Читать книгу Warum ich zum ›Ägypter‹ wurde - Uli Keyl - Страница 8
ОглавлениеERSTE ÄGYPTENREISE
Kairo
Jetzt habe ich doch tatsächlich noch 100 Meter mehr geschworchelt – vielleicht weil das Wasser nach der Winter-Periode schon wieder fast 24 Grad warm ist: Bei Windstille erwärmt es sich binnen weniger Stunden, Klasse!
Aber ich will ja von meiner ersten Reise nach Ägypten erzählen. Ich war seit vier Jahren junger Oberstudienrat (Latein und Sport) in Köln Rodenkirchen, hatte die beiden ersten, sehr anstrengenden Jahre im ›full job‹ sowie ein Zusatzstudium Italienisch mit Abschluss an der Uni Bonn hinter mir und wollte mich dafür ein bisschen ›belohnen‹.
Italien kannte ich von vielen Reisen ja gut, also mal etwas Neues: Ägypten, wo sogar zur Weihnachtszeit gebadet werden konnte: Aber ich buchte gar keinen Badeurlaub, nein, als althistorisch Interessierter wollte ich eine klassische Ägypten-Reise machen. Kairo, Luxor, Assuan und mehr. Kairo, die größte Stadt Afrikas mit Weltstadt-Flair, haute uns alle, die wir diese Fahrt gemeinsam machten, schlechtweg um. Zunächst klappte indes unsere Hotel-Unterbringung nicht und wir endeten nachts gegen zwei Uhr in einem Hotel bei den Pyramiden; der Fernseher, der von einem Boy in diesem Land immer sofort eingeschaltet wird, zeigte gerade ein besonderes Programm, nämlich »Catchen« für Frauen! Ich staunte nicht schlecht, hatte aber großen Spaß. Auch heute noch genieße ich die ›Wrestling‹-Shows hier im Lande – manchmal gehe ich sogar eigens in die mir dafür bekannten Cafés.
Und dann, am nächsten Morgen … WOW! Es gab sie also tatsächlich, die Pyramiden, eines der sieben Weltwunder der Antike – und zwar das einzig erhaltene. Keine Abbildung, kein Film kann denselben Eindruck vermitteln wie das Original! Wahrhaftig ein Wunder!
Damals war es noch nicht verboten, die größte, die ›Cheops‹-Pyramide, zu erklettern. Und das tat ich – sportlich, wie ich war, ohne lange zu überlegen. Hinauf war das auch gar kein großes Problem, denn ich hatte ja ständig den Stein etwa einen Meter vor Augen. Aber als ich mich, oben angelangt, herumdrehte und in die weite Ebene von Gizeh schaute, da bekam ich es doch ganz schön mit der Angst zu tun. Und der Abstieg brauchte viel mehr Zeit und Konzentration, weil die Pyramiden-Wand, nach über 3500 Jahren Sonnen- und Wind-Einwirkung, ganz zerklüftet und die Stufen voller kleiner Steinchen waren, einem Rollsplitt ähnlich. Hatte ich beim Aufstieg wirklich geschwitzt, so kam mir jetzt beim Abstieg regelrecht der Angstschweiß. Aber es ging alles gut! Von der Besichtigung der ältesten Pyramiden weiter nördlich, war ich nicht so sehr beeindruckt.
Danach absolvierten wir natürlich das ›Standard-Programm KAIRO‹. Zuerst das National-Museum mit dem überwältigenden ›Tut Ankh Amun‹-Grabfund, vor dem alles andere verblasst! Neben den Goldsärgen bewunderte ich vor allem den Thronsessel des jungen Königs mit der lebendigen Darstellung des jungen Herrscher-Paares: Ich werde bald mal wieder dorthin gehen, es war zu schön!
EILMELDUNG: Wie ich heute erfuhr, ist der Chef-Ägyptologe des Landes unter richterliche Untersuchung gestellt worden – wegen Verdacht des Diebstahls am ägyptischen Volk in X Fällen! Und wie hat sich dieser selbsternannte ›Pharao‹ der Archäologie Ägyptens mit seinen Leistungen weltweit gebrüstet! Gegen einen jungen deutschen, begeisterten Ägypten-Freund hat er unberechtigterweise eine ›Schmutz-Kampagne‹ gestartet, weil der ihm verdächtig erschien, im Tal der ›goldenen Mumien‹, bei der Oase Baharia, unlautere Absichten zu hegen. Dieser junge Deutsche wollte aber nur seinen Traum verwirklichen: Ein Hotel in der Wüste! Jetzt ist dieser Mann dem Anschein nach auch nichts weiter als ein kleiner »Mubarak«, ein weiterer Gauner in der Riege der Totengräber des Landes. Hamdullillah – die Revolution schläft nicht!
Überwältigt war ich sodann vom Kairoer Verkehr: Damals gab es noch keine der vielen Hoch-Brücken, ohne die dort alles zusammenbräche, und noch nicht so viele Automobile; die Männer hingen dafür wie die Bienen an Straßenbahnen und Bussen- ein abenteuerlicher Anblick für mich ordnungsgewohnten Mitteleuropäer.
Persönlich erbaute ich mich am Flair in den Straßen, vor allem am Abend, wenn die Männer (Natürlich nur diese!) in ihren traditionellen ›Kostümen‹ mit umwickelten Köpfen bei ihren Wasserpfeifen saßen. Und das bei Temperaturen um 25 Grad – Ende Dezember! Ich erinnere mich, noch eigens nach Mitternacht aus dem Hotel gegangen zu sein, um dieses Ambiente zu genießen. Wann ich selbst meine erste Shisha rauchte? Eben in jenen Tagen.
Einmal, bei der Begehung der Kairoer Altstadt, bekam ich gegen Mittag Hunger und nutzte die Gelegenheit zu einem Imbiss an einem fahrbaren Karren. Es gab ›Falafel‹ mit etwas Salat in einer Brottasche, das mir gut schmeckte. Aber ich hatte nicht mit ›Pharaos Rache‹ gerechnet. Und als wir anderntags im Zug nach Luxor fuhren, hatte ich wiederholt eiligst die Toilette aufzusuchen.
Während dieser Fahrt am Nil entlang, fühlten wir uns um Jahrtausende in der Zeit zurückversetzt: Ziehbrunnen und sogar noch ›Archimedische Schrauben‹ sahen wir in Gebrauch – heute leisten Pumpen diese Arbeit, fast überall auf den Feldern.
Im herrlichen, alten, englischen Hotel in Luxor war ich so töricht, in den kalten Swimmingpool zu springen. Der Durchfall wurde noch unerträglicher, ich litt schlimm und wachte erst am nächsten Mittag wieder auf.
Meine Reisegruppe – unangenehmer weise mehr als 50 Personen – war bereits über den Nil gesetzt und auf Besichtigungs-Tour auf der ›West Bank‹. Es war mir keineswegs unangenehm; ich zog eine neu erworbene (himmelblaue) ›Djellaba‹ an und machte mich ganz allein auf – herrlich! In Sonne und Wind ohne die Gruppe loszuziehen und einfach zu entdecken: Den einmalig schönen Tempel der Hatschepsut und die Gräber der ›Edlen‹ wie das des ›Naght‹ mit den drei musizierenden jungen Frauen, einfach unvergesslich!
Auch in Kairo war ich nicht nur einmal zu Fuß auf Entdeckungstour: Irgendwo kaufte ich einen kleinen Teppich, den ich auf dem Rückflug unter meinen Füssen transportierte, und ließ mich von jungen Leuten ›abschleppen‹, die mich in ein Haus brachten, in dem zahlreiche Ägypter mit der Herstellung von wenig geschmackvollen Blechvasen – verziert mit bunten Glasstückchen – beschäftigt waren; ich musste Tee trinken, kleine Kinder auf den Arm nehmen, mich fotografieren lassen und versprechen wiederzukommen. Das war meine erste nähere Begegnung mit den einfachen, freundlichen und sympathischen Menschen dieses Landes.
Gerade erinnere ich mich an den Umstand, dass ich auf einem der gemachten Fotos eine meiner Pfeifen im Mund hatte und einen Bart trug; heute, als endgültig Eingewanderter, habe ich zwar keinen Bart mehr und meine Pfeifen ruhen irgendwo in meinem in Bonn eingelagerten Mobiliar, aber ich habe hier in meiner ›Villa‹ sieben(!) Wasserpfeifen – eine schöner als die andere: Neben den ›normalen‹ verschiedener Farbe und Größe, eine aus gehämmertem Kupfer und – als jüngstes Mitbringsel aus Kairo – eine aus Porzellan mit altägyptischen Motiven.
Seitdem mein Elektro-Rasierer kaputt ist, lass ich mich auch schon mal außer Haus rasieren; die ägyptischen ›Figaros‹ arbeiten jeden Tag bis spät in die Nacht, um ihre penibel auf ihr Äußeres bedachten ›Herren‹ zu bedienen. Was ich zum ersten Mal sah: Am Ende der Behandlung griffen die Barbiere zu einem langen Faden, den sie mit Fingern und Zähnen hielten. Dann bewegten sie den Kopf auf und ab, ließen den Faden geschickt über die Wangen-Partien ihrer ›Opfer‹ gleiten und rissen mit einem Drill-Effekt die feinsten Härchen aus; oh, wie das ziept! Einmal und nie wieder! Bleibt anzumerken, dass ein Haarschnitt um einen Euro kostet, in nicht europäisch aufgemachten kleinen Ein-Mann-Salons und heute. Die Preise von damals weiß ich nicht mehr.