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1. Sabas Königin als Vorbild für Jesu Zeitgenossen

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Als eine gesicherte Erkenntnis historisch-kritischer Erforschung biblischer Texte gilt, dass den Redakteuren des Matthäus- und des Lukasevangeliums bei der Fertigstellung ihres Buches über Jesus u.a. eine schriftliche Quelle vorlag, in der „Worte Jesu“ gesammelt waren. In dieser Spruchquelle – sie wird in der Forschung abgekürzt „Q“ genannt – spricht Jesus von Nazareth einen bemerkenswerten Satz, der auf die Königin von Saba Bezug nimmt. Ich zitiere ihn nach dem Lukasevangelium: „Die Königin des Südlands wird im Gericht gegen die Männer dieses Geschlechts aufstehen und wird sie verurteilen; denn sie kam von den Enden der Erde, um Salomos Weisheit zu hören, und siehe: hier ist mehr als Salomo“.1

Jesus redet hier über Männer beziehungsweise Menschen aus dem Volk Israel, die sich von dem, was er sagt und tut, nicht ansprechen lassen. Sie glauben ihm, seinen Worten und Taten nicht und fordern ein besonderes „Zeichen“ für Jesu Vollmacht vom Himmel.2 Ihnen stellt Jesus die „Königin des Südens“ als Vorbild vor Augen; er sieht sie mit der Vollmacht ausgestattet, in einem Gericht3 über Jesu Zeitgenossen Urteile fällen beziehungsweise diese Urteile mitbestimmen zu können. Dass sie im Gericht „aufsteht“, weist sie als Zeugin aus im Prozess gegen die, die sich von Jesus nicht überzeugen lassen. Als Zeugin wird sie dazu beitragen, dass die, die jetzt Jesus ablehnen oder ihm gleichgültig gegenüber stehen, wegen ihrer Engstirnigkeit und Engherzigkeit verurteilt werden, meint Jesus.

Prüfen wir genauer, ob beziehungsweise inwiefern von Jesus die Königin zu recht als geeignete Zeugin für das Versagen derer, die sich Jesus und seiner Botschaft von Gottes Reich verweigern, ins Spiel gebracht wird.

Dagegen spricht auf den ersten Blick, dass auch die Königin von Salomo wie Jesu Zeitgenossen von Jesus „Zeichen“ gefordert hat. Denn Salomo musste sich ihr gegenüber erst ausweisen, indem er ihre Rätsel löste. Sieht man genauer hin, bemerkt man aber: Anders als die Personen, denen Jesus gegenüber steht, hat die Königin von Salomo kein unzumutbares „Zeichen vom Himmel“ erwartet, sondern nur den Ausweis seiner Weisheit. Und Jesus hat sich seinen Zeitgenossen gegenüber genauso ausgewiesen wie Salomo der Königin gegenüber: durch sein Reden und Handeln; in beidem machte er für Sehende und Hörende deutlich, dass und wie „Gott(es Reich) mitten unter euch“ ist.4

Worin besteht nun das Vorbildliche der Königin? Da ist zunächst ihre unbefangene Neugier zu nennen; sie ist so stark, dass sie große Entfernungen und viele Grenzen überwindet. Sie zeigt sich offen für das, was ihr in Jerusalem begegnet. Sie kam, heißt es bei Jesus, „von den Enden der Erde“,5 ging also den weitest möglichen und riskantesten Weg, um von Salomos Weisheit zu hören und zu lernen. Die Männer aus Israel aber brauchen keine lange beschwerliche Reise, um Jesus begegnen zu können. An ihr, der Frau und Heidin aus fernem Land, können sie sich ein Beispiel nehmen;6 denn Sabas Königin hat sich auf die Begegnung mit Salomo eingelassen, ohne überirdische Extra-Bestätigungen dafür zu fordern.

Man kann sagen, dass Jesus auch insofern auf unsere Geschichte ausdrücklich Bezug nimmt, als er das Wort der Königin vom „Mehr“-Wert aufzunehmen scheint. Die Königin erlebte in der Begegnung mit Salomo, dass ihr „nicht mal die Hälfte“ von Salomos tatsächlicher Weisheit mitgeteilt worden sei; „deine Weisheit übertrifft alles, was ich gehört habe“ (1. Könige 10,7). Jesus sagt nun: „hier ist mehr als Salomo“: er meint damit die Weisheit Gottes, für die er selbst steht und in der es nicht nur um höfisches Rätselraten geht.7

Diese Interpretation wird durch das in Formulierung und Inhalt parallele Wort Jesu von den Niniviten (wiedergegeben in Lukas 11,32 und Matthäus 12,41) bestätigt. Dort sind es die heidnischen Menschen aus Ninive, die auf die Worte des Propheten Jona gehört und Buße getan haben; auch in ihrem Fall gilt, dass in Jesus seinen Zeitgenossen „mehr als Jona“ begegnet.8

Jesus kennt die Geschichte der Königin von Saba und setzt sie bei seinen Hörern als bekannt voraus. Er gibt sie aber nicht einfach wieder, sondern er interpretiert sie neu für seine Zeit. Die Königin wird Männern beziehungsweise Menschen aus Israel wegen ihrer Neugier und ihrer Hör- und Lernbereitschaft als Vorbild hingestellt. Und sie tritt als kritische Zeugin „im Gericht“ auf, also da, wo ein Leben bilanziert wird und auch verpasste Gelegenheiten beim Namen genannt werden.

Das Rätsel der Königin von Saba

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