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Kapitel 2 Ulmen-Campus
ОглавлениеTorsten Bentlin nahm sich vor, mit der Bahn nach Rügen zu fahren und dort Freunde zu besuchen, die er noch aus der Schulzeit kannte. Deren Eltern besaßen in Sellin ein kleines Ferienhaus, in dem er einige Tage verbringen wollte. Das Wetter war top und er hatte nicht vor, bis zum Wochenende zu warten. Das Semester hatte zwar gerade angefangen und die neue Woche auch, aber er wusste natürlich, wie seine Abwesenheit nicht auffallen würde. Eigentlich war angedacht, seinen WG-Kumpel Bruno mit an die frische Inselluft zu nehmen. Es war früher Nachmittag.
»Ich kann wirklich nicht mit«, krächzte der, »hab voll den Rotz. Fahr allein und mach dir keinen Kopf! Unser Kühlschrank ist ja voll.«
Torsten musste laut lachen. »Dein Elektronenhirn ist doch nur scharf auf einsames Zimmerkino: Fußball, Bier und Chips. Du frisst dich noch mal fett an dem Zeug.«
»Nein, lass den Scheiß! Du weißt, dass es nicht so ist.«
»Na gut, mein Lieber, aber lass meinen Läppi in Ruhe! Der ist für dich tabu.« Er zog sich seine Jacke über, schlüpfte in die Schuhe und raffte sein kleines Handgepäck zusammen, in das er das Nötigste für zwei, drei Tage gepackt hatte. »Ich bin reif für die Insel.« Mit diesen Worten ging er aus der Tür. Diese fiel scheppernd ins Schloss.
Während sein Zimmerkumpel die ersehnte Einsamkeit genoss, schulterte Torsten Bentlin seinen Rucksack und machte sich auf den Weg zur S-Bahn-Station Parkstraße. Nach dem Überqueren der Ulmenstraße lief er quer über den Campus. Die großen Backsteingebäude, die durch ihre perfekten Konturen Symbole unbedingter Langlebigkeit sind, lagen schnell hinter ihm. Dann ging er zwischen den neuen Hörsälen hindurch. Er verzögerte seinen Schritt, denn auf dem Parkplatz 50 Meter vor ihm, unterhalb der Treppe, liefen zwei Männer aufgeregt um einen älteren Kleinwagen herum, aus dessen Motorhaube es qualmte. Der eine hatte einen kleinen Feuerlöscher in der Hand. Torsten näherte sich den beiden nun wieder schneller, um dann bei ihnen stehen zu bleiben. »Na, wo brennt’s denn? Kann ich helfen oder haben Sie alles im Griff?«
Einer der Männer wandte ihm zunächst weiterhin den Rücken zu, während der andere sich für die Hilfsbereitschaft bedankte. In diesem Moment der Zuwendung schlug der Erstere, aus einer trainierten schnellen Rechtsdrehung heraus, eine schwere, kantige Rückhand gegen den Hals des Studenten.
Schreckgeweitete, sich langsam leerende Augen, Röcheln, Kontrollverlust, erschlaffende Muskeln, Übermacht einer Armee aus Reflexen, die einem Browser gleich den biologischen Server in ihm abräumte und den Eigenrhythmus des Herzens bis zum endgültigen Stillstand hinwegfegte. Sein schlaffer Körper sank in kräftige Arme. Es war helllichter Tag. Etwa hundert Meter entfernt fuhr in diesem Moment die S-Bahn ein.