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1.6 Das Besondere der Notfallpflege
ОглавлениеNeben der zuvor beschriebenen Vielfalt der Berufe, mit denen sie in Kontakt tritt, weist die Notfallpflege einige weitere Besonderheiten gegenüber anderen Pflegebereichen auf. Wie im Rettungsdienst auch, sind pflegerische Prozesse in der Notaufnahme nur bedingt planbar. Keiner kann vorhersagen, wann wie viele Patienten mit welchen Symptomen oder Erkrankungen in der Notaufnahme erscheinen werden. Lediglich eine generelle Vorbereitung auf alle Eventualitäten ist leistbar. Dazu gehören natürlich das Vorhalten einer auf Erfahrung beruhenden Anzahl von Pflegekräften, entsprechende Raumressourcen und -strukturen und Notfallkonzepte, z. B. für Großschadenslagen (Kumle & Steinecke 2017).
Kommen die Patienten dann in die Notaufnahme, handelt es sich i. d. R. um akute Erkrankungen oder Verletzungen. Oftmals gibt es keine eindeutige Diagnose, selbst wenn sich die Patienten mit Einweisung eines niedergelassenen Arztes vorstellen oder vom Rettungsdienst gebracht werden. Symptomorientiertes Handeln steht dann im Vordergrund, parallel dazu findet die erforderliche Diagnostik statt. Ist diese dann abgeschlossen und eine Diagnose gefunden, erfolgen, wenn erforderlich, therapeutische Interventionen, z. B. eine Operation. Dazu, wie auch in allen anderen Fällen, muss der Patient die Notaufnahme wieder verlassen. Er wird also in andere Therapie- oder Pflegeeinheiten verlegt, sofern entsprechende Kapazitäten vorhanden sind. Patienten, die in der Notaufnahme verbleiben müssen, weil auf den peripheren Stationen Bettenkapazitäten fehlen, sind ein großes organisatorisches Problem. Zum einen belegen diese Patienten Ressourcen für eventuell eintreffende Notfälle, zum anderen sind die Notaufnahmebereiche primär nicht dafür ausgelegt, Patienten über einen längeren Zeitraum zu betreuen. Verzögerte Verlegung auf periphere Stationen (Access block) bindet Pflegekräfte der Notaufnahmen in allgemeinen Tätigkeiten (z. B. Grund- und Körperpflege, Ernährungsmanagement), die für ihren Bereich eigentlich nicht vorgesehen sind und reduziert die Zeitressourcen für die Notfallversorgung weiterer Patienten.
Im Idealfall kommt es nach einer ambulanten Behandlung wieder zu einer Entlassung mit entsprechenden Empfehlungen für die Weiterbehandlung (Eiff, von 2016).
Viele Patientenaufnahmen in kurzer Zeit bedingen schnell eine vollständige Auslastung der Personal- und Raumkapazitäten. Das führt regelmäßig zu erheblichen Verlängerungen der Wartezeit. Die inzwischen flächendeckend durchgeführten und eingangs beschriebenen Ersteinschätzungen steuern die Dringlichkeit der Behandlungen. Dies verlängert die Wartezeit der weniger dringlichen Fälle weiter. Die langen Wartezeiten in überfüllten Notaufnahmen machen Patienten und Angehörige unzufrieden und sorgen für ein Arbeiten unter hohem Druck. Offene Aggressionen seitens der Patienten und/oder Angehörigen sind dann häufig die Folge. Wenn dies noch unter Alkohol- oder Drogeneinfluss geschieht, kommt es auch zu gewalttätigen, körperlichen Auseinandersetzungen. Einige Notaufnahmen haben deshalb ihren Anmeldekopf wieder mit Glas komplett verschlossen und nutzen zu bestimmten Zeiten, insbesondere nachts, die Dienste von privatem Sicherheitspersonal. Dies alles sind spezifische Merkmale der Notfallpflege und stellen die Akteure täglich vor neue Herausforderungen in ihrem Berufsalltag.