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Einleitung

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Was haben so verschiedene Großprojekte wie aufwendige Kinofilme (z.B. "Titanic"), neue Waffensysteme (z.B. der Jäger 90) oder Großveranstaltungen (z.B. die Olympischen Spiele 2000 in Sydney) gemeinsam? Die Gesamtkosten liegen in der Regel um ein Vielfaches über den geplanten Kosten und auch der geplante Zeitpunkt der Fertigstellung wird häufig deutlich überschritten. Muß das so sein?

Natürlich sind derartige Probleme keine nur für unsere Zeit typischen Erscheinungen. Sicherlich traten sie auch bei Bauvorhaben im Altertum auf, doch wurden sie in der Regel dadurch "gelöst", daß man die tatsächlich oder angeblich Verantwortlichen kurzerhand hinrichtete. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Kaiser Roms das Verfahren gelegentlich dahingehend modifiziert hatten, daß sie die betreffenden Personen zum Selbstmord zwangen.

Damals waren genügend Gold und billige Arbeitskräfte bzw. Sklaven vorhanden, oder man fand Mittel und Wege, um sich beides zu beschaffen. Heutzutage ist die Situation grundlegend anders: die Sklaverei ist nicht nur abgeschafft, man kann auch mit Arbeitskräften nicht beliebig umgehen. Inzwischen gibt es zwar bessere Maschinen und sogar Computer, doch das löst nicht nur einige alte Probleme, sondern schafft auch zahlreiche neue. Auch sind Personen und Unternehmen in der Regel nicht mehr so reich und mächtig wie die Herrscher vergangener Zeiten. In dem Moment, in dem öffentliche Einrichtungen und damit Steuergelder ins Spiel kommen, wird die Situation noch weiter verschärft.

Früher konnte man bei Naturkatastrophen und anderen unvorhergesehenen Ereignissen den Zorn der Götter als Erklärung heranziehen. Heute kann man sich nicht mehr so einfach aus der Affäre ziehen. Zwar sind auch heute noch viele Ereignisse unvorhersehbar und viele Risiken unberechenbar, doch hat man inzwischen zahlreiche Modelle, Methoden und Verfahren entwickelt, um Risiken zu erkennen, zu analysieren, zu begrenzen oder gar zu beseitigen.

Nach Fürnrohr [1] wird "der Erfolg bei der Durchführung von Projekten durch eine zwangsläufig unvollständige Informationslage und eine geringer werdende Transparenz der Umweltsituation immer unsicherer. Die Verwirklichung von Projektvorhaben ist oftmals mit einer Vielzahl von Risiken verbunden. Die Aufgabe des projektorientierten Risikomanagements ist es deshalb, Entscheidungen zu treffen, um das Risiko des Verfehlens der angestrebten Projektziele (typischerweise Leistung, Kosten und Abschlußtermin) so gering wie möglich zu halten."

Nach Franke (in [2]) liegt die schwierigste und für den Erfolg des Risikomanagements wesentliche Aufgabe in der Risikoanalyse und der Bewertung von Risiken. Die Qualität der projektorientierten Risikoanalyse ist also die Voraussetzung für eine optimale Risikobewältigung.

In nun mehr als dreißig Jahren wurden zahlreiche Methoden und Modelle zur Analyse von Projektrisiken entwickelt. Inzwischen existiert eine kaum überschaubare Menge von Publikationen auf diesem Gebiet. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist deshalb die Sichtung des vorhandenen Materials sowie die Klassifikation der entwickelten Verfahren, wobei jeweils charakteristische Modelle vorgestellt und kritisch betrachtet werden sollen.

Prinzipiell lassen sich zwei Typen von Risikoanalyse-Verfahren unterscheiden: solche, die zur Unterstützung strategischer Unternehmensentscheidungen dienen, und solche, die taktische Entscheidungen unterstützen. In der vorliegenden Arbeit werden die Risikoanalyse-Verfahren nach ihrem Konzept in Top-down- und Bottom-up-Verfahren unterschieden. Die Bottom-up-Verfahren lassen sich noch dahingehend unterscheiden, ob sie sich nach dem Ablaufplan oder dem Strukturplan des Projekts orientieren. Diese Grobklassifikation wird durch die folgende Abbildung veranschaulicht:


Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei größere Teile. Im ersten Abschnitt wird das Thema projektorientierte Risikoanalyse eingegrenzt und die Grundlagen sowie das notwendige Begriffsgerüst vorgestellt. Außerdem wird eine Übersicht über die bisher entwickelten Methoden und Verfahren zur Risikoanalyse erstellt und versucht, erkennbare Tendenzen aufzuzeigen.

Im zweiten Abschnitt werden die Bottom-up-Verfahren behandelt. In diese Kategorie fallen die meisten der bisher entwickelten Modelle zur Analyse von Projektrisiken. Sie kommen gewöhnlich erst nach der Auftragserteilung zum Einsatz, da sie einen mehr oder weniger tief gegliederten Projektstrukturplan voraussetzen und einen enormen Bedarf an Eingabedaten haben.

Ohne allzusehr vorzugreifen läßt sich sagen, daß diese Verfahren in der Praxis so gut wie nicht angewendet werden. Ein Hauptgrund für die mangelnde Akzeptanz ist, daß die Modelle sehr komplex und schwierig sind und die Ergebnisse für den Projektmanager meist schwer nachvollziehbar sind. Diesen Sachverhalt hat Little [3] in folgendem vielzitierten Satz treffend formuliert: "Ein Manager lebt lieber mit ungelösten Problemen als mit Modellen, die er nicht versteht."

Die Menge der vorhandenen Literatur auf diesem Gebiet ist dementsprechend sehr hoch, wobei allerdings einige Einschränkungen zu machen sind:

 Viele Verfahren bauen auf denselben Grundlagen auf, beispielsweise auf älteren Verfahren wie PERT.

 In den letzten Jahren hat sich auf diesem Gebiet nicht mehr viel getan.

 Der Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung und damit auch der Veröffentlichung liegt eindeutig in den USA, wobei meistens das Verteidigungsministerium (DoD) der Auftraggeber ist, was sich behindernd auf die Beschaffung von Literatur auswirkt.

 Die meisten Veröffentlichungen stammen von den Firmen, von denen die Verfahren entwickelt wurden, so dass keine allzu kritische Betrachtung erwartet werden darf, da die Unternehmen ihre Verfahren schließlich verkaufen wollen.

 Vergleichende Übersichten über verschiedene vorhandene Verfahren gibt es praktisch überhaupt nicht.

Die vorliegende Arbeit soll versuchen, eine solche Übersicht zu geben und die bisher entwickelten Verfahren mit ihren charakteristischen Merkmalen, Voraussetzungen, ihren Vorteilen und Nachteilen vorstellen. Dabei sollen die für den Projektmanager wichtigen Fragen beantwortet werden, z.B. wann und für welche Projekte kann ein Verfahren eingesetzt werden, oder welche Projektziele werden modelliert?

Im dritten Abschnitt werden die Top-down-Verfahren behandelt. Diese Verfahren werden hauptsächlich bereits in der Vorauftragsphase angewendet, d. h. die Projektstruktur muss nicht bis in alle Einzelheiten bekannt sein. Die Verfahren kommen also unter Umständen schon zur Anwendung, bevor eine Entscheidung über die Durchführung eines Projekts gefallen ist. Da diese Verfahren immer größere Bedeutung erlangen, bildet dieser Teil den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit.

Leider gibt es zur Zeit noch sehr wenige fertige Top-down-Verfahren und entsprechend wenig brauchbare Literatur, weshalb hauptsächlich Ideen, Konzepte und Hilfsmittel vorgestellt werden. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass sich in naher Zukunft auf diesem Gebiet einiges bewegen wird.

Bei der Überarbeitung der ersten Auflage aus dem Jahr 1990 habe ich aus Gründen der Authentizität die alte Rechtschreibregelung teilweise beibehalten.

Hamburg, im September 2000

Torsten Stau

Bei den erneuten Überarbeitungen wurde die Rechtschreibung weitgehend angepasst. Das Thema Genderpolitik gab es damals noch nicht bzw. stand damals noch nicht so im Fokus wie heute. Deswegen kann es sein, dass einige Textstellen damit nicht konformgehen.

Koblenz, im Juli 2021

Torsten Stau

aktuelle Adresse:

Torsten Stau

Im Eulenhorst 15

56072 Koblenz

torsten.stau@t-online.de

Methoden der projektorientierten Risikoanalyse

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