Читать книгу Methoden der projektorientierten Risikoanalyse - Torsten Stau - Страница 26

4.2.5. Methoden zur Expertenbefragung

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Da praktisch nie statistische Daten vorliegen, basiert die Risikobewertung in der Regel auf der Befragung von Experten, d.h. auf rein subjektiven Daten. Die Expertenbefragung kann sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, wie die zuvor gewählten Bewertungsmaßstäbe aussehen. So kann von den Experten beispielsweise verlangt werden, die geschätzten Eintrittswahrscheinlichkeiten eines Ereignisses in eine vorgegebene Skala einzutragen oder den Ereignissen Punkte zuzuordnen. Häufig wird auch eine Dreipunktschätzung verlangt, d.h. ein Experte schätzt den minimalen, den maximalen und den günstigsten Wert ein. Auch kann verlangt sein, die Parameter einer vorgegebenen Verteilung, wie z.B. der Beta-Verteilung, zu schätzen. Eine einfache und schnell durchzuführende Methode zur Quantifizierung von Expertenmeinungen ist die sogenannte diagrammatische Methode. Dem Experten wird eine gewisse Anzahl von Wahrscheinlichkeits-Verteilungsfunktionen vorgelegt, von denen er eine auswählt. Anschließend soll der Experte die Parameter der Verteilung bestimmen, d.h. den niedrigsten und den höchsten Wert sowie den Erwartungswert angeben.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die folgende Tatsache: es hat sich in der Praxis gezeigt, dass die Experten stetigen Verteilungen gegenüber sehr abgeneigt sind. Die Gründe dafür sind offenbar psychologischer Natur.

Prinzipiell gibt es zwei wesentliche unterschiedliche Verfahrensweisen zur Expertenbefragung: Entweder werden die Experten einzeln befragt, z.B. mittels Fragebögen. Der Vorteil dabei ist die Vermeidung gegenseitiger Beeinflussung (bias), ein wesentlicher Nachteil ist jedoch, dass die Aussagen von der "Tagesform" der einzelnen Experten abhängen. Man kann sich ja unzählige Gründe aus dem Privatleben vorstellen, die dazu führen, dass ein Experte schlechte Laune hat und dementsprechend seinen Fragebogen ausfüllt.

Eine andere Möglichkeit ist, die Expertenmeinungen im Rahmen einer Diskussion zu ermitteln. Hier tritt jedoch das Problem der Meinungsführerschaft auf. Es kann sein, dass ein oder mehrere Experten aus irgendwelchen Gründen (zu erwähnen seien die Stichworte "informeller Führer" und "Hackordnung" aus dem Bereich der Verhaltensforschung) die übrigen beeinflussen und ihre Ansicht als Diskussionsergebnis festgehalten wird, obwohl in der Einzelbewertung unter Umständen eine Mehrheit der Experten sich anders entschieden hätte.

Das am häufigsten angewandte Verfahren, die modifizierte Delphi-Methode, ist ein Beispiel für die zweite Methode der Expertenbefragung. Die Experten bilden gemeinsam in Expertengesprächen unter der Leitung eines Moderators ihre Meinung. Nach Franke (in [2]) wird dabei im Einzelnen wie folgt verfahren:

Zur Analyse und Bewertung qualitativer Risiken werden interdisziplinäre repräsentative Expertenteams gebildet, wobei eine Anzahl von 4 bis 8 Experten die größte Effizienz gewährleistet.

Die Expertengespräche werden im Sinne der Delphi-Methode (siehe oben) durchgeführt. Die Experten geben am Ende des Gesprächs z.B. eine kostenmäßige Bewertung des Risikos in Abhängigkeit von der zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeit an. Die kompetente Durchführung der Expertengespräche ist entscheidend für die Aussagefähigkeit und Qualität der Risikobewertung. Basierend auf den Erfahrungen der letzten Jahre sollten die folgenden "Spielregeln" beachtet werden:

Exakte Risikodefinition, d.h. zu Beginn der Expertengespräche wird das zu bewertende Risiko von einem Moderator in Zusammenarbeit mit den Experten definiert, abgegrenzt und der mögliche Kostenrahmen aufgezeigt.

Risikodiskussion: anschließend an die Risikodefinition werden im hinterfragenden Gespräch Ursachen und Wirkungszusammenhänge aufgezeigt, Einflussparameter geschätzt und Prognosen erstellt, so dass bei allen Mitgliedern der Expertengruppe ein identischer Kenntnisstand des Risikos erreicht wird. Es ist empfehlenswert, zunächst die technischen Aspekte eines Risikos zu diskutieren und anschließend eine kostenmäßige Bewertungsbandbreite festzulegen.

Die Experten geben im Anschluss an die Risikodiskussion ihre Meinung über die Risikohöhe und zugehörige Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos an.

Folgende Punkte sollten bei der Bewertung beachtet werden: Keine Kritik aus der Gruppe an den Bewertungen eines Einzelnen; Meinungsdifferenzen sollten Gegenstand der vorangehenden Diskussion sein; Anonymisierung der abgegebenen Expertenmeinungen, um ein gemeinsam von der Expertengruppe getragenes Ergebnis zu erzielen.

Die Phasen der Risikoidentifikation und der Risikobewertung haben den Zweck, Informationen über Projektrisiken zu gewinnen. Dabei handelt es sich sowohl um Informationen über die Art der vorhandenen Risiken als auch um Informationen über die mit den Risiken verbundenen Ungewissheiten. Nach dieser Phase der Informationssammlung kann man darangehen, die gewonnenen Informationen auf geeignete Weise zu verarbeiten.

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