander.«
»Warum soll ich Ihnen vertrauen?«
»Sie haben keinen Grund dazu. Wenn Sie es aber nicht tun, kommt Ihr Bruder nicht weiter und Ihre Vorgesetzten erhalten morgen Besuch von uns. Erzählen Sie von der Hercules!«
Petrovic überlegte kurz und sah sich um. Als er sicher war, dass niemand sie überwachte, begann er leise zu erzählen.
»Okay, schon gut. Jemand aus der Chefetage rief mich vor einigen Wochen an. Ein Sonderflug würde in der Nacht landen und müsse diskret verladen werden. Vier meiner vertrauenswürdigsten Männer und ich sollten ab ein Uhr morgens vor Ort bereit sein und keine Fragen stellen.«
Petrovic spielte nervös mit seinem Ehering und fuhr fort.
»Wir waren pünktlich da, und etwa um zwei Uhr morgens landete eine Hercules. Kurz danach fuhren zwei 28-Tonner-Lastwagen im Flughafengelände ein, beide mit deutschen Kennzeichen. Das Flugzeug kam vor dem Ostgebäude zum Stillstand. Dann öffnete sich die Laderampe. Es war wie in einem Film, sage ich Ihnen. Wir luden dann die Fracht aus den Lastwagen mit Hubstaplern in den Rumpf, sicherten alles mit der Crew ab, und etwa um drei Uhr hob das Flugzeug wieder ab. Wir erhielten danach ein Couvert mit Bargeld als ›Sonderzulage für Überstunden‹. Ein ganz nettes Couvert, kann ich Ihnen sagen. Ich habe das Geld meinem Bruder in Chicago geschickt. Der brauchte es dringend. Das ist alles, was ich Ihnen erzählen kann.«
»Sie verluden die Ware mit Hubstapler?«
»Ja, warum?«
»Das müssen ja gewaltig große Kunstgegenstände sein, die Sie verladen haben.«
»Kunstgegenstände?« Petrovic schaute David fragend an und lachte. »Sie wissen wirklich nicht, was da vor sich geht! Kunstgegenstände sind nur ein kleines Nebengeschäft. Es geht um viel mehr!«
»Was wurde denn verladen?«
»Es war alles verpackt und versiegelt. Auf Paletten natürlich, die wir direkt ins Flugzeug fahren konnten. Alles militärische Ware. Die Verpackungen und Kisten erinnerten mich an das, was ich in Jugoslawien im Krieg gesehen habe, bevor ich in die Schweiz kam.«
»Also geht es nicht um Kunstschmuggel, sondern um Waffenschmuggel?«
»Um beides, in Symbiose. Die Kunstschmuggler nutzen die Logistik der Waffenschmuggler und bezahlen denen einen Teil ihres Gewinns. Eine neue Dimension des Outsourcings. Ich helfe bei der Koordination.«
»Erzählen Sie mir etwas über die Besatzung.«
»Es waren vier uniformierte Männer. Der Sprache nach aus dem Nahen Osten, denke ich. Das Flugzeug gehörte der Ägyptischen Flugwaffe. So war es jedenfalls angeschrieben.«
»Sahen Sie irgendwelche Papiere zur Ladung?«
»Ja, die Papiere waren alle in Ordnung. Alle Bewilligungen für den Transport lagen vor. Ist mir aber egal. Ich tue, was die Chefetage befiehlt. Meine Familie und mein Bruder brauchen mein Einkommen.«
»War außer der Crew und Ihren Männern sonst noch jemand anwesend?«
»Nur ein Schweizer Militär in Uniform. Er brachte das Couvert mit dem Geld. Ich weiß nicht, wer er war, denn an der Uniform fehlte sein Namensschild. Seinen Grad kenne ich auch nicht. Ich kenne diese Abzeichen nicht. Das ist alles, was ich für Sie habe. Aber wehe, Sie helfen meinem Bruder nicht mit einer Green Card!«
»Ich habe noch eine Frage. Wer glauben Sie ist der Mann, der mich kontaktiert hat und über den Kunstschmuggel sprechen wollte?«
»Ich weiß nicht, wer Sie angerufen hat.«
David begann aufzustehen und sagte: »Wenn Sie nicht mitmachen wollen, vergessen wir unseren Deal doch einfach.«
Petrovic schüttelte seinen Kopf und antwortete: »Nein, setzen Sie sich! Ich weiß wirklich nicht, wer er ist. Mein Bruder in Chicago organisiert die ganze Sache zwischen den Schmugglern hier und der Crew. Wenn ein Kunstgegenstand ankommt oder zu verladen ist, finde ich zu Hause in meinem Briefkasten eine Postkarte mit einem Übergabedatum darauf. Ich weiß nicht, wer sie in den Briefkasten wirft. Ich stelle keine Fragen und kenne seinen Namen wirklich nicht. Glauben Sie mir!«
»Ich hoffe, Sie sagen die Wahrheit! Für Sie und für Ihren Bruder! Wir melden uns wieder bei Ihnen.«