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Das Perserreich der Achämeniden

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Das Reich der Achämeniden, das bereits seit zwei Jahrhunderten die Nationen des Vorderen und des Mittleren Ostens zu einer großen Staats- und Schicksalsgemeinschaft zusammen geschlossen hatte, imponierte durch seine riesige Ausdehnung, sein unerschöpfliches Menschenpotential und seine märchenhaften materiellen Hilfsquellen. Es war aber ein Koloss auf tönernen Füßen. Der persischen Zentralmacht war es nicht gelungen, die vielen Völker und Stämme miteinander zu einem organischen Ganzen zu verschmelzen und die starken feudalistischen Kräfte zu bändigen. Allerdings sorgten die Hofschranzen in der Hauptstadt „Susa“ dafür, dass dem Herrscher der Welt unangenehme Nachrichten vorenthalten blieben. Immerhin verfügte der König über eine bestens geschulte griechische Söldnerarmee. Eine Truppe, die es mit jedem Gegner aufnehmen konnte.

Im 3. Buch seiner „Gesetze“, seinem letzten und umfangreichsten Dialog, behandelt der griechische Philosoph „Platon“ in der Rückschau auf die geschichtliche Entwicklung der bestehenden Staatsformen auch das Perserreich.

Es verkörpert für ihn die Staatsordnung, die nicht, wie etwa Sparta oder Kreta, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Einsicht, Freiheit und Eintracht der Bürger sorgte, was ihren Bestand gesichert hätte, sondern die Herrschergewalt über Gebühr steigerte. So wurde aus einer von dem verständigen Regenten „Kyros“ begründeten Monarchie schon unter seinem Sohn „Kambyses“ eine drückende Despotie. Eine Herrschaftsform, die sich unter „Dareios“ und seinem Nachfolger „Xerxes“ wiederholte.

Die Ursache dieser unheilvollen Entwicklung vermutete Platon in der Erziehung der Königssöhne durch die Frauen und Eunuchen des Königshauses. Eine Erziehung, die aus ihnen verweichlichte, zucht- und zügellose Menschen machte. Ähnlich wie Platon urteilte auch „Ktesias“, der griechische Leibarzt des persischen Großkönigs „Artaxerxes II.“.

Wie sind solche griechischen Bilder „persischer Dekadenz“ zu erklären und welche Bestätigung finden sie in der iranischen Überlieferung?

Durch alle Zeugnisse zieht sich das Urteil von der Verweichlichung der Perser infolge des um sich greifenden Luxus’. In der Tat ist die Zurschaustellung von Reichtum nicht zu leugnen. Üppige Geschenke an den König waren von besonderer Bedeutung im achämenidischen Herrschaftssystem. Sie machten zum einen Statusunterschiede deutlich, erfüllten ihren Zweck aber auch im Rahmen der Etablierung und Sicherung von Beziehungen zwischen König und Untertanen. Dabei spielten auch Gastmähler und Luxus-Bankette eine wichtige Rolle. Zu diesen Gelegenheiten, die die Macht des Königs sinnbildlich zum Ausdruck bringen sollten, gab wiederum der Herrscher in überreichem Maße Geschenke an die aus, die ihrerseits den König beschenkt oder sich durch besondere Loyalität ausgezeichnet hatten.

Die Heiratspolitik der Achämeniden-Herrscher, zunächst durch Rücksichtnahme auf die Familien des Hochadels – zur Sicherstellung deren Loyalität – bestimmt, hatte sich unter Dareios’ Nachfolgern geändert: Die Großkönige waren nun bestrebt, Allianzen innerhalb des Königshauses selbst einzugehen. Verbindungen zum Hochadel wurden nur noch als Belohnung für bereits erwiesene Treue und Dienste geknüpft.

Inzestuöse Ehen, wie etwa angeblich zwischen „Kambyses“ und seinen Schwestern oder „Artaxerxes II.“ und seiner Tochter, haben die Griechen, die die wichtigsten Quellen für die Nachwelt sind, nachdrücklich verurteilt. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass „Kambyses“ nicht seine Voll- sondern seine Halbschwestern „Roxane“ und „Atossa“ heiratete, weil ihm seine Ehefrau „Phaidymie“ keinen Sohn gebären konnte. Auf jeden Fall wollte er verhindern, dass sein Bruder „Bardiya“ und dessen Nachkommen den Thron besteigen konnten.

Vor allem die Verbindung von „Artaxerxes“ mit seiner Tochter „Arosa“, die der Grieche „Plutarch“ heftig kritisierte, wird erst auf den zweiten Blick verständlich. Wenn sie denn überhaupt stattgefunden hat und „Arosa“ nicht einfach die Stellung einer „Frau des Königs“, nicht etwa die „Mutter des Thronfolgers“ einnahm, dann ist das Motiv für diese „Ehe“ in dem Wunsch des Königs zu sehen, nach seinem Tode die Position seiner Erben und insbesondere des Thronfolgers bei Hofe abzusichern.

Natürlich lag es nicht allein an den Hofintrigen und an der verweichlichten Erziehung der Herrscher, dass das Achämidenreich zusammen brach. Trotz aller Bemühungen der Großkönige um Fortführung indigener Traditionen und Respektierung alter Institutionen und Privilegien in den ehemals unabhängigen Reichsteilen waren einschneidende Veränderungen im Status dieser Gebiete und ihrer Bewohner nicht zu vermeiden:

Ägypten und Babylonien etwa nahmen zwar eine besondere Stellung im Reichsganzen ein, hatten aber dennoch ihre außenpolitische Handlungsfreiheit verloren. Sie waren zu Tributleistungen und Heeresfolge verpflichtet und wurden von fremden Königen regiert. Immer wieder versuchten perserfeindliche Angehörige der heimischen Eliten ihr altes Herrschaftssystem erneut zu errichten. Erfolg hatten zumindest die Ägypter, allerdings nur über zwei Generationen.

Ein weiterer Nachteil, der sich verhängnisvoll auswirken sollte, war die mangelnde „Iranisierung“ der unterworfenen Völker. Die Perser blieben die isolierte Elite, eine Vermischung zwischen Eroberern und Unterworfenen fand nicht statt. Die regionalen und lokalen Adligen des Achämenidenreiches fanden nur sehr begrenzten Zugang zu den höchsten Ämtern, die vornehmlich Angehörigen der persischen Aristokratie vorbehalten blieben.

Perser zu sein und aus Persien zu stammen, zeichnete in besonderer Weise aus. Es gab zwar Nichtperser, die hohe politischmilitärische Positionen ausfüllten, so der karische Dynast „Mausolos“ oder das griechische Brüderpaar „Memnon“ und „Mentor“, doch blieben das Ausnahmen.

Zudem waren etwa Schrift, Sprache und Religion der Perser – anders als bei den Römern – kaum attraktiv genug, um das Netz zwischen Persern und Nichtpersern enger zu knüpfen. Dass in der Vorstellung vieler Ägypter die „Meder“ Fremde blieben, dürfte vor allem auch mit der persischen „Exklusivität“ zusammen hängen.

Es herrscht kein Zweifel darüber, dass in den Provinzen des iranischen Hochlandes das Prestige des Großkönigs besonders groß war. Dennoch war das Verhältnis zwischen den Großkönigen und der persischiranischen Reichselite nicht frei von Spannungen. Weitere Konflikte ergaben sich, wenn die engen Verbindungen zwischen persischen Satrapen und deren Familien sowie den Eliten ihrer Provinzen nicht zum Zweck der Aufrechterhaltung der Reichseinheit genutzt wurden, sondern zur Sicherung eigenmächtiger Positionen.

Die Großkönige versuchten zu allen Zeiten, solchen Tendenzen entgegen zu wirken.

Kennzeichen dieser Politik waren die Vergabe von Titeln, Ämtern, Besitz, Vermögen und Ehrengeschenke an treue Untertanen oder die Aufnahme loyaler Aristokraten in den Kreis der so genannten „Wohltäter“ des Königs. Die der Karriere förderliche Königsnähe bewirkte zudem, dass bei Hofe eine Art „Dienstadel“ entstand, dem die Loyalität zum Herrscher im Ernstfall wichtiger war, als die zum Clan. Das Konkurrieren um Ämter, Pfründe und die Gunst des Königs erschwerte das aristokratische Aufbegehren. Das Scheitern der blutigen Satrapenaufstände des 4. Jahrhunderts im Westen ist nicht zuletzt in dieser Konkurrenz der Beteiligten untereinander begründet.

Eine entscheidende strukturelle Schwäche der Perserherrschaft ist allen Großreichen mit monarchistischer Spitze eigen: Obgleich im Iran weder über das Königtum an sich noch über seine Zuweisung an den Achämeniden-Clan gestritten wurde, kam es doch immer wieder zu Thronstreitigkeiten und dynastischen Krisen. Dabei war vor allem die kurze Phase zwischen dem Tod eines Königs und dem Regierungsantritt seines Nachfolgers für alle Achämeniden bedeutsam, die bei der Vergabe der Macht ein Wort mitzureden gedachten. Trat doch der vom Vater bestimmte Nachfolger nicht sogleich die Herrschaft an, sondern erst nach einer gewissen Zeit der Trauer und „Aussetzung gesetzlicher Zustände“ sowie nach Erfüllung bestimmter Pflichten, wozu auch die feierliche Bestattung des verstorbenen Königs und die Ausführung der Bestimmungen seines Testaments gehörten.

Eine vom griechischen Arzt „Ktesias“, der am persischen Hof in Susa praktizierte, überlieferte Episode beleuchtet diese Krisenzeit näher: Nach dem Tode von „Artaxerxes I.“ – er starb 424 v. Chr. – beauftragt der Kronprinz „Xerxes“ den Funktionär „Bagozaros“, die Leichname seines Vaters und seiner Mutter nach Persepolis zu überführen. Der Zug hatte sich noch nicht in Bewegung gesetzt, da starb Xerxes durch die Hand seines Bruders „Sekyndianos“. Die Maultiere, die den Katafalk der Eltern ziehen sollten, verweigerten den Dienst und setzten sich erst in Bewegung, als auch die Leiche des jungen „Xerxes“ herbei gebracht war. „Sekyndianos“ lässt daraufhin den „Bagozaros“ unter dem Vorwand hinrichten, er habe ohne sein Einverständnis den Leichnam des verstorbenen Herrschers im Stich gelassen.

Vermutlich empfand „Sekyndianos“ das Verhalten des „Bagozaros“ als Auflehnung und als Kritik an seiner Legitimation. Jener hatte die Überführung des toten Regenten nicht im Namen seines Nachfolgers statt finden lassen wollen, dessen Recht auf den Thron er bestritt. Ambitionierte Prinzen wie „Kyros der Jüngere“ oder „Sekyndianos“, Königinnen wie „Amestris“ oder „Parysatis“, die die Thronfolge für ihre Söhne sichern und einflussreiche Personen bei Hofe wie „Bagoas“, die ihre Stellung behaupten oder ausbauen wollten, hatten ihren Anteil daran, dass Thronfolge und Herrscherwechsel im Achämenidenreich sich zuweilen zu überaus ernsten Krisen zuspitzen konnten.

Das Perserreich war eine Militärmacht. Wie stand es aber wirklich um seine Kampfkraft? Schon von Beginn ihrer Herrschaft an verpflichteten die Perser griechische Söldnerverbände, wobei jeder Kämpfer freie Kost und Logis und einen Monatssold von einem Gold-Dareios erhielt. Zur Zeit Alexanders waren diese Truppen voll in die Armee des Königs integriert und ihre griechischen Kommandeure – durch Heirat und Aufnahme in den Kreis der „Freunde“ und „Wohltäter“ des Königs – in die Führungsschicht des Reiches aufgestiegen. Allerdings sollte man sich davor hüten, die Verpflichtung von Söldnern als Zeichen des Niedergangs der persischen Macht und Kriegskunst zu werten. Dagegen sprechen die historischen Fakten, etwa die Rückeroberung Ägyptens kurz vor dem Alexanderzug oder die Niederschlagung des Satrapen-Aufstandes im Westen des Reiches.

Der Einsatz von Söldnern war ein Phänomen des 4. Jahrhunderts und gibt allein Auskunft über die Leistungsfähigkeit und Kampfkraft der griechischen „Hopliten“ sowie ihre Motive für den Dienst beim Großkönig. Der hatte gute Gründe und vor allem die notwendigen Mittel, statt der bäuerlichen Bevölkerung, die durch den Militärdienst der Kultivierung des Landes entzogen worden wäre, kampferprobte Söldner anzuwerben.

Wie erklärt sich nun aber der militärische Erfolg „Alexanders des Großen“ über ein Weltreich, das keineswegs in den letzten Zügen lag? Inzwischen ist es für die Historiker eine Tatsache, dass sich der Makedonenkönig nach seinem Übersetzen nach Kleinasien in einer prekären Lage befand: Er besaß vor der Eroberung von „Sardes“ Edelmetallreserven für nicht mehr als drei Monate. Lange Zeit war er auf die Versorgung aus dem eroberten Lande angewiesen, weil die persische Flotte das östliche Mittelmeer kontrollierte. Er musste auf alle Fälle versuchen, die persischen Flottenstützpunkte in Kilikien und Phönikien in seine Hand zu bekommen. Seine Siege am „Granikos“ und bei „Issos“, die ungefähr zeitgleichen Triumphe des „Antigonos“ in Kleinasien und des Königs selbst vor „Tyros“ und „Gaza“ waren für Alexander existentiell wichtig. Er hätte sich schlichtweg keine Niederlage leisten können.

Es herrscht kein Zweifel darüber, dass Alexander ein herausragender Feldherr war. Sein Heer zeigte sich nicht an Mannschaftsstärke und Kampfmoral, aber in Ausbildung, Taktik und Militärtechnik – vor allem auch auf dem Gebiet des Belagerungswesens – dem Gegner überlegen. Erklärt dies alles seinen Triumph?

Glaubt man dem griechischen Historiker „Arrian“, dann stand dem Sohne Philipps ein politisch wie militärisch hoffnungslos überforderter Großkönig „Dareios“ gegenüber. Ein König, der ohne Grund in den Schlachten bei „Issos“ und „Gaugamela“ seine Sache vorschnell verloren gab. Allerdings: Die Flucht vor den Griechen muss nicht unbedingt durch Feigheit bestimmt worden sein. Der Großkönig verlässt das Schlachtfeld, weil nur er die gestörte Ordnung wieder herstellen, nur er den weiteren Widerstand organisieren kann. Sein Tod auf dem Schlachtfeld oder seine Gefangennahme wäre von seinen Untertanen als traumatisch empfunden worden.

Das Urteil der Geschichte ist jedoch eindeutig: Die Flucht des Großkönigs vor dem strahlenden Sieger Alexander gilt als schändlich, sein schmählicher Tod – er wurde von seinen Gefolgsleuten gemeuchelt – als verdient.

Sein makedonischer Gegenspieler versucht in der Folge „Dareios“ an großköniglichen Tugenden noch zu übertreffen, den Glanz des Reichsgründers „Gyros“ auf sich scheinen zu lassen und die hohen persischen Würdenträger auf seine Seite zu ziehen. All denen, die zu ihm überliefen, bot er ihren bisherigen Vorrechten vergleichbare Positionen und Pfründe an. Durch seine Erfolge verschaffte Alexander sich und seiner Politik das nötige Charisma. Nicht überall verfing sein Bemühen, in manchem unterschied er sich von den Perserkönigen, doch seine – nach Brechung anfänglichen Widerstandes – auf Verständigung und Zusammenarbeit mit den Unterworfenen ausgerichtete Politik verschaffte ihm Anerkennung im Osten über seinen Tod hinaus.

Es bedurfte des militärischen Genies Alexanders des Großen, das Achämidenreich zu stürzen. Das Imperium der Perser wies zwar strukturelle Schwächen auf, hätte aber mit großer Sicherheit noch weitere 200 Jahre bestanden, wäre nicht ein jugendlicher Held und Draufgänger, mit allen Tugenden eines Herrschers ausgestattet, darüber hergefallen.

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