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Luxor – Assuan – Abu Simbel

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Wie gesagt, wir fuhren mit der Eisenbahn weiter nach Süden, nach Assuan, weshalb wir die Nil-Landschaft mit ihren Dörfern, den auf ihren Feldern arbeitenden Fellachen, den Tieren und der einmaligen Vegetation ein weiteres Mal genießen konnten. Gibt es nicht ein Buch »Lob der Langsamkeit«? Bei solch einer Fahrt konnte man die Langsamkeit schätzen lernen; ein rasender Schnellzug würde den Genuss derartigen Reisens zunichte machen; zwischen Koblenz und Mainz fahren die deutschen Züge ja auch relativ gemütlich, wie ich auf meiner letzten Anreise zum Frankfurter Flughafen erfreut registrierte; aber ob sie nicht auch in ICE-Manier dahinrasen würden, wenn der Rhein dort nicht derart kurvenreich und tunnelgesäumt flösse? Beim Tempo der deutschen Industrie-Gesellschaft hege ich meine Zweifel. Wie war das doch? »Lob der Langsamkeit«?! Geht es den Deutschen wirklich so gut?

Ein weiterer Denkanstoß sei hier angemerkt, einige Gedanken zu den ›Raststätten‹: Sie illustrieren recht gut den Unterschied zwischen Ägypten und Deutschland.

In Deutschland ist fast alles ›automatisiert‹; Personal ist teuer! Aber was für Formen hat das deswegen schon angenommen! –›Muss man mal‹, kann man nicht einfach zur Toilette gehen, nein, erst einmal braucht es das passende ›Kleingeld‹ (aktuell 70 Cent?), um eine Sperre passieren zu können! Was machen da eigentlich Ausländer ohne Sprach-Kenntnisse, die die Anweisungen nicht verstehen – in ›die Hose‹? Ist die Sperre überwunden, vergisst man womöglich, den automatisch ausgegebenen Bon an sich zu nehmen und zahlt noch mehr für den Kaffe ›danach‹. Überhaupt ist im Rasthaus alles überteuert, aber der Reisende ist ja in einer Zwangssituation!

Hier hingegen herrscht kein Mangel an Personal, im Gegenteil: Einer heißt die ankommenden Gäste willkommen, der zweite bittet zu einem Tisch, dann kommt ein Kellner, der nach den Wünschen fragt und die Getränke und so weiter bringt und der ›Zahl-Kellner‹ kassiert am Ende; die Nummer ›fünf‹ ist dann eventuell der Shisha-Boy!

Berufskleidung? Hier überflüssig – die gibt’s nur in den modernen Einkaufszentren europäisch-amerikanischen Zuschnitts, die dann ihrerseits wieder viel zu teuer sind! Ich persönlich finde diese schrecklich!

Ich frage Sie: Wo geht es menschlicher zu? Im christlichen Abendland oder hier unter lauter Moslems? Ich weiß die Antwort, denn ich kenne schließlich beide Systeme!

In Ägypten geschieht eigentlich alles langsamer, gemächlicher, was bei Europäern oft hochmütiges Kopfschütteln hervorruft und ein: ›Was sind die doch rückständig!‹ An vielen Minibus- und Taxi-Fahrern hier in Hurghada kann man trefflich studieren, wie die Folgen der Jagd nach Geld und Kundschaft aussehen: Rücksichtslosigkeit bis zu gemeingefährlichem Verhalten, dem ich auf dem Fahrrad – nicht nur einmal – gerade noch entgangen bin. Dass junge Werftarbeiter zum gerade ankommenden Bus über die Hauptstraße ›sprinten‹, um nach Feierabend unbedingt einen Platz im Bus zu erwischen, wer kann es ihnen übelnehmen? Sie gefährden allenfalls sich selbst. So vor zwei Wochen in Suez persönlich erlebt; nun ja, eine Vollbremsung meinerseits wäre auch problematisch gewesen.

Wie viele Psychotherapeuten im Westen müssen ihre Klienten zu mehr Gelassenheit bringen?! Warum gibt es dort überhaupt so viele Therapeuten?! Auch hier in Ägypten gibt es natürlich welche, vor allem in Kairo und den anderen großen Städten, wo es weniger ›Langsamkeit‹ gibt. Aber alles in allem: Bei meinem nächsten Urlaub, ach was, bei meiner irgendwann notwendigen Reise zwecks Haushaltauflösung in Deutschland, werde ich nach diesem Buch fragen; auch ist kein Preisschock zu befürchten, wie etwa bei Benzin oder anderem, denn gute Bücher sind selbst hier teuer.

LUXOR ist durch seine großartige Tempelanlage in der Stadt und weiter draußen in ›Karnak‹ schon die Reise wert. Der für uns zuständige Reiseführer stellte sich stimmgewaltig vor – in einem entzückenden Deutsch: Er war studierter Historiker, was er natürlich nicht unerwähnt ließ, und seine engagierte Art, uns die imposante Tempel-Anlage zu erklären, gefiel uns allen so gut, sodass er gar nicht um Trinkgeld bitten musste – es wurde spontan und reichlich gegeben!

Jeder meiner Leser mag einmal selbst herkommen und/​oder die entsprechenden Bücher lesen, sodass ich mich hier nicht mit Fachwissen ›profilieren‹ muss; ich machte sehr viele Fotos und genoss trotzdem die Einmaligkeit der verschiedenen Teile der Riesenanlage. Erst Jahre später wurde mein Wissen darüber vermehrt, als ich einem Privatschüler aus sehr guten Büchern auf Tonträger vorlas, weil er das für seine angestrebte Eignungsprüfung zum Reiseführer verwenden wollte. Heute ist sein Deutsch dank großen persönlichen Fleißes noch viel besser geworden. Und ein guter Freund ist er obendrein, der auch in den übelsten Situationen hinreißend über alles lachen kann. Aber davon möchte ich nichts ausplaudern.

Die obligate Ton- und Licht-Schau fand ich seinerzeit viel zu kitschig und hege meine Zweifel, dass sie es heute nicht mehr ist!

Luxor ist neben seiner einmaligen Hinterlassenschaft aus der Pharaonenzeit seit ein paar Jahren aber auch als Stadt schöner geworden: Gepflegte Sauberkeit, Grünanlagen, die schönste Nil-Promenade ganz Ägyptens – immerhin kenne ich inzwischen auch die von Kena und El Minya. Ein einladender Bazar sowie die nostalgischen Pferde-Kaleschen schaffen eine angenehme urbane Atmosphäre.

Manche meiner hiesigen Bekannten sagen, die von Luxor seien schlechte Menschen! Ich gebe nichts darauf, das ist lokaler Patriotismus gepaart mit Konkurrenzdenken – wie überall auf der Welt. Nur eins ist klar: Viele Souvenirhändler in Luxor sind besonders gerissen; das musste angesichts der Schätze im Tal der Könige und der grundsätzlichen Geschäftstüchtigkeit der Ägypter ja so kommen!

Bekannt ist in der ganzen Welt eine bestimmte ›Grabräuber-Familie‹; wer ein wenig über die Ausgrabungsgeschichte gelesen hat, weiß bescheid!

Hier liegt am Nilufer auch der größte Teil aller Hotel-Schiffe für die beliebten ›Kreuzfahrten‹. Wegen Hotelproblemen wurden wir sogar für unseren dortigen Aufenthalt auf einem von ihnen für zwei Tage einquartiert – eine schöne Abwechslung! Später mehr über eine ›Kreuzfahrt‹.

Nach diesen zwei Tagen ging es per Bahn weiter nach Assuan, wo die schwarzgrauen Felsen im Fluss das Nilwasser brechen und aufschäumen lassen – herrlich, das ›Old Cataract‹-Hotel, von einer Feluke aus zu bewundern! Tja, die Engländer wussten eben auch, wo es schön ist.

Heute gibt es oberhalb davon das neue ›Nubische Museum‹, dessen Besuch sich lohnt; ebenfalls ein Muss ist der Botanische Garten.

Für damals etwa 130 D-Mark konnten wir einen Flug-Abstecher nach Abu Simbel machen, was ich natürlich nutzte. Ich gestehe aber auch, dass ich, trotz ehrlicher Bewunderung, auf dieser Reise allmählich tempelmüde wurde, denn wir wurden durch allzu viele davon ›geschleust‹. Heute würde ich gern mit dem Auto nach Abydos und Dendera fahren, aber wegen der noch immer nicht wieder gefassten paar Tausend ›schweren Jungs‹, die die verbrecherische Polizei des Mubarak-Regimes im Zuge der Januar-Wirren freigelassen hatte, um Chaos im Land zu säen, muss ich das noch aufschieben.

Bei den vielen Flügen während dieser Reise – 15 Minuten (einmal ›rauf und runter‹) nach Abu Simbel – verlor ich jegliche Flugangst. Und auf der letzten Etappe von Frankfurt nach Köln, im kleinen Lufthansa-Jet, genoss ich das rauhe Wetter des Januar geradezu, zumal der Pilot noch nicht einmal den Vorhang vor dem Cockpit zugezogen hatte und seine Passagiere mit launigen Sprüchen unterhielt. Das waren noch Zeiten damals!

Zurück nach Kairo ging es ebenfalls per Flug und zwar genau zum Jahreswechsel. Jemand aus der Reisegesellschaft spendierte sogar Sekt!

Die letzten beiden Tage wohnten wir in einem Hotel in ›Down-Town‹, also unweit des TAHRIR, hatten viel Zeit für Eigeninitiative, und ich genoss noch einmal die milde Luft, das ägyptische ›Flair‹ und die besondere Atmosphäre Kairos, das seinerzeit längst nicht so chaotisch war wie heute.

Warum ich zum ›Ägypter‹ wurde

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