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GEISUM

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Zum Frühlingsanfang beginne ich mit diesem, meinem zweiten Buch: Ich sitze an meinem ›Stamm-Strand‹ im hübschen Hotel ›GEISUM‹ in Hurghada-Dahar, das ich schon seit etwa fünfzehn Jahren kenne und mit dem mich daher entsprechend viele Erlebnisse verbinden.

Es ist ein herrlicher Tag – eine angenehme Brise mildert die bereits kräftige Sonnenhitze, es sind etwa 27 Grad im Schatten und ich habe schon meine erste ›Schworchel-Runde‹ über das Geisum-Riff absolviert. ›Schworcheln‹, weil ich mehr schwimme als schnorchle, um etwas anstrengende Bewegung und deren physiologischen Nutzen zu haben, also hyperventilierend aus dem Wasser steigen möchte! Auch brauche ich nicht mehr nur im Wasser zu schweben und die Fische zu bewundern, denn ich kenne (fast) alle Arten und nehme sie auch beim richtigen Schwimmen wahr!

Diesmal bin ich nach links geschwommen, nach Norden, bis zum großen Boot des angrenzenden ›Sandbeach‹-Hotels, hin und zurück – etwa 250 Meter. Viele alte Bekannte waren nach einem Kairo-Aufenthalt wieder unter Wasser zu ›begrüßen‹: Vor allem die schönen ›Papageien‹-Fische mit ihrem schmunzelnden Lächeln! Am meisten mag ich die türkis-blauen – der größte von ihnen misst fast 80 cm. Aber auch der ›Blaue Drückerfisch‹, dessen Flossen hinter der Körpermitte ansetzen und der sich vorwärts drückt und nicht zieht oder wedelt, das ›Einhorn‹ oder der ›Gelbgürtel‹ mit seiner wie sorgenvoll gerunzelten Stirn. Niedlich auch die Familie der ›Koffer-Fische‹, braungelb mit hellblauen Punkten: Ihr Körper gleicht einer kleinen altmodischen Arzttasche, aber natürlich mit Seiten- und Schwanzflossen. Der kleinste von ihnen war vor einem Jahr etwa so groß wie eine Streichholzschachtel!

Und so viele mehr. Wer es genauer wissen will, mag sich eine Bildtafel kaufen, die es hier überall gibt. Dazu gibt es riesige Schwärme von kleinen Sardinen – mehrere Tausend – von ›Barakudas‹ und Hunderte von Makrelen. Solch eine Riesen-Gruppe hatte mir doch vor Jahren tatsächlich einen kleinen Schrecken eingejagt, als sie – im Pulk und absolut synchron operierend – wie auf Kommando gleichzeitig ihre Mäuler aufrissen und auf mich zu schwammen. Zuvor sahen sie ganz friedlich aus, aber diese plötzlich überweiten Mäuler …!

Auch habe ich ein Wiedersehen mit dem kleinen ›Clownfisch‹ gefeiert, der in der Nähe der Badeleiter in Symbiose mit einer ›See-Anemone‹ lebt, unüblicherweise allein. Ihm habe ich mit meiner Hand vor Monaten einmal Stress beim ersten Kennenlernen gemacht: Die Anemone zog sich plötzlich in eine Korallen-Spalte zurück, und der kleine »NEMO« hatte den Mut, mich zu attackieren und versuchte, mir in den Finger zu beißen – allerliebst! Obwohl ich auch in diesem Moment zugegebenermaßen erschrocken war. Er tat das aber nur zweimal in den letzten fünf Monaten, auch heute nicht. Ich lass seine Anemone ja inzwischen auch in Ruhe!

Unser ›GEISUM‹-Riff ist leider nur noch ein Korallen-Friedhof, das heißt, die Korallen sind weitestgehend zerstört; aber da dies den schönen Fischen egal zu sein scheint, kommen sie hierher, weil sie trotzdem immer etwas zu fressen finden.

An den meisten großen Hotels hier in Hurghada haben die Betreiber tonnenweise Sand anschütten lassen, damit sich die Gäste wie an der Adria fühlen – wie langweilig! Ich aber lebe hier und eben nicht in Italien, was ich eine zeitlang einmal erwogen hatte, wegen der schönen Unterwasser-Welt im ROTEN MEER. Es gibt traumhafte Riffe, die man von hier per Boot oder – im Süden – mit dem Auto erreichen kann. Ich kenne längst noch nicht alle Tauchplätze, aber einen der schönsten der ganzen Welt gibt es in RAS MOHAMMED, an der südlichsten Spitze der Sinai-Halbinsel, inzwischen auch ein geschützter Nationalpark. Dort watete ich zuerst über eine Unterwasser-Wiese und erreichte dann den ›drop off‹, die Stelle, wo das Riff steil nach unten abfällt, an dieser Stelle beinahe 100 Meter senkrecht in die Tiefe! Der Anblick der vielen Korallenarten, wie der metergroßen ›Fächer-Korallen‹ und der unzähligen wimmelnden Fische, war atemberaubend und ließ bei mir überzeugtem Atheisten noch einmal den Glauben an einen Schöpfer-Gott aufblitzen – so beeindruckt war ich!

Von dieser Erinnerung zehre ich gern. Daneben gibt es aber auch noch zahlreiche kleinere Riffe, die entsprechend schön und in einer Boots- oder Tagestour erreichbar sind. Auch Tiefen von 10 bis 20 Metern können unter Wasser grandios sein!

Für ›alle Tage‹ aber reicht mir GEISUM mit diesem Riff und seinem gepflegten kleinen Garten, in den vor drei Jahren ein großer Swimmingpool in idealer Weise integriert wurde – ein großes Lob für den verantwortlichen Architekten! Der ›urige‹, typisch ägyptische Gärtner, der diesen Garten liebevoll pflegt, und der deutschsprechende Pächter des kleinen Ladens für Touristen, sind die Wahrzeichen des Hotels, ganz zu schweigen selbstverständlich von dem Besitzer, der allmorgendlich seine Zeitung liest und Wasserpfeife raucht. Mit ihm und mit dem Pächter, der einige Jahre in Hamburg gelebt hat, unterhalte ich mich beinahe täglich über die Weltpolitik – und zwar auf Deutsch, Englisch und Arabisch, soweit ich das vermag. In diesem Jahr gibt es bekanntlich wegen der ägyptischen Revolution und der Bewegung in der arabischen Welt viel zu kommentieren. Und jetzt noch diese Schweinerei mit Ghadafi!

Ab und zu sieht man hier sogar Delphine oder eine riesige Schildkröte, ganz seelenruhig, keine zehn Meter von der Anglerbrücke entfernt. Mein schönstes Erlebnis aber waren 28(!) Calamar-Tintenfische, die – fußgroß – im Abstand von zirka 30 cm in einer lang geschwungenen S-Linie zwei Meter unter mir im Wasser schwebten und mit ihren Seitenflossen ›wedelten‹: Einfach unvergesslich!

Über Wasser gibt es hier aber auch etwas ganz Besonderes, nämlich eine großartige Windschutz-Pergola aus Holz, zweigeschossig und mit hochklappbaren Fenstern für weniger stürmische Tage. Die Farbe ist freilich abgeblättert, aber gerade deswegen wirkt die ganze Anlage sehr ›nostalgisch‹: Ich fühle mich beinahe an den ›Lido di Venezia‹ im Film ›Tod in Venedig‹ erinnert.

Hier treffen sich Tag für Tag oder in wiederkehrendem Rhythmus jedes Jahr Menschen aus Tschechien, Russland und Polen, also aus Osteuropa, und Deutschland mit den diesen Ort bevorzugenden Einheimischen. Es gibt Sonne und Schatten und wer etwas Restauration bis hin zu opulenten Fischplatten wünscht, dem kann entsprochen werden – selbst an passablem ägyptischem Wein mangelt es hier nicht. Aber davon später mehr!

Gleich ist es Zeit für meine zweiten 250 Meter ›Schwimmen mit Maske und Schnorchel‹; das tut dem ehemaligen Sportlehrer gut, ist Stress abbauend und unterstützt meine aktuelle Phase des ›Abspeckens‹ (15 Kilo in zwei Monaten sind schon runter): Meine Gesundheit dankt es mir bereits und vielleicht schaffe ich es ja sogar, wieder in meinen Frack zu passen, der noch irgendwo in Bonn hängt; denn dann brauche ich mir keinen neuen zu leihen oder zu kaufen, wenn mich die Oper Kairo oder die hiesige regionale Regierung demnächst zu einem ›Lieder-Abend‹ verpflichtet.

Also: GEISUM kenne ich seit meinem ersten Besuch am Roten Meer, denn ich war mit drei Bekannten hierher gekommen; eine von uns kannte K., den erwähnten Besitzer des Hotels, der sogar auch einmal in Bonn war.

In seinem einfachen, aber wie gesagt, sehr schönem Hotel, gab es für uns Neues: Die Männer vom Zimmerservice formten aus Handtüchern bemerkenswerte Vogelgebilde, die uns auf den Betten erwarteten, und die Kellner im Restaurant dekorierten die Weinflaschen mit ›Kunstblumen‹ aus Silberpapier – die Ägypter lieben ihre Gäste!

Aber Hurghada und das Hotel GEISUM waren nicht meine erste Erfahrung in Ägypten; begonnen hatte alles mit einer ganz normalen Pauschalreise zur Jahreswende 1976/​77, also vor über 30 Jahren!


Hotel Geisum: Blick auf Garten und Pool


Hotel Geisum: Pergola


Hotel Geisum: Strand


Autor vor dem Schnorcheln

Warum ich zum ›Ägypter‹ wurde

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